Highlights Tropenmedizin 2023/2024
Autoren:
Dr. Moritz Staudacher
Klinische Abteilung für Angiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin Universitätsklinik für Innere Medizin I
Medizinische Universität Wien
E-Mail: moritz.staudacher@meduniwien.ac.at
Assoc.Prof.Priv.-Doz. Dr. Heimo Lagler, MPH, DTM
Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin
Universitätsklinik für Innere Medizin I
Medizinische Universität Wien
E-Mail: heimo.lagler@meduniwien.ac.at
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Es gibt aktuelle wissenschaftliche Daten zu neuen Impf- und Wirkstoffen gegen Tropenerkrankungen bzw. zu Schnelltests für die rasche Diagnose von parasitären Infektionen. Die wichtigsten Erkenntnisse bezüglich Malaria, Dengue-Fieber, Chikungunya, Polio, Bilharziose, Trichuriose und Ankylostomiasis sowie Trypanosomiasis werden in diesem Artikel zusammengefasst.
Keypoints
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Laut WHO Bericht sind Mal-aria-Kontroll- und Eliminierungskampagnen gefährdet.
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Es gibt positive Impfstudien-Daten zu Dengue-, Chikungunya- und Polioviren.
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Ein neuer Schnelltest bei Billharziose ist für den Einsatz in Endemiegebieten geeignet, aber nicht bei einer Infektion mit Loa Loa.
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Emodepsid gilt als potenzieller Therapie-Kandidat bei Infektionen durch bodenübertragene Helminthen.
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Das gegen Trypanosoma brucei wirksame Fexinidazol ist unwirksam gegen Trypanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit.
Malaria
Im Malaria-Report 2023 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigte sich, dass die weltweiten Fortschritte bei der Malariabekämpfung in den letzten Jahren ins Stocken geraten sind und ein „business as usual“ die Länder und ihre Entwicklungspartner weiter vom Kurs abbringen könnte. Laut dem globalen Malariaprogramm der WHO erfordert ein Wiedereinstieg in die Malariabekämpfung tiefgreifende Veränderungen, dementsprechend wurde eine operative Strategie für den Zeitraum 2024 bis 2030 entwickelt. Erstmals wird auch der Klimawandel in Zusammenhang mit Malaria als große Gefahr eingeschätzt.Neuerdings wird der Einsatz von mit Pyrethroiden und Chlorfenapyr behandelten Moskitonetzen (ITN) gegenüber reinen Pyrethroid-ITN empfohlen, da inzwischen einige Moskitos resistent sind.
Im Oktober 2023 wurde der Malaria-Impfstoff R21/Matrix-M (R21) zum zweiten vonder WHO für Kinder in Risikogebieten empfohlenen Malaria-Impfstoff.1 In einer placebokontrollierten, randomisierten Studie mit 4800 Kindern (im Alter von 5 bis 36 Monaten) in vier afrikanischen Ländern betrug die zwölfmonatige Wirksamkeit gegen Malaria 68% (an Orten mit ganzjähriger Übertragung) bzw. 75% (an Orten mit saisonaler Übertragung). Es wird erwartet, dass die Einführung des R21-Malaria-Impfstoffs in Ergänzung zur laufenden Einführung des ersten Malaria-Impfstoffs RTS,S endlich zu einer ausreichenden Versorgung mit Impfstoffen für Kinder führt.2 Durch Deletionenim Pfhrp2/3-Gen in Parasiten der Art Plasmodium falciparum können Schnelltests (RDT) falsch negativ ausfallen, da diese Parasiten das Antigen „histidin-rich protein 2“ (HRP-2)nicht exprimieren. Deshalb können RDT auf reiner HRP-2-Basis in vielen Gebieten nicht mehr empfohlen werden. Kombinierte RDT, die zusätzlich Aldolase oder plasmodiale LDH nachweisen können, sind daher als Ergänzung zur Mikroskopie (Ausstrich bzw. dicker Tropfen) vorzuziehen. In Eritrea sindP.-falciparum-Parasiten aufgetaucht, die gegen Artemisinin resistent sind und sich der Erkennung durch reine HRP-2-Antigen-RDT entziehen können.
