
Konservative Therapie der Arthrose
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Ronald Dorotka
Orthopädie-Zentrum Innere Stadt, Wien
E-Mail: r.dorotka@ortho-zentrum.at
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Wer kennt sie nicht, die allgegenwärtigen Arthrosewerbungen? Tagtäglich werden wir im Radio und in sozialen Medien mit allen möglichen Arthrosetherapien zugeschüttet, wobei uns jede davon suggeriert, die einzig wahre wirksame Waffe gegen Gelenkverschleiß zu sein. Somit ist es wieder einmal Zeit, den wissenschaftlichen Blick auf die häufigsten konservativen Therapien zu lenken.
Keypoints
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Aufgrund weniger exakter Zielparameter ist die wissenschaftliche Überprüfung von Arthrosetherapien erschwert.
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Therapien mit zumindest limitierter Evidenz sind Physiotherapie, orthopädietechnische Hilfsmittel, pharmazeutisches Chondroitinsulfat, Glukosaminsulfat, Diacerein, Boswellia serrata, unverseifbare Avocado-/Sojaöle und intraartikuläre Hyaluronsäure.
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Für intraartikuläres Cortison besteht der höchste Evidenzgrad, jedoch sind die potenziellen Nebenwirkungen nicht zu vergessen.
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Autologe Ansätze wie plättchenreiches Plasma überzeugen in den letzten Jahren mit zunehmend positiven Studienergebnissen.
An dieser Stelle kann man schon vorausschicken, dass sich in der konservativen Arthrosetherapie etwas tut, aber über Bahnbrechendes leider nicht berichtet werden kann. Naturgemäß fehlen immer noch relativ klare Zielparameter für die Beurteilung des Erfolgs einer Arthrosetherapie. Lebensqualität, Gelenksfunktion, Schmerz und Zeitpunkt einer notwendigen Endoprothesenimplantation sind viel zu subjektiv. Klinische Parameter wechseln im Zeitverlauf bei ein und derselben Person und sind darüber hinaus zwischen Patienten kaum vergleichbar. Im Rahmen der Arthroseforschung kann man daher mit placebokontrollierten Studien nur eine annähernd genaue Auskunft darüber geben, ob eine Methode einen echten Effekt oder doch nur eine placeboähnliche Wirkung erzeugt. Trotzdem stehen uns zum jetzigen Zeitpunkt keine besseren Überprüfungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Bevor auf die einzelnen Therapiemethoden eingegangen werden kann, muss an dieser Stelle wieder einmal festgehalten werden, dass Therapien nur nach einer exakten Diagnose begonnen werden sollten. Die Diagnostik stellt bei Arthrosen in den seltensten Fällen eine große Herausforderung dar. Anamnese und klinische Gelenksprüfung unter Einschluss der benachbarten Gelenke und Wirbelsäulenabschnitte sind richtungsweisend und durch eine Röntgenaufnahme in 2 Ebenen üblicherweise zu bestätigen.
Aufklärung und Bewegung als wichtiger Therapiebestandteil
Nicht zu unterschätzen für die Arthrosetherapie sind die Wertigkeit der Aufklärung der Patienten über die Pathologie und vor allem die Vermeidung des Abgleitens in absurde Therapieformen. So ist es im Patientengespräch oft sehr ermüdend, alle (meist wenig hilfreichen) Informationen aus dem Internet wieder aus den Patientenköpfen zu bekommen. Trotzdem ist es unsere Aufgabe, Werbealgorithmen in sozialen Medien und sonstigen „Heilsbringern“ mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten.
Wenn dann am Ende unsere Patienten hoffentlich wieder auf den Pfad der wissenschaftlichen Medizin zurückgeholt wurden, steht trotzdem noch eine große Zahl von Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Der Stellenwert von Bewegung und Sport kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Angepasste Sportprogramme mit gleichzeitiger Prävention von Gelenkverletzungen sind hinsichtlich Arthrosevorbeugung, aber auch Therapie bei Arthrosen unstrittig. Empfehlungen zur richtigen Sportart und zum Ausmaß sind individuell. Erlittene Gelenkverletzungen, Fehlstellungen und Übergewicht sind Faktoren, die vor Aufnahme oder während der Sportaktivität orthopädisch-fachärztlich beurteilt bzw. betreut werden sollten.
