Zunahme von hypervirulenten Klebsiella pneumoniae in Europa
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
Die Zahl der europäischen Länder, die Fälle von Infektionen mit hypervirulenten Klebsiella pneumoniae melden, hat sich innerhalb von wenigen Jahren von vier auf zehn erhöht. Die Anzahl von eingereichten Isolaten aus diesen Ländern ist im gleichen Zeitraum von 12 auf 143 angestiegen.
Dies berichtet das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in einer aktuellen Schnellbewertung.1 Die Zunahme in den Ländern der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wurde seit der letzten Schnellbewertung im Jahr 2021 verzeichnet. Zu den Ländern, die Fälle von hypervirulenten K. pneumoniae (hvKp) des Sequenztyps (ST) 23 gemeldet haben, gehören Dänemark, Finnland, Frankreich, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande und Norwegen.Wie das ECDC zudem schreibt, haben die hvKp ST23 in zunehmendem Masse eine Reihe von Genen erworben, die mit einer Resistenz gegen Carbapeneme assoziiert sind. Carbapeneme sind Reserveantibiotika, die als letztes Mittel zur Behandlung von schweren oder lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Zunehmend tritt die weltweit dominierende Carbapenem-resistente hvKp-ST23-LinieK1 (hvKp ST23-K1) auch in Europa auf. In Irland ist es trotz vermehrter Kontrollmassnahmen in den letzten 5 Jahren zu einer anhaltenden Verbreitung von hvKp ST23-K1 in den Gesundheitseinrichtungen gekommen. Auch in Frankreich, Lettland und Litauen wurden Cluster von hvKp-ST23-K1-Isolaten entdeckt, die ein signifikantes Potenzial aufweisen, sich innerhalb des Landes zu verbreiten. Das ECDC hält es für möglich, dass sich hvKp ST23-K1 auch in EU/EWR-Ländern mit weniger etablierten Überwachungssystemen ausbreiten.
Warnung vor Ausbreitung in Gesundheitseinrichtungen
Das Auftreten von K.pneumoniae, die zugleich hypervirulent und Carbapenemresistent sind, ist vor allem deshalb besorgniserregend, weil diese auch bei gesunden Menschen schwerwiegende Infektionen verursachen können, die sich rasch im Körper ausbreiten und mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert sind.
HvKp-Stämme waren in der Vergangenheit vor allem in Asien aufgetreten: Sie wurden hauptsächlich ambulant («community-acquired») erworben und waren selten antibiotikaresistent. Jüngere Berichte deuten nun auf eine zunehmende geografische Verbreitung, eine Assoziation mit Gesundheitseinrichtungen und zunehmend auch auf Multiresistenzen hin. Das ECDC stuft das Risiko einer weiteren Ausbreitung von hvKp ST23 in den Gesundheitseinrichtungen als hoch ein. Mit einer noch höheren Morbidität und Mortalität muss gerechnet werden, wenn sich Carbapenem-resistente hvKp-Stämme im Gesundheitsbereich ausbreiten, schreibt das ECDC in seinem Report.
Auch gesunde Menschen können betroffen sein
Klassische (nicht hypervirulente) K.pneumoniae sind opportunistische Erreger, die typischerweise zu Infektionen bei Personen mit einem reduzierten Gesundheitszustand führen. Eine hvKp-Infektion kann hingegen auch bei gesunden Patienten schwerwiegende Infektionen wie eine Pneumonie oder einen Lungen- oder Leberabszess verursachen. Mit der Kombination von Hypervirulenz und Antibiotikaresistenz bei hvKp-Stämmen besteht damit die Möglichkeit, dass bei zuvor gesunden Erwachsenen unbehandelbare Infektionen auftreten.
Verstärkte Kontrollmassnahmen notwendig
Es ist sehr wahrscheinlich, dass hvKp-Isolate und -Infektionen derzeit zu wenig erkannt werden, da der Nachweis von Hypervirulenz nicht Teil der mikrobiologischen Routinediagnostik ist. Zudem dürfte das klinische Erscheinungsbild resp. das grössere Krankheitsspektrum vielen Klinikern bis jetzt kaum bekannt sein.
Um die Weiterverbreitung und Etablierung von Carbapenem-resistenten hvKp ST23 innerhalb des Gesundheitssystems zu verhindern, ist es notwendig, die Mitarbeitenden stärker zu sensibilisieren, die Massnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle sowie auch die Laborkapazitäten für den Nachweis von hvKp zu erhöhen, schreibt das ECDC. Durch eine prospektive Datenerhebung einschliesslich epidemiologischer und klinischer Daten zu den Infektionen, Informationen zu den Übertragungswegen etc. liesse sich das Verständnis über die nationale Ausbreitung verbessern und der Bedarf an zusätzlichen Überwachungsmassnahmen ermitteln.
Quelle:
Medienmitteilung des European Centre for Disease Prevention and Control, Februar 2024
Literatur:
European Centre for Disease Prevention and Control: Emergence of hypervirulent Klebsiella pneumoniae ST23 carrying carbapenemase genes in EU/EEA countries, first update. 14 February 2024
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