In einer Studie mit 841 Patienten mit unkomplizierter Malaria, die zwischen 2016 und 2019 mit einer Artemisinin-Kombinationstherapie behandelt wurden, stieg die Rate der klinischen Artemisinin-Resistenz (= einer persistierenden Parasitämie an Tag 3 nach Therapiebeginn) während des Studienzeitraums von 0,4% auf 4,2%. Die Resistenz wurde mit einer Kelch13-Genmutation in Verbindung gebracht, die wiederum mit einer Deletion in hrp2 assoziiert wurde. Die Ausbreitung von Parasiten, die diese Mutationen tragen, könnte die Malariakontrolle in einzelnen Regionen gefährden, da sich die Diagnose verzögert und die Behandlung weniger wirksam ist.3
Im Jahr 2022 wurden etwa 415 Millionen RDT verkauft. Unter Berücksichtigung der rezenten Studienergebnisse empfiehlt die WHO repräsentative Basiserhebungen unter Malariaverdachtsfällen (Prävalenz von Pfhrp2/3-Deletionen).1 Aktuell wird von der Medizinischen Universität Wien eine Erhebung in Gabun und Malawi durchgeführt.
Dengue-Fieber
Das Dengue-Fieber breitet sich weltweit aus und erste Fälle in Europa lassen befürchten, dass diese Virusinfektion in Zukunft bei uns endemisch wird. Aktuell sind zwei Dengue-Virus-Impfstoffe zugelassen, CYD-TDV mit 3 Impfdosen (Dengvaxia)und TAK-003 mit 2 Impfdosen (Qdenga). In einer randomisierten Phase-III-Studie bei Kindern und Erwachsenen mit einem neuen attenuierten, tetravalenten Butantan-Dengue-Virus-Lebendimpfstoff (TV003/Butantan-DV) betrug die Wirksamkeit bereits bei einer Einzeldosis 80%, bei minimalen schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen. In einer laufenden Studie in Brasilien verhinderte eine Einzeldosis (!) die symptomatische Erkrankung durch die Serotypen DENV-1 und DENV-2 über einen Zeitraum von zwei Jahren, unabhängig vom Dengue-Serostatus bei Studienbeginn.4
Einschränkungen und verbleibende Unklarheiten können in kritischer Betrachtung der Studie nicht unerwähnt bleiben:4
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Es traten keine DENV-3- oder DENV-4-Fälle auf, sodass eine Bewertung der Wirksamkeit des Impfstoffs gegen diese Serotypen nicht möglich war.
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Es wurden keine Sicherheitsbedenken festgestellt; eine sorgfältige Nachbeobachtungüber die geplanten fünf Jahre wird wichtig sein, um dieses Ergebnis zu bestätigen.
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Die Auswirkungen einer bereits bestehenden Immunität gegen andere Flaviviren (Zika-Virus oder Gelbfieber-Virus) auf eine anschließende DENV-Infektion oder die Butantan-DV-Impfung müssen untersucht werden.4
Chikungunya-Fieber
Auch diese Virusinfektion, die meist im Zuge von größeren Ausbrüchen auftritt, könnte in Zukunft durch den Klimawandel in Europa vermehrt vorkommen. Bis jetzt gab es keine Schutzimpfung. Ein attenuierter Chikungunya-Virus-Lebendimpfstoff (VLA1553, Ixchiq) wurde in einer doppelblinden, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie im Hinblick auf Verhinderung von Chikungunya-Virus-Infektionen mit einer einzelnen Impfdosis anhand von Surrogatmarkern überprüft.Die starke Immunreaktion und die Bildung seroprotektiver Titer bei fast allen geimpften Teilnehmern lassen darauf schließen, dass VLA1553 ein hervorragender Kandidat für die Prävention von Krankheiten durch das Chikungunya-Virus ist.5
Polio
Das Auftauchen zirkulierender virulenterPolioviren, die aus Vakzinen stammen, ist einimmer wiederkehrendes Problem von derzeitbenutzten Polio-Impfstoffen. In einer randomisierten Phase-III-Studie mit 2345 Säuglingen und 600 Kindern in Gambia lagen die Serokonversionsraten mit zwei Dosen des genetisch stabilen Polio-Schluckimpfstoffs vom Typ 2 (nOPV2) bei 93%–95% und damit ähnlich hoch wie bei dem bivalenten oralen Polio-Impfstoff. Die Studie ergab keine Sicherheitsbedenken für nOPV2, die Rate der unerwünschten Ereignisse war in beiden Gruppen ähnlich. Diese Ergebnisse unterstützen die Zulassung und die Genehmigung der WHO für nOPV2.6
Bilharziose
Schnelltests vor Ort (Point-of-Care-Testing; POCT) sind in der Tropenmedizin besonders vielversprechend als erster Schritt im zweistufigen Diagnoseverfahren zur Diagnose und Überwachung von Infektionskrankheiten wie z.B. der Bilharziose (Schistosomiasis), der weltweit häufigsten Ursache für die portale Hypertension. Dennoch erfüllen die derzeitigen POC-Diagnoseverfahren für Schistosomiasis zwar mehrere, aber nicht alle „ASSURED“-Anforderungen der WHO für POCT-Kriterien (erschwinglich, empfindlich, spezifisch, benutzerfreundlich, schnell/robust, gerätefrei und durchführbar).7
Trichuriose und Ankylostomiasis
Die Trichuriose (Trichuris trichiura) und die Ankylostomiasis durch verschiedene Hakenwürmer zählen zu den vernachlässigten tropischen Erkrankungen („neglected tropical diseases“; NTD), bei denen in einer Vielzahl der Fälle die aktuellen Therapiemöglichkeiten nicht optimal sind.
