Herzinsuffizienz und Hypertonie am Puls der Zeit
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christian Koppelstätter, PhD
Facharzt für Innere Medizin und NephrologieInnsbruck
E-Mail: koppel@blutdruck-therapie.at
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2023 wurden aktualisierte Richtlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft zur Herzinsuffizienz wie auch der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie zum Management der arteriellen Hypertonie präsentiert. Bei der Wintertagung 2024 der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin in Bad Hofgastein wurden die Neuerungen und auch deren Implementation in die Praxis besprochen.
Das Krankheitsbild der Herzinsuffizienz geht mit einer hohen Einjahresmortalität (bereits 7% bei NYHA-Stadium II, 15% bei NYHA-Stadium III und 28% bei NYHA-Stadium IV)einher, vergleichbar mit einer schweren Tumorerkrankung. Jeder dritte Patient verstirbt innerhalb eines Jahres nach Ersthospitalisierung, wobei für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz sowohl die koronare Herzerkrankung als auch die arterielle Hypertonie hauptverantwortlich sind. In den von der Statistik Austria dargestellten stationären Aufenthalten für die Jahre 2019–2022 reiht sich die Herzinsuffizienz mit 278 Patienten pro 100000 Einwohner auf gleicher Stufe wie Schlaganfall, Darmkrebs und noch vor Herzinfarkt und Diabetes mellitus ein.
Abklärung und Klassifikation
Die Ursachen einer Herzinsuffizienz sind mannigfaltig und bedürfen häufig einer aufwendigen Diagnostik (Tab. 1).
Die Einteilung nach der klinischen Symptomatik erfolgt mittels der NYHA-Klassifizierung (I–IV), die von NYHA I – strukturelle Veränderungen ohne entsprechende Symptomatik – bis NYHA IV mit Beschwerden bereits bei geringster körperlicher Aktivität oder in Ruhe reicht. In den überarbeiteten Richtlinien wird die auf echokardiografischer Darstellung basierende Einteilung nach reduzierter (HFrEF), mittelgradig eingeschränkter (HFmrEF) und erhaltener Linksventrikelfunktion (HFpEF) verwendet (Abb. 1).1 Zusätzlich zur Echokardiografie spielt die Messung des BNP- bzw. NT-proBNP-Werts eine entscheidende Rolle. Die Bestimmung des NT-proBNP-Werts ist der des BNP-Wertes vorzuziehen, insbesondere da Therapien mit einem Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) die BNP-Spiegel verfälschen (erhöhen). Vor einer weiteren Abklärung sollte auch an Herzinsuffizienz verursachende oder begünstigende Substanzen wie NSAR, Glitazone, Alpha-1-Rezeptorblocker (Doxazosin und Terazosin), periphere Vasodilatatoren und Antiarrhythmika der Klasse 1 bzw. 3 (mit Ausnahme von Amiodaron) gedacht werden.
Abb. 1: Einteilung der Herzinsuffizienztherapie nach Klasse I (grün) und Klasse II (orange) für die Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF), mittelgradig reduzierter (HFmrEF) und erhaltener (HFpEF) Linksventrikelfunktion (modifiziert nach ESC Guidelines 2023)1
Medikamentöse Therapie
Zeigt sich ein Patient mit einer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion, sind die aktuellen medikamentösen Therapien auf ACE-Inhibitoren/Sartane bzw. ARNI, Betablocker, Mineralokortikoid-rezeptor-Antagonisten, SGLT2-Inhibitoren sowie Schleifendiuretika fokussiert.
Erweitert kann je nach Ausprägung der Linksventrikeldysfunktion bzw. der Verbreiterung des QRS-Komplexes auch an eine CRT (kardiale Resynchronisationstherapie) oder die Implantation eines ICD (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) gedacht werden.
Als Klasse-II-Empfehlungen sind zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern Digoxin und Digitoxin empfohlen, außerdem wurde die Indikation zur Ablation eines symptomatischen Vorhofflimmerns niedrigschwelliger angesetzt. Im Falle einer Sinustachykardie mit hoher Frequenz ist die Einnahme von Ivabradin empfohlen. Unabhängig von sämtlichen Entitäten einer Herzinsuffizienz ist eine kardiologische Rehabilitation immer empfohlen.
