
Digitale Innovationen in der Lungenheilkundeals Problemlöser?
Autorin:
Prim. Dr. EvelineKink
Abteilung für Innere Medizin & Pneumologie
LKH Graz II, Standort Enzenbach
E-Mail: eveline.kink@kages.at
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Patient:innen nutzen die Digitalisierung in der Medizin, um Übersicht über ihre Gesundheitsdaten zu haben. Während Telemedizin und Telemonitoring z. B. in der Schlafmedizin bereits breite Anwendung finden, werden Apps in der medizinischen Versorgung nur beschränkt eingesetzt.
Keypoints
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Digitale Lösungen im Gesundheitswesen bieten viele Vorteile, dennoch müssen noch einige Hürden überwunden und offene Fragen geklärt werden.
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In der Pneumologie findet die Telemedizin bereits breite Anwendung, sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie.
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Anwendungsbeispiele für „smart diagnosis“ sind digitale Stethoskope, Spirometer, Pulsoxymeter und FeNO-Messungen.
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Das Angebot an medizinischen Apps ist groß, es fehlt jedoch häufig an wissenschaftlicher Validierung und Transparenz.
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Wichtige Grundlagen für den Einsatz digitaler Innovationen sind wissenschaftliche Belegefür den medizinischen Nutzen und die Integrierung in die Leitlinien der Fachgesellschaften.
Während das Gesundheitssystem mit der gesetzlich vorgeschriebenen Fax-Ablöse kämpft, tracken unsere Patien-t:innen ihre Fitness und teilen, ohne zu zögern, intimste Gesundheitsdaten mit den Großkonzernen. Neben den bereits unbestrittenen Vorteilen der Digitalisierung wie z.B. Zeitersparnis, leichterer Zugang zu medizinischen Informationen, bessere Kommunikation mit Gesundheitsdiensteanbietern und Erinnerungsfunktionen gibt es noch mannigfaltige Hindernisse und zu klärende Fragen. Insbesondere Intraoperabilität, Datenschutz und „data ownership“ (Dateneigentum), Reproduzierbarkeit und Validierung der Messwerte, Kostenübernahme und Honorierung der erbrachten Leistung sowie rechtliche Aspekte wie z.B. Haftungsfragen bleiben offen. Für die Beurteilung des echten medizinischen Nutzens, wie der Reduktion der Exazerbationsraten oder der Mortalität bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD, fehlt häufig die breite wissenschaftliche Grundlage (Tab. 1).
Medizinische Apps
Das Angebot an medizinischen Apps in der Pneumologie ist vielfältig und umfasst Schulungsapps, Krankheitsinformationen, Stimm- und Hustenanalyse, Tagebücher, Pollenwarndienste, Apps zur Untersuchung der Schlafqualität und vieles mehr. Das englischsprachige Angebot ist dabei deutlich größer und wissenschaftlich besser untersucht als das deutschsprachige.
Für die Nutzer:innen ist oft nicht klar ersichtlich, wer die Apps betreibt, welche medizinische Befähigung hinter den Empfehlungen steht, ob ein regelmäßigeswissenschaftliches Update erfolgt und welche ökonomischen Interessen bestehen. Ebenso unklar bleibt meist, was mit den gesammelten Daten geschieht und in welcher Form sie verarbeitet werden. Obwohl dabei riesige Datenmengen entstehen, ist in Studien die Zahl der Proband:innen meist sehr klein und der Beobachtungszeitraum zu kurz, um relevante Outcome-Daten zu generieren. Empfehlungen für Apps finden sich daher auch kaum in den gängigen Leitlinien.
Die qualitative Beurteilung erfolgt meist durch Laien und bezieht sich auf das Handling und die Praktikabilität und weniger auf den fachlichen Inhalt. Morita et al. haben in einer kanadischen Studie eine auf evidenzbasierten Guidelines basierende Asthma-Selfmanagement-Plattform mit Selfmonitoring, Asthmakontrolltest, Umgebungsdaten und Aktionsplan entwickelt und in der Folge eine Nutzungsanalyse durchgeführt.1 Obwohl die inkludierten Patient:innen mit Asthma eine hohe Zufriedenheit mit der Plattform angaben, sank die Nutzung innerhalb des Beobachtungszeitraumes von einem Jahr auf unter 30%. Die stärkste Nutzung wurde jeweils vor den geplanten ärztlichen Kontrollterminen verzeichnet.
„Smart devices“ und Wearables
Wearables haben schon lange Einzug in unseren klinischen Alltag gehalten. In den Ordinationen und Spitalsambulanzen finden sich immer häufiger Personen, die wegen einer Meldung ihrer Smartwatch beunruhigt sind und daher vorstellig werden. Generell gilt für den Einsatz von „smart devices“ in der Medizin, dass Messungen valide und reproduzierbar sein müssen und medizinische Anwendungen dem Medizinproduktegesetz unterliegen. Obwohl die Qualität der gemessenen Daten durchaus hoch ist, ist der massenhafte Einsatz zum Screening der Gesundheit problematisch, da sie bei fehlender Vortestwahrscheinlichkeit zu einem Diagnostikautomatismus führen können, der das Gesundheitssystem sowohl in den finanziellen als auch in den personellen Ressourcen ans Limit führt, ohne die Bevölkerung „gesünder“ zu machen.
