HNO-Erkrankungen im (Klein-)Kindes- und Jugendalter
Autor:
Dr. Angel Lopez
Facharzt für HNO, Kopf- und Halschirurgie
Tauchmediziner, Wien
E-Mail: ordi.lopez@me.com
Web: www.nasendoktor.at
Eltern können ein Lied über die HNO-Beschwerden ihrer Kinder singen. Hier erfahren Sie, wie Sie den häufigsten Beschwerden in der Praxis entgegentreten können und welche Maßnahmen auch prophylaktisch wirken.
Besonders in der Verkühlungszeit sind unsere jüngsten Patientinnen und Patienten von Infekten im HNO-Bereich betroffen. Häufig ist der Eintritt in den Kindergarten der Beginn einer Serie von unterschiedlichen Erkrankungen, die in vielen Fällen den oberen Respirationstrakt und die Mittelohren betreffen. Bei Eltern herrscht dadurch häufig Unsicherheit darüber, ob ihre Kinder ein „schwaches Immunsystem“ haben könnten. Keineswegs, das kindliche Immunsystem muss sich an seine Umwelt gewöhnen, sich mit ihr auseinandersetzen und wird trainiert.
Hier sollen die entscheidenden Pathomechanismen für die Entstehung der Infekte sowie Diagnostik und Möglichkeiten zur Prophylaxe und Therapie beleuchtet werden.
Pathomechanismen
Ein entscheidender Faktor in der Entstehung von Entzündungen im HNO-Bereich im Kleinkindesalter, insbesondere im Bereich des Mittelohres, ist die Belüftungsstörung. Unser Mittelohr wird über die Eustachi’sche Röhre belüftet, einen Muskelschlauch, der den Nasenrachen mit der Paukenhöhle verbindet. Ist die Funktion eingeschränkt, kommt es zunächst zu einem Unterdruck und in weiterer Folge zur Ausbildung eines Seromucotympanons (SMT), also einer Flüssigkeitsansammlung in der Paukenhöhle. Dieser Zustand geht einerseits mit einem eingeschränkten Hörvermögen einher, andererseits begünstigt er die Entstehung einer akuten Otitis media.
Die Nasennebenhöhlen (NNH) entwickeln sich – mit Ausnahme der Siebbeinzellen (Sinus ethmoidalis), die bereits bei der Geburt angelegt sind – ab dem Kindesalter bis ins junge Erwachsenenalter. Belüftungsstörungen betreffen im Kleinkindesalter also ausschließlich das Siebbeinzellsystem!
Im Rahmen respiratorischer Infekte kommt es zu einer Beeinträchtigung der Belüftung des Mittelohres und der zum jeweiligen Zeitpunkt bereits angelegten Nasennebenhöhlensysteme. Aufgrund der sehr beengten anatomischen Verhältnisse im Kleinkindesalter kann die Belüftungsstörung innerhalb kurzer Zeit zu einer ausgeprägten Entzündung mit Komplikationen führen. In diesem Bereich kann daher prophylaktisch gut eingegriffen werden.
Häufige Krankheitsbilder
Otitis externa
Die wichtigste prophylaktische Maßnahme gegen Otitis externa ist das strikte Vermeiden von Wattestäbchen
Die Entzündung des äußeren Gehörganges gehört zu den häufigsten und schmerzhaftesten Erkrankungen, die den HNO-Bereich betreffen. Der Name „Badeotitis“ oder „swimmer’s ear“ liefert bereits einen Hinweis auf die Hauptursache dieser Entzündung. In der Regel tritt sie nach Wasserkontakt auf und führt zu einer Schwellung des äußeren Gehörganges, die bis zum Verschluss desselben führen kann. Es handelt sich um eine bakterielle Mischinfektion, deren Hauptkeim in vielen Fällen Pseudomonas aeruginosa ist. Kardinalsymptom ist bereits im Initialstadium der Tragusdruckschmerz bzw. eine Schmerzsymptomatik beim Zurückziehen des Ohres.
Die Therapie besteht in der Gehörgangsreinigung und einer lokalen antibiotisch-antiphlogistischen Behandlung mittels Creme auf einem Gazestreifen oder Tropfen sowie einer analgetischen Therapie. Wichtigste prophylaktische Maßnahme ist das strikte Vermeiden von Wattestäbchen! Eine Reinigung des Gehörganges von überschüssigem Cerumen vor dem Urlaubsantritt bzw. vor Beginn der Badesaison durch den HNO-Arzt kann diesem ausgesprochen unangenehmen Krankheitsbild ebenfalls vorbeugen.
Otitis media
Die häufigste Infektionserkrankung im Kindesalter entsteht auf dem Boden einer Belüftungsstörung entweder akut aus einer Rhinitis mit Tubenkatarrh oder einem vorbestehenden Seromucotympanon. In sehr vielen Fällen handelt es sich primär um virale Infekte, weshalb bei Kindern im Alter ab 2 Jahren ein Behandlungsversuch mit Dekongestiva in Form abschwellender Nasensprays und NSAR erfolgen kann und ein Antibiotikum primär nicht fix verordnet werden muss. Dieser Behandlungsversuch muss binnen 48 Stunden zu einer Besserung bzw. zum weitgehenden Abklingen der Beschwerden führen. Bei jedweder Verschlechterung unter dieser Therapie sollte die Behandlung um ein Antibiotikum ergänzt werden. Kleinkinder unter 2 Jahren sollten aus HNO-Sicht definitiv ein Antibiotikum erhalten, da in diesem Lebensalter aufgrund der engen anatomischen Verhältnisse schwerwiegende Komplikationen mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit auftreten als bei älteren Kindern. Ebenso sollte ein Antibiotikum verordnet werden, wenn die Kinder primär bereits starke klinische Beschwerden (massive Schmerzsymptomatik, Fieber) aufweisen. Das Antibiotikum sollte über einen Zeitraum von 7 Tagen gegeben werden, ebenso die abschwellende Medikation für die Nase.