Zu den Neuerungen im Update der Richtlinien 2023gehört die Klasse-I-Empfehlung des Einsatzes der SGLT2-Inhibitoren bei allen Arten der Herzinsuffizienz mit mittelgradigerEinschränkung und mit erhaltener Linksventrikelfunktion. Insbesondere bei der HFpEF ist die Behandlung der Grunderkrankung vorrangig, wobei ursächlich primär an eine koronare Herzerkrankung oder eine arterielle Hypertonie gedacht werden sollte. Seltenere Ursachen sind hypertrophe Kardiomyopathie, kardiale Amyloidose, Morbus Fabry, konstriktive Perikarditis oder nicht kardial bedingte pulmonale Hypertonie. Zur weiteren Diagnostik dienen vor allem die Feststellung und Ausprägung einer diastolischen Funktionsstörung in der Echokardiografie bzw. die Bestimmung der bereits oben erwähnten natriuretischen Peptide.
In den neuen Richtlinien wird auch die Diagnostik der Amyloidose ausführlich beschrieben, da bei der ATTR-Amyloidose eineeffiziente – wenn auch sehr kostspielige– Therapie verfügbar ist. Ähnliches gilt im Falle einer Diagnose eines Morbus Fabry mit kardialer Beteiligung. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus und einer chronischen Niereninsuffizienz wird die Einnahme des nichtsteroidalen Aldosteron-Antagonisten Finerenon als KlasseI angeraten. Zu guter Letzt wird auch im Sinne einer Symptomminimierung, Verbesserung der Lebensqualität sowie Reduktion der Hospitalisierungsrate die intravenöse Gabe von Eisen als Eisencarboxymaltose oder Eisenderisomaltose empfohlen.
Zum Thema, welches Diuretikum im Rahmen einer Herzinsuffizienz zu bevorzugen ist, Torasemid oder Furosemid, zeigen sich in den vorliegenden Studien keine signifikanten Unterschiede. Aufgrund der besseren oralen Bioverfügbarkeit ist Torasemid wahrscheinlich geeigneter.
Telemedizinische Betreuung
Zunehmend an Bedeutung gewinnt die telemedizinisch unterstützte ambulante Betreuung von Herzinsuffizienzpatienten. In Österreich besteht u.a. in Tirol und in der Steiermark ein solches telemedizinisches Programm (HerzMobil), welches unter engmaschiger Betreuung mittels speziell geschulter Pflege und ärztlicher Begleitung bereits in der Regelversorgung integriert ist.
Arterielle Hypertonie
Die 2023 präsentierten Richtlinien der Europäischen Hypertoniegesellschaft (ESH) bleiben bei den vormals bereits gültigen Grenzwerten der Diagnose wie auch der Zielwerte einer arteriellen Hypertonie, messen jedoch der Diagnostik des Endorganschadens wie der Linksventrikelhypertrophie, des Nierenfunktionsverlusts, einer erhöhten Eiweißausscheidung, der Zunahme der Pulswellengeschwindigkeit und der vaskulären Veränderungen im Bereich des Augenhintergrundes zunehmend hohe Bedeutung zu.2
Hinsichtlich der Standardtherapie werden abgestimmt auf die Nierenfunktion zwei Therapiearme empfohlen (Abb. 2).
