Hyponatriämie:Was tun in der Praxis?
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Die Hyponatriämie zählt als praktische Herausforderung zu den meistgesuchten Themen in medizinischen Fachlexika. Doch woran liegt das? Ist es die unspezifische Klinik, welche nicht immer eindeutig heraussticht? Sind es Begrifflichkeiten wie Osmolalität oder Tonizität, welche oft für Verwirrung sorgen? Oder doch die oft nicht instinktiv interpretierbaren diagnostischen Parameter?
Grundlagen
Natrium und Wasserhaushalt sind eng miteinander verbunden. Die Natriummenge in Verbindung mit dem Gesamtkörperwasser bestimmt das extrazelluläre Volumen (EZV– intravaskuläres und interstitielles Volumen), wobei das Gesamtkörperwasser selbst aufgrund der osmotischen Wirksamkeit von Natrium bereits maßgeblich durch die Gesamtnatriummenge des Körpers bestimmt wird. Die Natriumkonzentration (Serum-Natrium) in Kombination mit Glukose und Harnstoff bestimmt wiederum die Osmolalität, also die Konzentration dieser osmotisch wirksamen Stoffe im EZV.
Diese beiden Systeme, Volumen und Osmolalität, werden unabhängig voneinander reguliert. Die Osmolalität wird im Hypothalamus wahrgenommen. Ist diese erhöht, wird ein einziges Hormon ausgeschüttet: antidiuretisches Hormon (ADH=[Arginin-]Vasopressin). Dieses führt – durch vermehrte Rekrutierung von Wasserkanälen in die Sammelrohre der Niere – zu vermehrter Wasserrückresorption und damit zu konzentriertem Harn, zur Retention von Wasser und zum Sinken der Osmolalität. Der Volumenhaushalt ist komplexer: Effektiv zirkulierendes arterielles Volumen kann nicht direkt gemessen werden, stattdessen nehmen Rezeptoren in strategisch wichtigen Gefäßen (Vas afferens des Glomerulum, Bulbus caroticus, in den Atrien) Gefäßdehnung und damit indirekt Perfusionsdruck wahr. Ist der Druck niedrig, wird v.a. das Renin-Angiotensin-Aldosteron(RAAS)-System aktiviert – die Natriumrückresorption wird erhöht, die Salz- und damit die Wassermenge im Körper steigt und es kommt zur Vasokonstriktion. Allerdings wird bei wahrgenommenem unzureichendem Perfusionsdruck zusätzlich auch ADH ausgeschüttet. Ist der Druck hoch, wird atriales natriuretisches Peptid (ANP) ausgeschüttet, welches zu einer vermehrten Natrium- und Chlorid-Ausscheidung und folglich auch zur erhöhten Wasserausscheidung führt. Kommt es in diesen Systemen zu Dysregulationen kann daraus eine Hyponatriämie entstehen.
Einteilung
Eine grundsätzliche Einteilung der Hyponatriämie kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen:
-
Anhand der vorliegenden Serumnatriumkonzentration
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Leicht 134–130mmol/l
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Moderat 129–125mmol/l
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Profund <125mmol/l
Anhand des zeitlichen Auftretens
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Akut Auftreten <48h
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Chronisch Auftreten >48h
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Anhand des vorliegenden EZV
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Hyper-, Hypo-, Euvolämie
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Tab. 1: Laborchemische Minimaldiagnostik bei Verdacht auf symptomatische Hyponatriämie
Die Problematik ist, dass die korrekte Einschätzung des Volumenstatus auch für die erfahrenen Kliniker*innen nicht immer einfach ist. Hier kommt der Begriff der Tonizität bzw. „echter Osmolalität“ ins Spiel. Unter Tonizität versteht man die Konzentration der tatsächlich osmotisch wirksamen Teilchen. Das sind jene Stoffe, die nicht frei durch die Zellmembran diffundieren können, wie z.B. Natrium, im Gegensatz zu z.B. Harnstoff, welcher relativ frei membrangängig ist. Bei einer „echten“ Hyponatriämie handelt es sich immer um eine hypotone Hyponatriämie. Die Ausprägung der klinischen Präsentation ist dabei in erster Linie mit der Geschwindigkeit des Auftretens assoziiert, nicht mit ihrer biochemischen Ausprägung.
