Ein Superfood mit therapeutischer Wirkung
Autoren:
Mag. Dr. Marlies Schellnegger1
Mag. Dr. Elisabeth Hofmann1
Prof. Dr. Lars-Peter Kamolz1, 2
1 COREMED – Kooperatives Zentrum für Regenerative Medizin, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, Graz
2 Klinische Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Universitätsklinik für Chirurgie, Medizinische Universität Graz
E-Mail: marlies.schellnegger@joanneum.at
Der Granatapfel (Punica granatum) wurde schon in der Antike als Heilmittel eingesetzt und galt in der griechischen Mythologie als Fruchtbarkeitssymbol. Durch seinen überdurchschnittlich hohen Anteil an Polyphenolen, Vitaminen und Mineralstoffen wird der Granatapfel heute als wahres Superfood gehandelt und übertrifft mit seiner antioxidativen Wirkung grünen Tee und Wein. Inzwischen untermauern zahlreiche Studien die gesundheitsfördernde Wirkung im Zusammenhang mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern. Auch für die Haut scheint der Granatapfel sowohl in der therapeutischen als auch kosmetischen Anwendung vielversprechend.
Bereits in der Antike postulierte Hippokrates, der Begründer der griechischen Medizin: „Lass die Nahrung dein Heilmittel und die Heilmittel deine Nahrung sein.“ Nachdem der gesundheitliche Aspekt der Ernährung in einer immer schnelllebigeren Zeit und mit dem Aufkeimen verschiedener Fast-Food-Ketten etwas an Bedeutung verloren hat, zeichnet sich seit einigen Jahren ein Trend zu einem umfassenden Gesundheitsbewusstsein ab, womit auch gesunde Ernährung einen neu definierten Stellenwert erlangt. Der Begriff „Superfood“ (Nahrungsmittel mit einer sehr hohen Dichte an Mikronährstoffen) ist seit einigen Jahren ein zentrales Schlagwort vieler Marketingstrategien. Als eines dieser Superfoods wird auch der Granatapfel gehandelt; zu Recht, wie zahlreiche In-vitro- als auch In-vivo-Studien zeigen.
Der Granatapfel stammt ursprünglich aus Zentralasien, wird aber inzwischen auch im Mittelmeerraum kultiviert.1 Die tiefrote Farbe des Arillus (fleischiger Samenmantel) weist bereits auf einen sehr hohen Anteil an Polyphenolen hin, wobei sich der Großteil aus Antioxidanzien zusammensetzt.2 Die vielfältige Wirkung des Granatapfels wird nicht nur mit einem spezifischen Inhaltsstoff assoziiert, sondern auf einen synergistischen Effekt der verschiedenen Polyphenole zurückgeführt. Durch diese supraadditive Wirkung zeigt der Verzehr der Frucht eine wesentlich eindrücklichere Wirkung als die Anwendung isolierter Inhaltsstoffe in hochkonzentrierter Form. Wie es zu dieser synergistischen Wirkung kommt, ist bislang allerdings noch nicht gänzlich geklärt und damit Gegenstand aktueller Studien.8
Die antioxidative Wirkung des Granatapfelsaftes übertrifft damit durch das breite Spektrum unterschiedlicher Polyphenole das antioxidative Potenzial von Grüntee, Rotwein – sogar von Vitamin C und E – um ein Vielfaches.3 Selbst die Schale des Granatapfels weist ein herausragendes Profil an sekundären Pflanzenstoffen auf, welches sowohl aus medizinischer als auch ernährungswissenschaftlicher Sicht wertvoll erscheint. Zwar ist die Schale des Granatapfels nicht zum Verzehr geeignet, doch findet das Extrakt der Schale inzwischen unterschiedlichste Anwendungen, wie in der Lebensmittelkonservierung, als Nahrungsergänzungsmittel oder Präbiotika.4 Die Daten rezent durchgeführter In-silico- und In-vitro-Studien weisen außerdem darauf hin, dass Inhaltsstoffe der Granatapfelschale (Punicalagin und Punicalin) einer Infektion mit SARS-CoV-2 entgegenwirken können, indem die Bindungsaffinität des SARS-CoV-2-S-Glykoproteins für den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle abgeschwächt wird.5,6 Zwar bedarf es weiterer Studien in vitro und in vivo, die diesen Ansatz weiterverfolgen, erste Ergebnisse scheinen jedoch vielversprechend und deuten darauf hin, dass gewisse Inhaltsstoffe des Granatapfels eine Infektion mit SARS-CoV-2 unterbinden könnten.
