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Therapie teratomatöser testikulärer Keimzelltumoren

Primäre testikuläre Teratome sind selten und stellen aufgrund der tumormarkernegativen und primär chemotherapierefraktären Metastasen eine therapeutische Herausforderung dar. Im folgenden Artikel gehen wir auf die stadienabhängige Therapie der Teratome ein, die im Wesentlichen oftmals eine komplexe chirurgische Intervention bedeutet. Ebenso werden die Besonderheiten des Growing-Teratoma-Syndroms dargestellt, das oft missinterpretiert, übersehen und somit suboptimal behandelt wird.

Reine testikuläre Teratome bestehen aus den drei Keimblättern Mesoderm, Ektoderm und Endoderm und machen nur ca. 5% der nichtseminomatösen Hodentumoren (NSKZT) aus.1 Viel häufiger sind die Teratome Bestandteil nichtseminomatöser Mischtumoren, bei denen sie in Abhängigkeit von ihrem prozentualen Anteil am Primärtumor durchaus Einfluss auf Therapieentscheidungen bei Residualtumoren nach Chemotherapie haben (siehe unten).

Die früher getrennt betrachteten maturen Teratome (hoch- und ausdifferenziertes Gewebe) und die immaturen Teratome (bestehend aus undifferenziertem embryonalem Gewebe) werden heute unter dem Begriff „Teratom“ zusammengefasst.2 Makroskopisch sind die Teratome gekennzeichnet durch eine teils solide, teils zystische Oberfläche. Die Teratome weisen in aller Regel eine langsame Proliferation auf, wenngleich ca. 24% bereits zum Diagnosezeitpunkt eine lymphogene Metastasierung zeigen.

Immunhistochemisch sind die Teratome, anders als die NSKZT, definiert durch eine fehlende p53-Proteinexpression und eine sehr hohe Expression des Bcl-2 in den glandulären und stromalen Anteilen.3

Teratom im klinischen Stadium I

Tab. 1: Rezidivraten bei reinem Teratom im klinischen Stadium I unter aktiver Beobachtung; adaptiert von Heidenreich et al.1

Als Standardtherapie hat sich im klinischen Stadium I die aktive Beobachtung durchgesetzt, obwohl wir wissen, dass ca. 14–20% der Patienten in diesem Stadium bereits okkulte retroperitoneale Metastasen aufweisen.3,4 Auch haben frühere Studien gezeigt, dass die aktive Beobachtung beim reinen Teratom des Hodens zu einer Rezidivrate von 11–43% führt (Tab. 1).

Tab. 2: Risikofaktoren für eine okkulte retroperitoneale Metastasierung des reinen Teratoms im klinischen Stadium I

Aus diesen Serien der 1990er-Jahre zur primären nervschonenden retroperitonealen Lymphadenektomie (nsRPLA) wissen wir, dass ca. 75% dieser kleinen Metastasen nur teratomatöse oder zumindest teratomhaltige Elemente beinhalten, die aufgrund der Chemo- und Strahlentherapierefraktärität nur durch eine operative Maßnahme kuriert werden können. Dadurch ergibt sich bei den lymphadenektomierten Patienten eine Rezidivrate von 0% im Vergleich zu den oben zitierten hohen Rezidivraten.

Unsere Arbeitsgruppe konnte damals zudem zeigen, dass die in einer seriellen Aufarbeitung der Orchiektomiepräparate nachweisbaren Verkalkungen und Vernarbungen als Zeichen eines „burned-out“ Tumors bzw. kleinste nichtteratomatöse Elemente als Risikofaktoren für eine retroperitoneale Metastastierung anzusehen sind (Tab. 2). Diese Risikofaktoren sollten somit eine primäre nervschonende retroperitoneale Lymphadenektomie nach sich ziehen, ansonsten ist die aktive Beobachtung gerechtfertigt.

Klinisches Stadium IIA/B

Da die überwiegende Zahl der Patienten in diesem Stadium tumormarkernegativ ist, wurde die primäre nsRPLA lange Zeit als Therapie der Wahl durchgeführt. Aus den eben bereits zitierten Studien ist bekannt, dass ca. 75% der Patienten Metastasen aufweisen, während ein Viertel der Patienten eine benigne Histologie zeigt.

Von den histologisch gesicherten Metastasen wiederum sind zwei Drittel teratomhaltig und können nur durch den operativen Eingriff entfernt werden. Auch die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Urologie geben die primäre RPLA bei diesen Patienten als Therapieoption an.5 Insbesondere kann durch die RPLA bei teratomhaltigen Metastasen das Risiko für Langzeittoxizitäten durch eine unnötig durchgeführte systemische Chemotherapie vermieden werden.

Die Rate an rezidivfreier Heilung bei reinem Teratom beträgt nahezu 100%, die Rezidivrate bei teratomhaltigen NSKZT und alleiniger RPLA ohne adjuvante Chemotherapie beträgt 20%.6 Wenn eine primäre RPLA mit dem Patienten besprochen wird, ist diese auch im klinischen Stadium IIA/B als nervschonende RPLA durchzuführen (Abb. 1).