Abb. 1: Übersicht klinische Ausprägung bei Hyponatriämie
Diagnostik
Eine strukturierte Diagnostik ist der Schlüssel zur richtigen diagnostischen Einordnung und Therapieplanung bei Hyponatriämie. Diese setzt sich zusammen aus klinischen sowie laborchemischen Parametern. Im Rahmen der Anamnese und Diagnostik gilt es, eine Symptomatik – falls vorliegend – festzustellen. Dazu zählen u.a. Kopfschmerzen, Verwirrung, motorische Einschränkungen, Übelkeit, Erbrechen oder Vigilanzveränderungen (Abb.1). In diesem Kontext gilt es auch,immer den zeitlichen Verlauf zu erheben, um die Unterscheidung zwischen akutem Auftreten und langsamer chronischer Entwicklung zu ermöglichen.
Im Rahmen der laborchemischen Aufarbeitung stehen Blut- und Harndiagnostik im Vordergrund. Dazu gehören: die Serumosmolalität, Serumelektrolyte, Nierenfunktionsparameter inklusive Harnsäure und Harnstoff, Glukose, Leberfunktionsparameter, Proteine, venöse Blutgasanalyse sowie ein Harnstreifentest (spezifisches Gewicht) und die Bestimmung des Harnnatriums und der Harnosmolalität.
Tabelle1 zeigt eine Übersicht über die laborchemische Minimaldiagnostik bei v.a. Vorliegen einer symptomatischen Hyponatriämie. Zunächst spielt vor allem die Serumosmolalität eine zentrale Rolle, da in gewissen Situationen die Serumnatriumkonzentration aufgrund laborchemischer Artefakte falsch niedrig ausgegeben wird. Hierbei handelt es sich dann um eine sogenannte Pseudohyponatriämie. Aufgrund dessen ist zu empfehlen, die Therapieplanung einer Hyponatriämie auch stets an die vorliegende Serumosmolalität anzupassen. Der Normalbereich liegt je nach Labor zwischen 275 und 300mosmol/kg. Anhand dieser Serumosmolalität erfolgt schließlich die Einteilung der Hyponatriämie in hyper-, iso- oder hypotone Hyponatriämie. Nur bei Vorliegen einer hypotonen Hyponatriämie spricht man schließlich von einer „echten“ Hyponatriämie, welche auch therapiert werden soll. Nach Identifikation einer solchen „echten“ Hyponatriämie kommen die Harnosmolalität sowie die Natriumkonzentration des Harns ins Spiel, um weiter zu differenzieren. Abbildung2 zeigt einen diagnostischen Algorithmus, anhand dessen die Diagnostik bei Verdacht auf symptomatische Hyponatriämie ablaufen sollte.
Allgemeine Therapieprinzipien
Therapeutisch gilt es zunächst, bei symptomatischer Hyponatriämie durch Anhebung des Serum-Natriums eine Besserung der Symptome zu erreichen. Wenn bei einem/einer Patienten/Patientin von einer symptomatischen Hyponatriämie ausgegangen wird, empfiehlt sich im Regelfall die Überweisung in den intramuralen Bereich. Grundsätzlich erfolgt die Steigerung des Serum-Natriums bei volumendepletierten Patient*innen durch Volumensubstitution, bei euvolämen oder hypervolämen Patient*innen über die Restriktion der weiteren Wasseraufnahme.