Schon vor Jahrhunderten wurde der Granatapfel in der traditionellen Medizin eingesetzt; die Blätter des Granatapfels sollten Entzündungen lindern und die Rinden und Wurzeln des Granatapfelbaumes wurden zur Behandlung von Ulzera und zur Blutstillung verwendet.7 Heute gibt es eine Vielzahl an Studien, die das breite gesundheitsfördernde Wirkspektrum dieser Frucht belegen. Aufgrund der starken antientzündlichen und antioxidativen Eigenschaften des Granatapfels erwies sich die Frucht in der Therapie von chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sowie entzündlichen Darmerkrankungen als äußerst vielversprechend.2,8,9
Dem Granatapfel wird zudem eine antikanzerogene Wirkung zugeschrieben. Die antiproliferativen und zytotoxischen Eigenschaften wurden bereits im Zusammenhang mit verschiedenen Krebszelllinien (Prostata-, Lungen-, Kolon- und Mammakarzinom) beschrieben. Auch hier führt der synergistische Effekt der im Granatapfel enthaltenen Polyphenole zu einer signifikant stärkeren antiproliferativen Wirkung als einzelne isolierte Polyphenole. Die Polyphenole des Granatapfelsaftes hemmen nachweislich zwei Enzyme, die wesentlich an der Entstehung von Brustkrebs beteiligt sind: die Aromatase, durch die Androgen zu Östrogen umgewandelt wird, sowie die in die Östrogensynthese involvierte 17-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase.Demnach könnte der Granatapfel einen ernährungsphysiologischen Beitrag in der Prävention von Brustkrebs leisten.10,11
In-vitro- sowie In-vivo-Studien beschreiben außerdem vaskuloprotektive Eigenschaften der Frucht; die aus dem Granatapfel gewonnenen Substanzen reduzieren oxidativen Stress sowie die Thrombozytenaggregation, vermindern die Lipidaufnahme durch Makrophagen und wirken sich positiv auf die Funktion der Endothelzellen aus. Klinische Studien zeigen, dass der Verzehr von Granatapfelsaft die Konzentration des Angiotensin-converting-Enzyms (ACE) und den systolischen Blutdruck bei hypertensiven Patienten senkt und gleichzeitig arteriosklerotische Plaques reduziert.12
Aufgrund der hohen Dichte an Polyphenolen und des breiten antioxidativen Spektrums wird der Granatapfel auch als Wunderwaffe in Sachen Anti-Aging gehandelt. Durch Studien in vivo konnten bereits eine lebensverlängernde Wirkung des Granatapfels nachgewiesen werden. Anti-Aging-Effekte werden mitunter dem Metaboliten Urolithin A (UA) zugeschrieben; UA könnte Mitophagie (Autophagie bei Mitochondrien) triggern und gleichzeitig beschädigte Mitochondrien eliminieren.13,14
Auch für die Anwendung auf der Haut scheint der Granatapfel durch seine antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften sehr attraktiv und findet durch sein breites Wirkspektrum vielfältige Anwendungsfelder.
Elastizität und Hautalterung
Durch die Anti-Aging-Wirkung des Granatapfels soll die Faltenbildung gemindert und die Hautelastizität erhöht werden. Punicinsäure, eine mehrfach ungesättigte Fettsäure, für die der Granatapfel (Punica granatum) namensgebend ist, wirkt der Bildung von Striae cutis distensae (Dehnungsstreifen) durch eine Verbesserung der Hautelastizität nachweislich entgegen. Auch nach starkem Gewichtsverlust zeigte die Anwendung von Granatapfelextrakt hautstraffende Effekte, indem die Synthese der Glykosaminoglykane in der Haut angeregt wurde.15 Die Glykation von Elastin und Kollagen nimmt im Alter zu; dieser Prozess trägt zum Verlust der Spannkraft der Haut bei. Studien zeigen, dass Granatapfelextrakt inhibierend auf Prozesse der Glykation wirkt, indem die enthaltenen Polyphenole einerseits freie Radikale abfangen und andererseits die Bildung der Endprodukte der Glykation („advanced glycation end products“, AGEs) unterdrücken.16 Die Akkumulierung dieser AGEs spielt allerdings nicht nur bei der Hautalterung eine entscheidende Rolle, sondern ist auch ein wesentlicher Pathomechanismus bei der Entstehung von chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 oder Alzheimer.12
Photoprotektion
Granatapfelaufbereitungen wird bei topischer Anwendung eine photoprotektive Wirkung zugeschrieben; bioaktive Bestandteile der Granatapfelschale reduzieren nachweislich durch UV-Strahlung induzierten oxidativen Stress und damit einhergehende Entzündungsprozesse. Diese photoprotektive Wirkung des Granatapfels wird mitunter auf das Flavonoid Anthocyanin zurückgeführt.17 Ellagsäure, ein weiteres Polyphenol des Granatapfels, wirkt der durch UVB-Strahlung induzierten Verdickung der Dermis – und damit der Faltenbildung – entgegen. Auch klinische Studien untermauern die photoprotektive Wirkung der Frucht: Der tägliche Verzehr von Granatapfelsaft und Granatapfelextrakt reduzierte UVB-induzierte Hautschäden. Die Autoren vermuten, dass die bioaktiven Nährstoffe das Hautmikrobiom verändern und es dadurch zu einem Schutz gegen UVB-Strahlung kommt.18