Abb. 2: Standardtherapie bei arterieller Hypertonie mit zwei Therapiearmen (modifiziert nach ESH Guidelines 2023)2
Neben der für alle gültigen Empfehlung eines Therapiebeginn oder einerTherapieintensivierung mit einem ACE-Hemmer beziehungsweise einem Angiotensinrezeptorblocker in Kombination mit einem Kalziumkanal-Antagonisten und/oder einem Hydrochlorothiazid-Diuretikum wird als vierte Substanz bei einer GFR über 30ml/min pro 1,73m² Körperoberfläche Spironolacton oder ein gleichwertiger Mineralokortikoid-Antagonist empfohlen. Alternativ sind ein Betablocker oder ein Alpha-1-Blocker sowie eine zentral wirksame blutdrucksenkende Substanz vorgesehen. Sollte eine weitere Eskalation notwendig werden, ist die Evaluierung für eine renale Denervation bei einer GFR über 40ml/min/1,73m² empfohlen. Sollte der Patient unter der Standard-Dreifachtherapie nicht ausreichend kontrolliert sein und eine GFR unter 30ml/min/1,73m² aufweisen, ist – falls noch nicht eingenommen – zusätzlich ein Thiaziddiuretikum (Chlortalidon bevorzugt) vorgesehen, in weiterer Folge wird auch in diesem Therapiearmein Betablocker, ein Alphablocker oder ein zentral wirksames Antihypertensivum.
Einnahmezeitpunkt
In der TIME-Studie konnte bereits 2022 gezeigt werden, dass der Einnahmezeitpunkt einer antihypertensiven Therapie – ob in der Früh oder am Abend – vor allem hinsichtlich der Rate an kardiovaskulären Ereignissen keine signifikante Rolle spielt. Die individuelle Anpassung sollte jedoch weiter angedacht werden, idealerweise nach Durchführung einer 24-Stunden-Blutdruckuntersuchung.
Weitere Abklärung
Ein ausführliches Kapitel wird der Therapieadhärenz und der „therapeutic inertia“ (therapeutische Trägheit) gewidmet und deren Evaluation wird vor einer weiteren Abklärung bezüglich einer sekundären Ursache eines Hypertonus empfohlen. Im Rahmen der Abklärung auf sekundäre Hypertonie sollten die häufigen Formen (renoparenchymatöse Erkrankung, renovaskuläre Erkrankung, Hyperaldosteronismus, Schlafapnoesyndrom) diagnostisch vorgezogen werden.
Sollte es sich um eine renovaskuläre Erkrankung mit Nierenarterienstenose handeln, kann bei zunehmend unkontrollierbarem Blutdruck und ansteigenden Nierenfunktionsparametern eine Intervention mittels Dilatation oder Stentanlage der Nierenarterie erwogen werden. Eine klare Empfehlung zur Intervention gibt es bei fibromuskulärer Dysplasie, wobei hier die Ballondilatation der Stentanlage vorgezogen wird.
Zu erwähnen sind außerdem bereits im breiten Einsatz befindliche Substanzen, die pleiotrop auch eine blutdrucksenkende Wirkung haben. Dies gilt beispielsweise sowohl für die SGLT2-Inhibitoren als auch den nichtsteroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten Finerenon, die beide zwar nur eine begrenzte Blutdrucksenkung erreichen, jedoch in Kombination bei entsprechenden Komorbiditäten angedacht werden sollten.
In näherer Zukunft wird die Aldosteronsyntheseblockade wie beispielsweise mit Baxdrostat, welches sich in einer Phase-II-Studie als effizienter Blutdrucksenker präsentierte, eine Rolle spielen.
Eine auf siRNA („small interfering RNA“) basierende Therapie zur Blutdrucksenkung mit Zilebesiran, wie letztes Jahr im New England Journal of Medicine publiziert, konnte erfolgreich eine Phase-I- und mittlerweile auch Phase-II-Studie abschließen.
Zusammenfassung
Es gibt im Rahmen der Herzinsuffizienz mittlerweile gut evaluierte und etablierte Therapiemöglichkeiten, insbesondere neuerdings auch bei der HFpEF mit den SGLT2-Inhibitoren.
Im Rahmen der arteriellen Hypertonie zeigen sich die Standardtherapien und die Abstimmung des Therapiebeginns auf etwaige Endorganschäden klar definiert, der Einnahmezeitpunkt spielt keine tragende Rolle (mehr). Es stehen erfreulicherweise auch wieder neue Ansätze bei der Bluthochdrucktherapie im Fokus, welche bereits Phase-I- und Phase-II-Studien erfolgreich abschließen konnten. Diese Substanzen werden uns in den nächsten Jahren sicherlich beschäftigen.
Literatur:
Weitere Literatur beim Verfasser
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