Bei der Substitution gilt es, die richtige Wahl zwischen isotoner und hypertoner Natriumlösung zu treffen. Hierbei hilft es, sich erneut die Physiologie der Osmolalität und den damit verbundenen Shift im Totalkörpervolumen vor Augen zu führen. Im Allgemeinen gilt:
-
Substituiert man isotone Natriumlösungen, kommt es zu keinem akuten Shift von Körperwasser, jedoch zum Anstieg des Gesamtvolumens als auch der Serum-Natrium-Konzentration.
-
Substitutiert man hypertone Kochsalzlösung, verändert sich wiederum die Osmolalität im Extrazellulärraum. Freies Wasser fließt, um einen osmotischen Ausgleich zu erzielen, aus den Zellen.
Die Geschwindigkeit, mit der eine Substitutionstherapie erfolgen sollte, hängt von der Ausprägung der Hyponatriämie (sowohl klinisch als auch laborchemisch) ab. In milden bis moderaten Situationen ist ein akutes, unmittelbares Eingreifen nicht zwingend erforderlich. Handelt es sich jedoch um eine schwere Symptomatik (Erbrechen, Vigilanzstörung, Krampfanfälle) sollte eine Substitution nicht verzögert werden. In diesem Setting sollte eine unmittelbare Verabreichung von 150ml (2ml/kg) NaCl 3% über 20min erfolgen. Der weitere Algorithmus verlangt anschließende Natriumkontrollen und Wiederholung des Substitutitonsschemas bis zu einem Anstieg von 5mmol/l. Da dies in der Niederlassung jedoch häufig nicht durchführbar ist, gilt es nach Beginn der Therapie einen möglichst raschen Transport ins nächstgelegene Spital durchzuführen, um die weitere Versorgung zu optimieren.
Weiters gilt es, im Rahmen einer Hyponatriämietherapie eine Überkorrektur zu vermeiden. Man spricht davon bei einem Anstieg der Serum-Natrium-Konzentration von 10mmol innerhalb der ersten 24Stunden bzw. 8mmol ab dem zweiten Therapietag. Übersteigt man diese Grenzwerte, kann es zum Auftreten einer osmotischen Demy-elinisierung kommen, wobei Patient*innen mit besonders profunder, bereits lange bestehender Hyponatriämie und malnutritierte Patient*innen mit Alkoholabusus besonders gefährdet sind.
Spezifische Ausprägungen
Gerade in der allgemeinmedizinischen Praxis gibt es häufige Ätiologien, welche folgend kurz beleuchtet werden:
SIADH
Unter SIADH versteht man das „Syndrom der inadäquaten ADH-Ausschüttung“. Der Name beinhaltet die zugrundeliegende Pathophysiologie: Aus verschiedenen Ursachen kommt es zur inadäquaten – d.h.auch bei iso- oder hypoosmolarem Serum – anhaltenden Sekretion von ADH und zu einer damit verbundenen Rückresorption von freiem Wasser. Folglich entsteht eine Verdünnungshyponatriämie.
In der diagnostischen Abklärung definiert sich das SIADH mit Euvolämie und folgenden laborchemischen Veränderungen:
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Serumnatrium <135mmol/l
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Plasmaosmolalität <275mosmol/kg
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Urinosmolalität >100mmol/l
-
Urin-Natrium >30mmol/l
Häufige Auslöser für ein SIADH (Synonym: Schwarz-Batter-Syndrom) sind unter anderem Medikamente (z.B. Cyclophosphamid, Antipsychotika wie Haloperidol, Antidepressiva wie Sertralin oder Fluoxetin, MAO-Hemmer, NSAR [wenn auch selten]), Infektionen (Pneumonie, Meningitis, Enzephalitis, Abszesse), operative Eingriffe, respiratorische Erkrankungen, subdurale Blutungen, Neoplasien, Nebenniereninsuffizienz u.v.m. Häufig kann auch keine eindeutige Ursache identifiziert werden.