Verbrennungen und Wundheilung
Granatapfel ist nicht nur für die kosmetische Anwendung auf der Haut attraktiv; durch das enthaltene Polyphenol Ellagsäure zeigt Granatapfelextrakt auch in der Behandlung von Verbrennungen heilungsfördernde Eigenschaften. Eine In-vivo-Studie bei Ratten zeigte unter Anwendung eines Granatapfelextrakts mit 40% Ellagsäure bei Grad-II-Verbrennungen eine deutlich verbesserte Wundheilung.19 Dieselbe Behandlung zeigte sich auch bei Inzisionswunden als wirksam. Durch das Granatapfelextrakt konnte die Infiltration polymorphonukleärer Leukozyten (PMN) gesenkt werden; zu viele PMN werden in der Entzündungsphase der Wundheilung mit Gewebeschäden assoziiert.20 Auch bei Diabetes führte die topische Applikation von Granatapfelextrakt in einem In-vivo-Versuch zu einer deutlich verbesserten Wundheilung.21
Literatur:
1 Stepanyan-Gandilyan N: On the evolution of Punica granatum L. (Punicaceae) 2019; 8: 104-10 2 Vučić V et al.: Composition and potential health benefits of pomegranate: a review. Curr Pharm Des 2019; 25(16): 1817-27 3 Zarfeshany A et al.: Potent health effects of pomegranate. Adv Biomed Res 2014; 3: 100 4 Akhtar S et al.: Pomegranate peel and peel extracts: chemistry and food features. Food Chem 2015; 174: 417-25 5 Suručić R et al.: Pomegranate peel extract polyphenols attenuate the SARS-CoV-2 S-glycoprotein binding ability to ACE2 receptor: in silico and in vitro studies. Bioorg Chem 2021; 114: 105145 6 Suručić R et al.: Computational study of pomegranate peel extract polyphenols as potential inhibitors of SARS-CoV-2 virus internalization. Mol Cell Biochem 2021; 476(2): 1179-93 7 Ge S et al.: A unique understanding of traditional medicine of pomegranate, Punica granatum L. and its current research status. J Ethnopharmacol 2021; 271: 113877 8 Wu S, Tian L.: Diverse Phytochemicals and bioactivities in the ancient fruit and modern functional food pomegranate (Punica granatum). Molecules 2017; 22(10) 9 Danesi F, Ferguson LR.: Could pomegranate juice help in the control of inflammatory diseases? Nutrients 2017; 9(9) 10 Baradaran Rahimi V et al.: Antiinflammatory and anti-cancer activities of pomegranate and its constituent, ellagic acid: evidence from cellular, animal, and clinical studies. Phytother Res 2020; 34(4): 685-720 11 Bassiri-Jahromi S: Punica granatum (pomegranate) activity in health promotion and cancer prevention. Oncol Rev 2018; 12(1): 345 12 Wang D et al.: Vasculoprotective effects of pomegranate (Punica granatum L.). Front Pharmacol 2018; 9: 544 13 Zheng J et al.: Pomegranate juice and extract extended lifespan and reduced intestinal fat deposition in caenorhabditis elegans. J Int Vitaminol Nutr 2017; 87(3-4): 149-58 14 Ryu D et al.: Urolithin A induces mitophagy and prolongs lifespan in C. elegans and increases muscle function in rodents. Nat Med 2016; 22(8): 879-88 15 Ko K et al.: Nutritional and bioactive components of pomegranate waste used in food and cosmetic applications: a review. Foods 2021; 10(3) 16 Kumagai Y et al.: Anti-glycation effects of pomegranate (Punica granatum L.) fruit extract and its components in vivo and in vitro. J Agric Food Chem 2015; 63(35): 7760-4 17 Bikiaris ND et al.: Innovative skin product emulsions with enhanced antioxidant, antimicrobial and UV protection properties containing nanoparticles of pure and modified Chitosan with encapsulated fresh pomegranate juice. Polymers (Basel) 2020; 12(7): 1-25 18 Henning SM et al.: Pomegranate juice and extract consumption increases the resistance to UVB-induced erythema and changes the skin microbiome in healthy women: a randomized controlled trial. Sci Rep 2019; 9(1): 1-11 19 Lukiswanto BS et al.: Evaluation of wound healing potential of pomegranate (Punica granatum) whole fruit extract on skin burn wound in rats (Rattus norvegicus). J Adv Vet Anim Res 2019; 6(2): 202-7 20 Yuniarti WM et al.: The activity of pomegranate extract standardized 40% ellagic acid during the healing process of incision wounds in albino rats (Rattus norvegicus). Vet World 2018; 11(3): 321-6 21 Saidi K et al.: The interplay between plasma hormonal concentrations, physical fitness, workload and mood state changes to periods of congested match play in professional soccer players. Front Physiol 2020; 11: 835 22 Young JE et al.: Phenolic composition of pomegranate peel extracts using an liquid chromatography-mass spectrometry approach with silica hydride columns. J Sep Sci 2017; 40(7): 1449-56
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