Adenoide Vegetationen und Rhinosinusitis
Dass die Adenoide im Volksmund gerne als „Nasenpolypen“ bezeichnet werden, führt bisweilen zu einiger Verwirrung. Als HNO-Fachärzte werden wir oft mit der Fragestellung konfrontiert, ob denn unser junger Patient Polypen habe. Diese Frage kann man ohne Untersuchung des kleinen Patienten mit einem klaren Jein beantworten. Die Adenoide (Rachenmandeln) sind bei jedem Kind angelegt! Die korrekte Frage ist also vielmehr, ob sie eine kritische Größe überschritten haben. Echte Nasenpolypen („chronic rhinosinusitis with nasal polyps“; CRSwNP) hingegen sind ein völlig anderes Erkrankungsbild, das im Kindesalter eine absolute Rarität darstellt.
Bei Rhinitis ist die Befeuchtung der Nase wichtig, um Krusten und Schleim zu lösen
Wann denken wir an das Vorliegen hyperplastischer Adenoide? Typische Symptome sind Mundatmung, vermehrtes oder konstantes Schnarchen im nicht verkühlten Zustand, vermindertes Hörvermögen infolge von Tubenkatarrh und SMT, rezidivierende Infekte des oberen Atemtraktes, aber auch Husten und rezidivierende pulmonale Infekte. Therapeutisch steht uns mit den intranasalen Steroiden eine äußerst potente Option zur Verfügung, die in sehr vielen Fällen die Beschwerden zum Abklingen bringt. Rauchende Eltern sollten darauf hingewiesen werden, dass das Zigarettenrauchen einen großen Anteil an den Beschwerden der Kinder haben kann.
Im Kleinkindesalter sind die Siebbeinzellen das einzige voll entwickelte NNH-System. Komplikationen einer Rhinitis treten daherhauptsächlich in diesem Bereich auf und können ein Übergreifen auf die Orbita zur Folge haben. Diese Komplikation erfordert eine stationäre Behandlung. Ansonsten ist bei einer Rhinitis im Kleinkindesalter unbedingt darauf zu achten, dass auch abschwellende Tropfen/Sprays verwendet werden. Meersalzsprays sind ein sinnvolles „add-on“, aber alleine keine ausreichende Therapie! Der Befeuchtung der Nase kommt aber definitiv eine wichtige Rolle zu. So können durch die befeuchtenden Sprays bzw. Inhalationen für die Nase (z.B. mit dem Pari Sinus 2) Krusten und Schleim gelöst werden, die sekundär zu Beschwerden führen könnten. Bei größeren Kindern bzw. Jugendlichen können zusätzlich Nasenduschen hilfreich sein.
Die Abklärung einer inhalativen Allergie sollte im diagnostischen Spektrum bei entsprechendem Verdacht nicht fehlen! Allergien treten leider immer früher auf und es stehen mit spezifischen Immuntherapeutika, die bereits ab dem Kleinkindesalter zugelassen sind, sehr effektive Behandlungsoptionen offen! Der Mär, dass Prick-Tests erst ab dem 4.–5.Lebensjahr möglich seien, muss an dieser Stelle entschieden widersprochen werden!
Ein spezielles Symptom, das vorwiegend im Kleinkindesalter auftritt, ist einseitiger, putrider Ausfluss aus der Nase. Dies sollte nicht zu Verängstigung oder Verunsicherung führen, sondern eine direkte Überweisung in den HNO-Bereich zur Folge haben. Dieses Symptom ist nämlich das Kardinalsymptom für einen nasalen Fremdkörper, der zu entfernen ist!
Tonsillitis
In der chirurgischen Therapie der rezidivierenden, akuten Tonsillitis hat in den letzten 10 Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die klassische Tonsillektomie, also die Entfernung des gesamten Tonsillengewebes, wurde weitgehend durch die Tonsillotomie, also das partielle Entfernen des Tonsillengewebes, verdrängt. Geschuldet ist dieses Vorgehen der deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit für potenziell lebensbedrohliche Nachblutungen bei annähernd gleichem Outcome nach OP. Wurde früher argumentiert, dass einer Teilentfernung eine Zweit-OP mit Entfernung des primär belassenen Restes mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen würde, hat die Praxis gezeigt, dass dies lediglich in Einzelfällen wirklich nötig wird.
Die akute Tonsillitis wird nach wie vor mit Penicillin therapiert. Es gibt immer noch kaum Resistenzen gegen Penicillin, weshalb es das Antibiotikum der Wahl ist. 5 bis 6 akute Episoden pro Jahr in 2 aufeinanderfolgenden Jahren wären eine Indikation zur chirurgischen Therapie.
Fazit
Zusammenfassend können für den HNO-Bereich bei unseren jungen und jüngsten Patienten ein paar einfache Grundsätze für Prophylaxe und Therapie gegeben werden:
Eine gute Belüftung von Mittelohr undNasennebenhöhlen ist die halbe Miete, um Infekten vorzubeugen! Eine gut befeuchtete Schleimhaut ist ebenfalls ein protektiver Faktor. Die Verwendung von Wattestäbchen zur Gehörgangsreinigung sollte unbedingt vermieden werden – bei großen und kleinen Kindern!
Literatur:
beim Verfasser
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