Die Therapie des SIADH richtet sich primär nach der zugrundeliegenden Pathologie. Wenn behandelbar sollte diese beseitigt werden bzw. wenn möglich auslösende Medikamente abgesetzt werden. Falls kein Auslöser erkannt wird, unterscheidet sich die Therapie je nach Ausprägung und Begleiterkrankungen und sollte durch hiermit erfahrene Internist*innen erfolgen.
Abb. 2: Übersicht der strukturierten diagnostischen Abklärung mit entsprechenden Differenzialdiagnosen bei vorliegender Hyponatriämie
Diuretika-induzierte Hyponatriämie
Diuretika-induzierte Hyponatriämien stellen einen relativ großen Anteil der therapiebedürftigen Hyponatriämien dar. Die Medikamentengruppe, welche dabei gehäuft mit Hyponatriämien vergesellschaftet ist, sind Thiaziddiuretika, das Auftreten von signifikanten Hyponatriämien unter Schleifendiuretika ist hingegen untypisch. Nahezu alle therapiebedürftigen Ausprägungen sind auf diese Substanzgruppe zurückzuführen. Meist ist die Ausprägung mild und bedarf unter Umständen keiner weiteren spezifischen Therapie. Diese Ätiologie stellt auch die einzige Hyponatriämieform dar, welche sich zu maßgeblichen Teilen aufgrund einer übermäßigen Ausscheidung von Natrium (und Kalium) ausbildet. Dieser Form der Hyponatriämie liegt eine Kombination aus Elektrolytverlust und ADH-induzierter Wasserretention zugrunde. Sie tritt in den meisten Fällen etwa 2 Wochen nach Einleitung der Therapie auf. Hier stellt zusätzlich zu den allgemeinen Therapieprinzipien ein Absetzen der Thiazide die wirksamste Therapieform dar.
Zusammenfassung
Eine strukturierte Diagnostik ist ein Muss, um eine adäquate Therapie einer Hyponatriämie zu ermöglichen. Die zwei Eckpfeiler der Therapie sind: Steigerung des Serum-Natrium-Spiegels und Therapie der zugrundeliegenden Ätiologie. Bei schwerer Hyponatriämie erfolgt nach Therapieeinleitung die weitere Betreuung im stationären Setting. Vorsicht vor einer zu raschen Korrektur einer Hyponatriämie: Es besteht die Gefahr einer zentralen pontinen Myelinolyse.
Weiterführende Literatur:
Spasovski G et al.: Clinical practice guideline on diagnosis and treatment of hyponatraemia. Eur J Endocrinol 2014; 170(3): G1-G47
Fenske W: Hyponatriämie in der Notaufnahme – häufig gefährlich. Internist 2017; 58: 1042-52
Faubel S, Topf J: The fluid, electrolyte and acid-base companion. 5. Auflage. Philadelphia: Saunders Elsevier 2017
Sterns RH: Disorders of plasma sodium. N Engl J Med 2015; 372(13): 1269
Brenner B, Floyd C: Brenner & Rector’s the Kidney. 8. Auflage. Philadelphia: Saunders Elsevier 2000
Sterns RH: Overview of the treatment of hyponatremia in adults. UpToDate® 2021; https://www.uptodate.com/contents/overview-of-the-treatment-of-hyponatremia-in-adults; zuletzt aufgerufen am 18. 11. 2022
Rose BD, Post T: Clinical physiology of acid-base and electrolyte disorders. 5. Auflage. New York: McGraw Hill 2001
Loscalzo J et al.: Harrisons’s principles of internal medicine. 21. Auflage. New York: McGraw Hill 2022
Liamis G et al.: Review of drug-induced hyponatremia. Am J Kidney Dis 2008; 52(1): 144-53
Kamel K, Halperin M: Use of urine electrolytes and urine osmolality in the clinical diagnosis of fluid, electrolytes, and acid-base disorders. Kidney Int Rep 202; 6(5): 1211-24
Rondon-Berrios H et al.: Hyponatremia: pathophysiology, classification, manifestations and management. Int Urol Nephrol 2014; 46: 2153-65
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