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Ein Fall aus der Abendvisite

Eine Diagnose auf der anderen

Eine Patientin mit Polymorbidität und Polypharmazie präsentiert sich mit exkoriierten, teilweise knotenförmigen Papeln und massivem Juckreiz. Die Anamnese gibt den entscheidenden Hinweis auf eine bereits seit Jahrzehnten bestehende Hauterkrankung, die nun eine zweite Dermatose ausgelöst hat. Eine Umstellung der bereits bestehenden medikamentösen Therapie nach Einleitung eines Antikörpers war nicht erforderlich, sehr wohl hingegen die Kontrolle des Blutbilds auf mögliche maligne Veränderungen.

Die 66-jährige Patientin ist polymorbid (u.a. Adipositas, arterielle Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Depression, Osteoporose, COPD) und hat somit eine relativ lange Liste an Medikamenten. Das klinische Bild imponiert ventral an den unteren und oberen Extremitäten mit exkoriierten Papeln, die teilweise knotenförmig auftreten; Plaques sind kaum zu sehen. Auch die Rückseite ist betroffen. Charakteristisch ist der Befall dort, wo die Patientin zwecks Kratzens mit den Händen hinkommt, in diesem Fall die Lumbal- und Glutealregion sowie die Oberschenkel. Der Schulterbereich sowie der obere Rücken sind dementsprechend weniger betroffen (Abb. 1). Auffällig sind die über den Hand- beziehungsweise Fingergelenken erkennbaren plaqueförmigen Läsionen sowie ein Erythem der Handfläche, das vielleicht nicht unbedingt zum Bild passt (Abb. 2).

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Abb. 1: Die teilweise knotig auftretenden exkoriierten Papeln im Lumbal- und Glutealbereich

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Abb. 2: Plaqueförmige Läsionen an Hand- beziehungsweise Fingergelenken sowie Erythem der Handfläche

Klinisch sind daher einige Differenzialdiagnosen möglich: Zu den klassischen Kandidaten zählten atopisches Ekzem, Psoriasis und Prurigo nodularis; möglich wäre auch ein Lupus erythematodes aufgrund der Läsionen an den Handknöcheln. Allerdings würden diese eher auf die Gottron’schen Papeln einer Dermatomyositis hinweisen, denn beim Lupus befänden sich die Papeln eher zwischen den Gelenken. Eine Pityriasis rubra pilaris wäre in diesem Fall sicher sehr weit hergeholt.

Prurigo nodularis, Psoriasis und Juckreiz

Aus klinischer Sicht spricht einiges für die Prurigo nodularis (PN), eine eigenständige Entität mit eigenem ICD-Code, die sich allerdings auch aus gewissen anderen Dermatosen heraus entwickeln kann.

Das ist auch hier der Fall: Bei Betrachtung der Anamnese zeigt sich, dass bei der Patientin seit dem 17. Lebensjahr eine Psoriasis bekannt ist, die Diagnose ist also eine pruriginöse Psoriasis. Die bisherigen Therapieversuche – unter anderem mit Bade-PUVA, Schmalband-UVB und einmalig Adalimumab – blieben weitgehend erfolglos. Die Patienten wird am 4.11.2020 erstmalig vorstellig und gibt hier einen massiven Juckreiz an, es wird unverzüglich eine Therapie mit Ixekizumab in Regeldosis eingeleitet. Anmerkung: Das für die PN mittlerweile zugelassene Biologikum Dupilumab war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar, daher fiel aufgrund der Anamnese und des grossen Leidensdrucks der Entschluss für Ixekizumab.

Bezüglich der Symptomatik ist darauf hinzuweisen, dass Juckreiz laut einer Studie an 140000 Haushalten in neun Ländern ein Leitsymptom auch der Psoriasis ist, wenn die Gelenke nicht betroffen sind («most bothersome symptom of psoriasis») – wobei der Juckreiz von der Qualität her anders ist als beim Atopiker.1

IL-23-Blocker führt zu Erscheinungsfreiheit

Im weiteren Verlauf verbessert sich die Psoriasis nach einem Monat sowohl palmoplantar als auch am Kopf zwar stark, PN und Juckreiz allerdings nicht wesentlich. Im Februar 2021 ist die Patientin in Bezug auf die Psoriasis praktisch erscheinungsfrei, hat aber nach wie vor massive Juckreizattacken. Bis Mai ist sie längere Zeit beschwerdefrei, erlebt dann aber einen Schub, der sicher auch psychologisch bedingt ist (bei ihrem Haustier wird ein maligner Tumor festgestellt).

Im April 2022 berichtet die Patientin über eine deutliche Verschlechterung in den letzten Monaten, mit massivem Befall der Oberschenkelinnenseiten sowie palmoplantar. Es folgt daher gemeinsam die Entscheidung, sie auf den IL-23p19-Inhibitor Risankizumab einzustellen. Daraufhin ist die Patientin relativ rasch erscheinungsfrei, und interessanterweise haben auch die PN-artigen Läsionen angesprochen; lediglich eine postinflammatorische Hyperpigmentierung ist noch zu erkennen (Abb. 3).

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Abb. 3: Erscheinungsfreiheit an Händen und Beinen

Aufgrund der Assoziation der PN mit Lymphomen wird zum Ausschluss ein grosses Blutbild zu Beginn und nachfolgend regelmässig durchgeführt; eine Umstellung der antihypertensiven Therapie (Betablocker) ist nicht erforderlich.


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Lebwohl MG et al.: Patient perspectives in the management of psoriasis: results from the population-based Multinational Assessment of Psoriasis and Psoriatic Arthritis Survey. JAAD 2014; 70:871-881. doi: 10.1016/j.jaad.2013.12.018

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