Ein gutes Beispiel hierfür findet sich in der Schlafmedizin, einem Teilgebiet der Pneumologie: Die Überwachung des „gesunden“ Schlafes ist derzeit hoch im Trend. Immer häufiger sind wir mit dem Wunsch nacheiner Schlafuntersuchung konfrontiert, obwohl keine Tagesmüdigkeit oder Leistungseinschränkung vorliegt. Allerdings können gezielt eingesetzte „smart devices“ bei Personen mit hoher Vortestwahrscheinlichkeit wie Adipositas, Schnarchen und Tagesmüdigkeit die Wartezeiten auf einen Platz im Schlaflabor verringern, indem die weitere Diagnostik und Therapieeinstellung zu Hause erfolgen. Weitere Beispiele für „smart diagnosis“ in der Pneumologie sind digitale Stethoskope, Spirometer, Pulsoxymeter und Messungen des fraktionierten exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO). So konnten Bjerg et al. zeigen, dass vor allem bei arbeitsplatzassoziiertem Asthma die digitale Spirometrie die Zeit bis zur korrekten Diagnose der Erkrankung deutlich reduzieren konnte.2
Der Einsatz von „smart diagnosis“ in der Betreuung von Asthma- und COPD-Patient:innen soll zukünftig auch Exazerbationen früh erkennen lassen bzw. Notfallbesuche in Spitälern durch gezielteres Selbstmanagement der Akuttherapie reduzieren.
Einen Beitrag zur besseren Therapieadhärenz können sogenannte „smart inhaler“ leisten, die die applizierten Dosen an Inhalation überwachen, die Inhalationstechnik kontrollieren und bei Bedarf auch Erinnerungen an das Smartphone senden. In einem Mini-Review mit Asthma-Patient:innen im Kindes- und Jugendalter konnte gezeigt werden, dass „smart inhaler“ die Adhärenz zu Therapien erhöhen – insbesondere, wenn zusätzlich eine digitale, ärztliche Kontrolle vermutet wird.3 Auch die Dosierintervalle wurden häufiger korrekt eingehalten, die Inhalationstechnik wurde verbessert. Die korrekt eingenommene Inhalation steigerte sich in den einzelnen Studien der Mini-Review von 30 bis 40% bei konventioneller Inhalation auf 60 bis 80% mit „smart inhaler“. Allerdings haben 50% der Kinder und Jugendlichen ihren „smart inhaler“ verloren oder versehentlich kaputt gemacht – im Vergleich zu nur 19% in der Kontrollgruppe.3
Telemonitoring und Telemedizin
Wie bereits erwähnt ist die Schlafmedizin innerhalb der Pneumologie führend in der Nutzung von Telemedizin. Nach ambulanten oder telemedizinischen Kontakten kann eine weiterführende Diagnostik für zu Hause indiziert werden. Die Diagnosegeräte können per Post an die Patient:innen versandt und unter Videoanleitung selbst angelegt werden. Die Daten werden in eine Cloud geladen und vom betreuenden Arzt/von der betreuenden Ärztin ausgewertet. Auch das erforderliche Therapiegerät wird dann per Post versandt, die Druckadaptierung kann ebenfalls aus der Ferne erfolgen.Insbesondere bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit sind telemedizinisch gute Ergebnisse zu erzielen, und Kontrollen sowie vorgeschriebene Compliance-Prüfungen werden bequem von zu Hause aus erledigt. Auch in der außerklinischen Beatmung wird Telemonitoring bereits im Rahmen von Projekten eingesetzt, z.B. für Schulungs- und Entlassungsmanagement (Abb. 1).4
Abb. 1: Wearables in der Medizin: wichtige Aspekte beim Telemonitoring (modifiziert nach Ginsburg GS et al. 2024)4
Fazit
Die technischen Möglichkeiten sind mannigfaltig und werden täglich größer, die Vorteile für die Patient:innen sind evident. Die wissenschaftlichen Gesellschaften sind nun aufgerufen, den medizinischen Nutzen mit harten Outcome-Daten zu belegen und Empfehlungen auszuarbeiten bzw. digitale Innovationen in ihren Leitlinien abzubilden. Politisch ist zu klären, ob die anfallenden großen Mengen an Gesundheitsdaten in anonymisierter Form für wissenschaftliche Zwecke und zur medizinischen Steuerung zur Verfügung stehen („data ownership“). Des Weiteren ist die Interoperabilität im öffentlichen Gesundheitswesen zu erhöhen und von den Kostenträgern die Finanzierung bzw. die Honorierung zu klären.
Literatur:
1Morita P, Yeung M: A patient-centered mobile health system that supports asthma self-management (breathe): Design, development, and utilization. JMIR Mhealth Uhealth 2019; 7(1): e10956 2 Bjerg A, Ljungberg H: Shorter time to clinical decision in work-related asthma using a digital tool. ERJ Open Res 2020; 6: 00259-2020 3 Zabczyk C, Blakey JD: Effect of smart inhalers on medication adherence. Front Med Technol 2021; 3: 6573214 Ginsburg GS et al.: Key issues as wearable digital health technologies enter clinical care. N Engl J Med 2024; 390(12): 1118-27
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