Begleitende Therapien
Ebenso unbestritten ist, dass auch bei Arthrosepatienten eine medikamentöse Schmerztherapie nach dem WHO-Schema zum Einsatz kommen kann. Allerdings sollten Opiate nur in Ausnahmefällen angewendet werden, da bei entsprechenden Schmerzen auf jeden Fall die Möglichkeit einer endoprothetischen Versorgung überlegt werden muss.
Im Bereich der Therapieanwendungen hat sich die Physiotherapie im Sinne einer Bewegungstherapie als wirksam erwiesen und stellt somit eine klassische sinnvolle Begleittherapie dar. Physikalische Maßnahmen wie Moorpackungen oder Stromanwendungen sind bei Arthrosen weitgehend nicht in entsprechenden Studien überprüft worden, weshalb für die meisten Therapien auch keine eindeutigen Aussagen getroffen werden können. Kurzfristig schmerzlindernd sind sie allemal.
Bandagen, Orthesen und achskorrigierende orthopädische Einlagen verfügen über keine unumstößlichen Wirksamkeitsnachweise, wobei Vergleichsstudien naturgemäß schwierig sind. Als begleitende Therapie nach individueller Kosten-Nutzen-Abschätzung sind sie gerechtfertigt und sinnvoll.
Nahrungsergänzungsmittel und Co.
Da es „das einzige Arthroseheilmittel“ nicht gibt, wird eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Präparaten angeboten. Das Angebot ist nicht mehr überschaubar. Zu den am häufigsten verwendeten Inhaltsstoffen gehören Chondroitinsulfat, Glukosamin, Diacerein und verschiedene Phytopharmaka.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Beweis für einen Knorpelwiederaufbau durch Einnahme von Chondroitinsulfat (CS). Allerdings gab es zuletzt mittels MRT-Untersuchungen doch vereinzelt Hinweise auf eine Verlangsamung des Knorpelabbaus im Vergleich zu NSAR. Die klinischen Daten sind ebenfalls widersprüchlich; so liegen Metaanalysen mit Nachweis von positiven Effekten vor. Allerdings sah eine Untersuchung mit Einschluss von mehr als 1500 Personen keine signifikante Wirkung von CS. Auch konnte eine andere Metaanalyse keinen wesentlichen Therapieeffekt beschreiben. Ein endgültiges Urteil über die Wirksamkeit dieses Wirkstoffes kann noch nicht gefällt werden. Die fehlenden Nebenwirkungen lassen aber den Einsatz von pharmazeutischem CS bedingt sinnvoll erscheinen, insbesondere wenn man an die hohen Raten von Nebenwirkungen bei NSAR denkt.
Ähnlich wie Chondroitinsulfat werden auch Glukosamin struktur- und symptommodifizierende Effekte nachgesagt. Zu unterscheiden sind die beiden Formen Glukosaminhydrochlorid und Glukosaminsulfat. In Metaanalysen konnten aber für erstere nicht einmal symptommodifizierende Effekte bestätigt werden. Lediglich für Glukosaminsulfat konnte in älteren Vergleichsstudien ein geringer klinischer Effekt gezeigt werden.
Bei Diacerein ist die leicht schmerzstillende Wirkung klinisch gut dokumentiert. Als abführendes Pflanzenprodukt kann es aber auch unangenehme Durchfälle verursachen. Eine entsprechende einschleichende Dosisanpassung ist sinnvoll.
Die Gruppe der Phytopharmaka umfasst Pflanzenstoffe, deren Wirkung noch nicht gänzlich geklärt ist, wie z.B. Weidenrindenextrakte, wilde Hagebutte, Boswellia serrata und unverseifbare Soja-/Avocadoöle. Eine gewisse Evidenz für die Wirksamkeit liegt für Soja-/Avocadoöle und Boswellia serrata vor. Allerdings ist auch hier die Datenlage zu dünn, um von endgültigen Wirksamkeitsnachweisen sprechen zu können.
