Impfungen: Was gibt es Neues?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Das Spektrum der verfügbaren Impfstoffe ist stets in Bewegung. Das gilt sowohl für bereits etablierte Indikationen, wie etwa Pneumokokken, als auch für neue Impfstoffe – hier seien Dengue und Borreliose genannt.
Keypoints
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Es gibt eine hohe Zahl an Diphtherie-seronegativen Personen in der österreichischen Bevölkerung.
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Bei Flüchtlingen sowie deren Kontaktpersonen sollte der Impfstatus gegen Diphtherie unbedingt überprüft und ergänzt werden.
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Gegen Pneumokokken stehen derzeit 13-, 15- und 20-valente Konjugatimpfstoffe, weiters der 23-valente Polysaccharidimpfstoff zur Verfügung.
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Ein neuer 21-valenter Impfstoff mit einer teils anderen Serotypenabdeckung wird wahrscheinlich 2024 zugelassen werden.
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Gegen Dengue ist ein neuer tetravalenter Impfstoff verfügbar.
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Gegen Borreliose wird eine neue Vakzine in Phase III geprüft.
Leider gibt es zum Thema Impfen nicht immer nur gute Nachrichten“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien.
Altes und Neues zur Diphtherie
So fanden in einer rezent publizierten Studie Wiener Forschende bei mehr als 10000 Österreicher*innen, die zwischen 2018 und 2022 freiwillig getestet wurden, einen mangelnden Schutzstatus gegen Diphtherie bei 36%, gegen Tetanus nur bei 4%.1 „Das scheint aber nicht daran zu liegen, dass die Antikörper gegen Diphtherietoxine schneller abnehmen als jene gegen Tetanus“, fuhr die Expertin fort. „Vielmehr sind die Antikörperspiegel gegen Diphtherie von vornherein niedriger als jene gegen Tetanus. Außerdem halten viele Erwachsene die empfohlenen Auffrischungen alle zehn Jahre nicht ein.“
„Leider gibt es den monovalenten Diphtherieimpfstoff, den wir früher hatten, nicht mehr, obwohl er sehr nützlich wäre“, bedauerte Wiedermann-Schmidt. „Und außerdem scheint die reduzierte Diphtherie-Toxoiddosis, die im Erwachsenenimpfstoff enthalten ist, zu gering zu sein – hier wird man sich Änderungen überlegen müssen.“
Ein guter Impfschutz gegen Diphtherie sei einerseits für die Allgemeinbevölkerung wichtig, besonders aber auch für Menschen, die mit Flüchtlingen in Kontakt sind, weil es in dieser Gruppe viele ungeimpfte Personen gibt, wie die Impfexpertin ergänzte.
Pneumokokken
Im Jahr 2022 gab es in Österreich 502 Fälle von invasiven Pneumokokkenerkrankungen (IPD). „Von 2005 bis 2019 ist die IPD-Inzidenz stetig angestiegen. 2020 und 2021 gab es einen Pandemie-bedingten Abfall, aber 2022 war die Inzidenz schon wieder fast so hoch wie vor der Pandemie“, kommentierte Wiedermann-Schmidt. Die häufigsten Serotypen waren 3, 19A und 8, gefolgt (in absteigender Häufigkeit) von 22F, 6C, 11A, 23B und 9N. Tabelle 1 zeigt die häufigsten in Österreich vorkommenden Serotypen und ihre Abdeckung (oder deren Fehlen) durch derzeit verfügbare Impfstoffe.
Tab. 1: Serotypen und Impfabdeckung bei Pneumokokken (Quelle: Nationale Referenzzentrale für Pneumokokken)
Stratifiziert nach Altersgruppen, zeigt sich das bekannte Phänomen, dass vor allem Säuglinge und alte Menschen betroffen sind. So war die Inzidenz pro 100000 Personen in der Altersgruppe unter einem Jahr 15,4, sie sinkt dann bei 5- bis 14-Jährigen auf 1,4 ab, um dann bei Erwachsenen langsam wieder anzusteigen. In der Altersgruppe von 75 bis 79 Jahren liegt sie dann schon bei 17,5, bei den Menschen ≥80 Jahre sogar bei 22,7.
Aus Tabelle 1 geht auch hervor, dass die beiden häufigsten Serotypen, nämlich 3 und 19A, sowohl von den modernen Konjugatimpfstoffen als auch vom Polysaccharidimpfstoff abgedeckt werden. Umgekehrt gibt es unter den zehn häufigsten Serotypen immerhin vier – 6C, 23B, 23A und 15A –, die von keiner der derzeit verfügbaren Vakzinen erfasst werden. Weitere drei Serotypen, 9N, 17F und 20, werden nur durch PPV23 abgedeckt.
Kinder werden seit Februar 2023 in Österreich mit PCV15 geimpft, wobei die Anzahl der Impfungen davon abhängt, in welchem Lebensalter begonnen wird (idealerweise im ersten Lebensjahr).