Eine neue Therapieoption dürfte in Zukunft Emodepsid sein, ursprünglich ein Medikament aus der Veterinärmedizin, das gerade für die Behandlung der Onchozerkose beim Menschen entwickelt wird und einführender Kandidat für die Therapie bodenübertragener Helmintheninfektionen ist. Ineiner rezenten randomisierten, kontrolliertenStudie der Phase IIa wurden Wirksamkeit undSicherheit von Emodepsid in einer oralen Einzeldosis (5, 10, 15, 20, 25 oder 30mg) als auch Albendazol in einer oralen Einzeldosis von 400mg oder Placebo untersucht. In der Trichuris-trichiura-Studie zeigten sich Heilungsraten von 85% bei 5mg Emodepsid (95% CI: 69–93; 25 von 30 Teilnehmern)vs. 10% bei Placebo (95% CI: 3–26; 3 von 31 Teilnehmern) und 17% bei Albendazol (95% CI: 6–35; 5 von 30 Teilnehmern).
In der Hakenwurm-Studie zeigte sich eine dosisabhängige Heilungsrate bei Hakenwürmerbefall mit einer Wirksamkeit von 32 % bei 5mg Emodepsid (95% CI: 13–57;6 von 19 Teilnehmern), 95% bei 30mg Emodepsid (95 % CI: 74–99,9; 18 von 19 Teilnehmern), 70% bei Albendazol (95 % CI: 46–88; 14 von 20 Teilnehmern) sowie 14% beiPlacebo (95% CI: 3–36; 3 von 21 Teilnehmern). Bei Emodepsid waren die am häufigsten 3 und 24 Stunden nach der Behandlunggemeldeten unerwünschten Ereignisse Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen und Schwindel, die Häufigkeit der Ereignisse nahmim Allgemeinen dosisabhängig zu. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren von geringem Schweregrad und hielten sich in Grenzen; es gab wenige mittelschwere und keineschwerwiegenden unerwünschten Ereignisse.8
Trypanosomiasis
Ein weiterer vielversprechender Wirkstoff ist Fexinidazol, ein Antiprotozoikum aus der Gruppe der Nitroimidazole, das aktuell zur Behandlung der Afrikanischen Trypanosomiasis („Schlafkrankheit“) gegen den Erreger Trypanosoma brucei im Einsatz ist. Die Wirksamkeit gegen Trypanosoma cruzi (Chagas-Krankheit; >6 Millionen Menschen infiziert, zumeist in Lateinamerika) wurde im Zuge einer rezenten randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie mit historischer Placebo-Kontrollgruppe untersucht. Die durchschnittliche Parasitenlast war nach der Behandlung stark rückläufig, jedoch ab zehn Wochen nach der Behandlung wieder ansteigend. Die Fexinidazol-Therapien in dieser Studie wiesen ein akzeptables Sicherheitsprofil auf, erwiesen sich aber nicht als wirksam gegen T.-cruzi-Infektionen.9
Literatur:
1 Venkatesan P: Lancet Microbe 2024; 5(3): e214 2 Datoo MS et al.: Lancet 2024. 403(10426): 533-44 3 Mihreteab S et al.: N Engl J Med 2023; 389(13): 1191-202 4 Kallás EG et al.: N Engl J Med 2024; 390(5): 397-408 5 Schneider M et al.: Lancet 2023; 401(10394): 2138-47 6 Ochoge M et al.: Lancet 2024; 403(10432): 1164-75 7 Veletzky L et al.: PLoS Negl Trop Dis 2024; 18(3): e0012054 8 Mrimi EC et al.: N Engl J Med 2023; 388(20): 1863-75 9 Pinazo MJ et al.: Lancet Infect Dis 2024; 24(4): 395-403
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