Bei vielen der oben genannten Präparate spielt auch das Phänomen der „Bahnung des Placeboeffektes“ eine Rolle. Aufgrund der meist geringen bis fehlenden Nebenwirkungen sollte hier nicht allgemein ablehnend argumentiert werden.
Injektionstherapien
Cortisoninfiltrationen haben bei Arthrosen einen nachgewiesenen stark schmerzstillenden und entzündungshemmenden Effekt. Die Wirkung hält durchschnittlich 3Wochen an. Aufgrund der Nebenwirkungen ist eine Dauertherapie nicht zu empfehlen. Das Haupteinsatzgebiet der Cortisoninfiltrationen ist deshalb die akute, aktivierte Arthrose.
Intraartikuläre Hyaluronsäure (HA) war hinsichtlich ihrer klinischen Wirkung immer umstritten. 2006 wurde eine 76 Studien umfassende Metaanalyse der Cochrane-Datenbank vorgestellt. Dabei wurde eine Wirksamkeit der HA-Therapie hinsichtlich Schmerzreduktion und Gelenksfunktion gegenüber Placebo festgestellt. Im Vergleich zu Cortisoninjektionen war die Wirkung der HA ähnlich, mit einem deutlich sicheren Nebenwirkungsprofil. Außerdem hielt der Cross-over-Effekt durchschnittlich bis 3 Monate nach Therapieende an. Die Studienergebnisse basieren hauptsächlich auf bewährten Präparaten, die mehrmals im Wochenabstand verabreicht werden. Zunehmend gibt es auch Produkte mit höherer Viskosität, die zur Einmalgabe empfohlen werden. Ob diese für Patienten sicherlich angenehmeren Produkte an die Ergebnisse der bewährten HA-Produkte herankommen, ist nicht gänzlich geklärt.
Plättchenreiches Plasma („Eigenbluttherapie“): Bei dieser Methode werden Wirkstoffe aus dem patienteneigenen Blut gewonnen. Das Patientenblut wird zentrifugiert und das Plasma mit seinen Thrombozyten und auch Wachstumsfaktoren wird in das betroffene Gelenk injiziert. Die Ergebnisse sind optimistisch, wenngleich auch teils widersprüchlich. In letzter Zeit mehren sich Studien, die eine Überlegenheit gegenüber Hyaluronsäureanwendungen aufgezeigt haben. Allerdings sind darunter auch Studien mit mäßiger methodischer Qualität. Somit ist auch nur eine gewisse Tendenz ableitbar. Außerdem besteht hier das Problem, dass verschiedene Anbieter sehr unterschiedliche Herstellungsprotokolle haben, was wiederum die Vergleichbarkeit für Metaanalysen erschwert. Die genaue Wirkung auf die Gelenkstrukturen ist nicht geklärt. Der Einsatz ist aber in vielen Fällen, nicht zuletzt durch die hohe Anzahl von Studien in den letzten Jahren, durchaus überlegenswert und gerechtfertigt.
Fettstammzellen werden in den letzten Jahren auch in Österreich zur Behandlung der Arthrose eingesetzt. Dabei werden die gewonnenen Zellen in ein Gelenk injiziert. Von den meisten internationalen Fachgesellschaften wird deren Verwendung immer noch ausschließlich im Rahmen wissenschaftlicher Studien empfohlen. Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob ein möglicher therapeutischer Nutzen die hohen Kosten der Methode rechtfertigt.
Mögliche Arthrosetherapien der Zukunft beinhalten zum Beispiel Substanzen wie intraartikuläres Botulinumtoxin, Tanezumab und Sprifermin oder auch extrazelluläre Vesikel. Bisher liegen keine validen Daten vor, die den breiten Einsatz einer der Substanzen erlauben würden.
Zusammenfassung
Die konservative Therapie der Arthrose ist sehr komplex, es stehen aber doch einige interessante Strategien zur Verfügung, in der Mehrzahl mit überschaubaren Nebenwirkungen. Ein ehrliches Patientengespräch sollte Voraussetzung für die Wahl der entsprechenden Behandlung sein.
Literatur:
beim Verfasser
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