© A. Heidenreich

Abb. 1: Nervschonende retroperitoneale Lymphadenektomie. A: Situs im klinischen Stadium I. B:Situs im klinischen Stadium IIB, die sympathischen Nervenfasern sind mit Vessel-Loops markiert

Klinisches Stadium IIC–III

In diesem Stadium der ausgedehnten retroperitonealen bzw. systemischen Metastasierung steht die primäre Chemotherapie mit 3–4 Zyklen PEB (Cisplatin, Etoposid und Bleomycin) in Abhängigkeit vom Risikoprofil im Vordergrund, nachdem die überwiegende Zahl der Patienten nichtteratomatöse Elemente in den Metastasen aufweist.5

Verbleiben Residualtumoren nach der Chemotherapie, ist eine retroperitoneale Lymphadenektomie in einem unilateralen modifizierten oder einem radikalen bilateralen Muster entsprechend der Heidenreich-Kriterien indiziert.7,8 Wie unsere eigenen Arbeiten zeigen konnten, spielt der Anteil des Teratoms im Primärtumor eine wichtige Rolle für die spätere Prognose sowie für die Residualtumorresektion nach Chemotherapie.9

Die Patienten mit einem teratomhaltigen Primarius präsentieren sich häufiger in einem fortgeschrittenen Tumorstadium sowie deutlich häufiger mit einer intermediären bzw. ungünstigen Prognose nach IGCCCG-Kriterien. Auch konnten wir darstellen, dass die teratomhaltigen Primärtumoren mit einer deutlich schlechteren Prognose mit einem signifikant verkürzten rezidivfreien Überleben im Vergleich mit den Tumoren ohne Teratom verbunden sind.

Verschiedene Arbeitsgruppen konnten zudem zeigen, dass die Patienten mit teratomhaltigen Primärtumoren signifikant häufiger Teratome in den resezierten Residualtumoren nach Chemotherapie aufwiesen als die Patienten mit teratomfreien Tumoren (85,6% vs. 49,1%).10 Da diese Verteilung unabhängig von der Größe des Residualtumors war, ist zu schlussfolgern, dass alle Patienten mit einem sichtbaren Residualtumor bei dominantem Teratom im Primarius einer Residualtumorresektion unterzogen werden sollten, während die Patienten ohne Teratom oder mit minimalem Teratomanteil und einem postchemotherapeutischen Residuum <1cm der aktiven Beobachtung zugeführt werden können.

Growing-Teratoma-Syndrom

Das Growing-Teratoma-Syndrom (GTS) ist definiert durch eine Markernormalisierung bei gleichzeitiger Größenprogression der Metastasen eines Keimzelltumors.

In der bildgebenden Diagnostik finden sich in den größenprogredienten Metastasen teils zystische, teils solide Anteile. Prinzipiell sollte bei Nachweis eines GTS zunächst die geplante systemische Chemotherapie mit 3–4 Zyklen PEB komplettiert werden, bevor die chirurgische Resektion erfolgt. Ausnahmen bilden lediglich die Patienten, bei denen es aufgrund der Größenprogredienz zu erheblichen Beschwerden wie zum Beispiel einem obstruktiven Ileus kommt (Abb. 2).

© A. Heidenreich

Abb. 2: Großes zystisches Teratom nach systemischer Chemotherapie. A: CT des Abdomens mit Nachweis der großen zystischen Raumforderung. B:Bereits sichtbare abdominelle Vorwölbung durch die große Raumforderung. C: Intraoperativer Situs mit Mobilisation der großen Tumormasse

Nach Abschluss der Chemotherapie stellt die komplette chirurgische Resektion der Metastasen die Therapie der Wahl dar. Nur die komplette Resektion, teils unter Mitnahme infiltrierter Nachbarorgane, bedingt eine hohe Rate an rezidivfreiem und Gesamtüberleben von 91,5% bzw. 94,5%.11 Die operative Therapie bedarf einer hohen operativen Expertise und sollte eindeutig entsprechenden Zentren vorbehalten sein.

1 Heidenreich A et al.: The role of retroperitoneal lymphadenectomy in mature teratoma of the testis. J Urol 1997; 157(1): 160-3 2 Moch H et al.: The 2022 World Health Organization Classification of Tumours of the Urinary System and Male Genital Organs-Part A: renal, penile, and testicular tumours. Eur Urol 2022; 82(5): 458-68 3 Heidenreich A et al.: Immunohistochemical and mutational analysis of the p53 tumour suppressor gene and the bcl-2 oncogene in primary testicular germ cell tumours. Acta Pathol Microbiol Scand A 1998; 106(1): 90-9 4 Rabbani F et al.: Clinical outcome after retroperitoneal lymphadenectomy of patients with pure testicular teratoma. Urology 2003; 62(6): 1092-6 5 EAU guidelines on testicular cancer. Online unter https://uroweb.org/guidelines/testicular-cancer . Abgerufen am 09.01.2023 6 Tachibana I et al.: Primary retroperitoneal lymph node dissection for patients with pathologic stage II nonseminomatous germ cell tumor-N1, N2, and N3 disease: is adjuvant chemotherapy necessary? J Clin Oncol 2022; 40(32): 3762-76 7 Heidenreich A et al.: Postchemotherapy retroperitoneal lymph node dissection in advanced testicular cancer: radical or modified template resection. Eur Urol 2009; 55(1): 217-24 8 Vallier C et al.: External validation of the Heidenreich criteria for patient selection for unilateral or bilateral retroperitoneal lymph node dissection for post-chemotherapy residual masses of testicular cancer. World J Urol 2014; 32(6): 1573-8 9 Paffenholz P et al.: Teratomatous elements in orchiectomy specimens are associated with a reduced relapse-free survival in metastasized testicular germ cell tumors. Urol Int 2022; 106(10): 1061-7 10 Beck SD et al.: Teratoma in the orchiectomy specimen and volume of metastasis are predictors of retroperitoneal teratoma in post-chemotherapy nonseminomatous testis cancer. J Urol 2002; 168(4 Pt 1): 1402-4 11 Paffenholz P et al.: Diagnosis and management of the growing teratoma syndrome: a single-center experience and review of the literature. Urol Oncol 2018; 36(12): 529.e23-529.e30

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