Herzinfarkt: Antikörper zum Schutz vor Folgeschäden identifiziert
In einer Studie unter Leitung der MedUni Wien wurden bisher unbekannte zelluläre Prozesse im verschlossenen Herzkranzgefäß entschlüsselt, die zum Herzinfarkt führen können. Gleichzeitig konnten natürliche Antikörper identifiziert werden, die die Folgeschäden eines Infarktes begrenzen können.
Akute Myokardinfarkte zählen trotz medizinischer Fortschritte nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Im European Heart Journalpublizierte Studienergebnisse stellen eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung neuer, gezielter Therapien dar. Gewonnen wurden die neuen Einblicke in das entzündliche Geschehen beim Verschluss eines Herzkranzgefäßes in einer gemeinsamen Forschungsarbeit von Anna Ondracek und Taras Afonyushkin, zwei Wissenschafter:innen des interdisziplinären Teams von Christoph Binder (Klinisches Institut für Labormedizin) und Irene Lang (Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Kardiologie). Dabei knüpften die Forscher:innen an bereits seit Längerem bestehendes Wissen darüber an, dass zum Zeitpunkt eines Herzinfarkts viele sogenannte Vesikel von Zellen in die Blutbahn freigesetzt werden, um Signale zwischen Zellen weiterzuleiten. In ihrer aktuellen Untersuchung konnte das Forschungsteam wichtige neue Details über die Eigenschaften dieser Vesikel zeigen. So ergaben die Analysen etwa, dass die Vesikel im Infarktgefäß bestimmte Immunzellen (neutrophile Granulozyten) aktivieren, die u.a. die Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen auslösen und sog. neutrophile extrazelluläre Fallen (NETs) freisetzen können. „Die Bildung von NETs im Gefäßsystem ist problematisch, weil sie rote Blutzellen und Blutplättchen einfangen können, was durch Thrombosen zum Verschluss von Herzkranzgefäßen und letztlich zu einem Herzinfarkt führen kann“, erklärt Koerstautorin Anna Ondracek.
Entzündungskreislauf durchbrechen
Laut den Ergebnissen fördert der nun entdeckte Prozess einen Entzündungskreislauf, der mit einer Verschlechterung der Herzfunktion einhergeht. Vor diesem Hintergrund begab sich das Forschungsteam auf die Suche nach körpereigenen Schutzfaktoren, die den folgenschweren Teufelskreis durchbrechen könnten, und stieß dabei auf die angeborenen Antikörper vom IgM-Typ. In verschiedenen Experimenten konnte gezeigt werden, dass die Zugabe von spezifischem IgM die Freisetzung von NETs erheblich reduziert. Bei Patient:innen, die höhere Spiegel dieser schützenden Antikörper hatten, konnte auch eine verringerte Produktion von NETs nachgewiesen werden. Gleichzeitig bedeuteten hohe Spiegel dieser IgM-Antikörper eine bessere Herzfunktion nach einem Herzinfarkt. „Unsere Daten zeigen, dass die erhöhte Produktion von entzündungsfördernden Faktoren durch das Vorhandensein von schützendem IgM kompensiert werden kann“, berichtet Koerstautor Taras Afonyushkin aus der Studie.
Laut WHO erleiden jährlich weltweit etwa 15 bis 20 Millionen Menschen einen akuten Myokardinfarkt, etwa neun Millionen sterben an den Folgeschäden. Ausgelöst wird der Infarkt durch den Verschluss eines Herzkranzgefäßes, dem eine Entzündung zugrunde liegt. Diese flammt an einer bestimmten Stelle im Gefäß auf und bildet dort innerhalb von Sekunden ein Blutgerinnsel (Thrombus). Der genaue Mechanismus des Gefäßverschlusses war bisher ungeklärt. „In unserer Studie konnten wir nicht nur jene Faktoren identifizieren, die einen Gefäßverschluss und somit Herzinfarkt auslösen, sondern auch die Mechanismen, die vor den Folgeschäden schützen können“, fassen die Studienleiter:innen Christoph Binder und Irene Lang die Tragweite der Ergebnisse zusammen, die eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung gezielter Therapien darstellen.
Quelle:
Presseinformation der Medizinischen Universität Wien vom 30. August 2024
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