Für gesunde Erwachsene wird eine sequenzielle Impfung, zuerst mit einem Konjugatimpfstoff, dann mit der Polysaccharidvakzine, ab dem vollendeten 60. Lebensjahr empfohlen – bei erhöhtem Risiko schon früher. „Das Rationale für diese sequenzielle Strategie hat zwei Teile“, berichtete Wiedermann-Schmidt, „einerseits die breitere Abdeckung durch den 23-valenten Impfstoff, andererseits aber auch eine verbesserte Immunogenität bzw. ein Boostereffekt durch den 23-valenten Impfstoff.“ Letzteres ist für PCV13 und PCV15, gefolgt von PPV23, bereits nachgewiesen, während es für die Sequenz PCV20/PPV23 noch unklar ist.2
Es konnte zwar gezeigt werden, dass PCV20 ebenso gut wirkt wie PCV13 und auch dass PCV20 der sequenziellen Kombination von PCV13 und PPV23 ebenbürtig ist3, „aber die Studie gibt uns keine Information darüber, ob die Antikörperspiegel für die Serotypen nach PCV20 vergleichbar hoch sind wie nach der Sequenz PCV13/PPV23, und sie sagt uns auch nicht, ob eine sequenzielle Kombination von PCV20 und PPV23 sinnvoll wäre oder nicht“, schränkte die Vakzinologin ein. „Vermutlich wird dies aber zumindest bei Patient*innen mit höherem Risiko der Fall sein.“
Ein neuer, 21-valenter Konjugatimpfstoff, derzeit bekannt als V116, wird aktuell in Phase-III-Studien geprüft. Er ist insofern anders als die bisherigen Vakzinen, als er immerhin acht Serotypen, die in den derzeit gängigen Impfstoffen enthalten sind – 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F, 23F und 1 –, nicht abdeckt, dafür aber acht andere, die von keinem der derzeitigen Impfstoffe erfasst werden, auch nicht von PPV23: Dies sind 15A, 15C, 16F, 23A, 23B, 24F, 31 und 35B.
Zieht man die europäische IPD-Serotypverteilung heran, so erreicht PCV13 eine Abdeckrate von 49,3%, PCV15 55,2%, PCV20 66,1% und PPV23 72,3%. V116 wäre hier mit 80,8% am besten. Eine Zulassung ist nicht vor 2024 zu erwarten.
Dengue
Das Dengue-Fieber ist vor allem in Südamerika (Brasilien, Kolumbien, Peru) und in Südostasien (Thailand, Sri Lanka, Indonesien, Philippinen) verbreitet. Ein neuer attenuierter Lebendimpfstoff, der auf einem Dengue-2-Backbone beruht, ist seit Dezember 2022 zugelassen. Das Impfschema besteht aus zwei Impfungen im Abstand von drei Monaten. „Das ist natürlich für die Reisemedizin nicht ideal, weil viele Menschen erst kurz vor Reiseantritt überhaupt an Impfungen denken“, so Wiedermann-Schmidt.
In den Phase-III-Studien zeigte sich bei seropositiven Proband*innen eine sehr gute Immunantwort bezüglich aller vier Serotypen, während bei seronegativen die Immunantwort gegen die einzelnen Serotypen unterschiedlich ausfiel: Am besten war sie gegen Dengue 2 (der Backbone), am schlechtesten gegen Dengue 3. „Die Verträglichkeit dieser Vakzine ist gut, es kommt bei ca. 20% zu lokalen Rötungen, Schmerzen oder auch Kopf- und Muskelschmerzen, bei etwa 10% zu Fieber“, so Wiedermann-Schmidt.
Die Vakzineffektivität betrug nach einem Jahr 82% bei zuvor Seropositiven und 74% bei zuvor Seronegativen; eine Hospitalisierung wurde in 90% der Fälle verhindert. Nach 18 Monaten lagen die analogen Zahlen bei 76% bzw. 62%, nach 36 Monaten betrugen sie 65% bzw. 54%. Bei anfangs seronegativen Personen konnte mit der Impfung gegen Dengue Serotyp 3 kein Schutz aufgebaut werden. „Hier lag die Hospitalisierungsrate bei den Geimpften sogar höher als unter Placebo“, berichtete Wiedermann-Schmidt. Insofern wird man bei der Anwendung bei Reisenden nach ausführlicher Nutzen-Risiko-Abwägung vorgehen und bis zum Vorliegen weiterer Daten einen bevorzugten Einsatz bei bereits Infizierten erwägen.
Borreliose
Ein neues Impfkonzept liegt einem in Entwicklung befindlichen Impfstoff gegen Borreliose zugrunde. Er soll die Transmission von Spirochäten von der Zecke auf den Menschen verhindern. Das Impfantigen ist hier das sogenannte OspA, ein Oberflächenprotein, das von den Borrelien bereits im Darm der Zecke exprimiert wird. Durch den Saugakt bei einem geimpften Menschen nimmt die Zecke Blut auf, das OspA-Antikörper enthält und die Borrelien bereits im Zeckendarm abtötet.
Die Vakzine enthält insgesamt sechs Serotypen von OspA von B. burgdorferi,afzelii, bavariensis und garinii und wird derzeit in Phase III geprüft.
Quelle:
„Neue Impfungen und Impfstoffe“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr.Ursula Wiedermann-Schmidt, Wien, im Rahmen des ÖIK, Symposium 7, am 23.März 2023 in Saalfelden
Literatur:
1 Wagner A et al.: Euro Surveill 2023; 28(17) 2 Schmoele-Thoma B et al.: Hum Vaccin Immunother 2019; 15(3): 575-83 3 Hurley D et al.: Clin Infect Dis 2021; 73(7): e1489-97
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