Kinderimpfprogramm: Was gibt es Neues?
Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften St. Pölten
E-Mail: E-Mail: zwiauer@kfs.at
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Der aktuelle österreichische Impfplan bietet einige Neuerungen, wie z.B. die Ausweitung der Gratis-HPV-Impfung bis zum vollendeten 21. Lebensjahr. Zudem gibt es auch eine neue Website zum Thema Impfen, wie Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, St.Pölten, in einem Webinar erläuterte.
Der neue Impfplan, der im Herbst 2023 präsentiert wurde, enthält einige relevante Änderungen in unterschiedlichen Kapiteln. Pädiater und Mitglied des Nationalen Impfgremiums, Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, ging in seinem Vortrag auf die wesentlichen Neuerungen ein.
Korrekte Altersdefinitionen
Hier gibt es gelegentlich semantische Probleme bzw. Missverständnisse. Es gilt: Das Lebensjahr wird am Geburtstag um 24 Uhr beendet. Die Formulierung „bis zum vollendeten 1. Lebensjahr“ inkludiert den ersten Geburtstag, „bis zum vollendeten 2. Lebensjahr“ den 2. Geburtstag und so weiter. Heißt es hingegen „ab dem vollendeten 1. Lebensjahr“, so bedeutet das „ab dem 1. Geburtstag“, also frühestens im 2. Lebensjahr, „ab dem vollendeten 2. Lebensjahr“ heißt somit „ab dem 2. Geburtstag“ und folglich frühestens im 3. Lebensjahr und so weiter.
Hepatitis A
Die Impfung gegen Hepatitis A, die zuvor bei den allgemein empfohlenen Impfungen zu finden war, ist nun in das Kapitel „Reise- bzw. Indikationsimpfungen“ übersiedelt worden. „Das ist nicht bei allen Kolleg:innen auf Verständnis gestoßen, und deshalb möchte ich es erklären“, so Zwiauer.
In den vergangenen Jahren hat es in Europa bezüglich Hepatitis A eine beträchtliche Dynamik gegeben, erfreulicherweise in die Richtung einer starken Abnahme in den meisten Ländern. Gab es in Österreich 2017 noch 242 Fälle von Hepatitis A, so waren es 2018 nur noch 80 und 2021 nur noch 32. 2022 wurden 65 Fälle verzeichnet. Zwiauer: „Die Hygienelage in Österreich ist gut. Das Hepatitis-A-Virus, kurz HAV, zirkuliert daher kaum. Es handelt sich bei vielen HAV-Infektionen um eingeschleppte Fälle nach Auslandsaufenthalten.“ Zugenommen haben laut dem Pädiater die Fälle von Hepatitis A durch kontaminierte Speisen und Lebensmittel: „Aufgrund dieser epidemiologischen Situation wird die HAV-Impfung in Österreich nicht mehr allgemein empfohlen, sondern nur bei bestimmten Indikationen“, so Zwiauer.
Diese Indikationen sind:
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Reisen in Endemiegebiete: in diesen Fällen insbesondere für Kleinkinder und Kinder sinnvoll, da hier das Hygienebewusstsein noch nicht voll ausgebildet ist. Die Kinderimpfung bewirkt nicht nur einen anhaltenden Individualschutz für mindestens drei Jahrzehnte, sondern schaltet gleichzeitig auch die wichtigste Infektionsquelle für Erwachsene aus.
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Personen mit Gerinnungsstörungen, chronischen Darm- oder Lebererkrankungen (z.B. M. Crohn, Colitis ulcerosa), HCV-Infizierte und HBV-Träger
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Kontakt mit an Hepatitis A erkrankten Personen oder Personen, die HAV ausscheiden
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Personen mit einem Sexualverhalten, das bezüglich einer HAV-Infektion riskant sein kann, insbesondere MSM (Männer, die Sex mit Männern haben)
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Sozialberufe – Betreuungspersonal in Kindergärten, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und Pflegepersonen in Einrichtungen für Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung
Neu hinzugekommen ist hier die Indikation Personen mit Flucht- und Migrationshintergrund und in deren Versorgung involvierte Personen. „Die weiteren Indikationen, wie etwa alle in Lebensmittelbetrieben und Gastronomie Tätige, Personen mit erhöhtem HAV-Risiko einschließlich Kanalisations- und Klärwerkarbeiter:innen, sind unverändert geblieben“, stellte Zwiauer klar.
HPV
Die HPV-Impfung wird in 125 Ländern für Mädchen und in 47 davon (darunter auch Österreich) auch für Buben empfohlen. Dabei hat Österreich als eines der ersten Länder im Dezember 2006 eine Impfempfehlung ausgesprochen. Das Impfangebot für HPV wurde ab 1. Februar 2023 deutlich erweitert. Die Impfung wird nun kostenfrei bis zum vollendeten 21. Lebensjahr (im Schema 1 + 1) angeboten. „Das kann man durchaus als Meilenstein bezeichnen“, kommentierte der Impfexperte.
Die nonavalente Impfung ist hochimmunogen, die Antikörperspiegel sind nach Impfung sogar höher als nach einer natürlichen HPV-Infektion, und die Antikörper persistieren auch sehr lang. Eine Besonderheit besteht darin, dass die Antikörperspiegel umso höher ausfallen, je geringer das Alter der Impflinge ist – dies gilt für alle neun in der Impfung abgedeckten HPV-Serotypen. „Aber auch die Antikörperspiegel, die bei Erstimpfung nach dem 20. Geburtstag erreicht werden, sind immer noch hoch und bieten einen guten Schutz“, erläuterte Zwiauer. „Man kann die HPV-Impfung als Paradeimpfung mit extrem hoher Effektivität bezeichnen.“
Was die klinische Effektivität im Hinblick auf Vorstufen des Zervixkarzinoms angeht, so werden diese bei Mädchen zwischen 15 und 19 und Frauen zwischen 20 und 24 Jahren dramatisch gesenkt, ein Effekt, der allerdings ab dem 25. Lebensjahr nicht mehr nachweisbar ist. Die Inzidenz von Zervixkarzinomen ist am niedrigsten bei Frauen, die vor dem 17. Geburtstag geimpft wurden, bereits höher bei Frauen, die zwischen dem 17. und dem 30. Lebensjahr eine HPV-Impfung erhalten haben, und nochmals höher bei Ungeimpften. Auch Genitalwarzen sind bei Frauen und heterosexuellen Männern nach HPV-Impfung fast völlig verschwunden, bei MSM deutlich zurückgegangen.
Empfohlen wird die Impfung zwischen dem vollendeten 9. und 12. Lebensjahr, aber eben auch als Nachholimpfung bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, jeweils mit zwei Dosen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten. Erst nach dem vollendeten 21. Lebensjahr muss mit drei Dosen geimpft werden.
Meningokokken
Unverändert sind unter den Kindern vor allem jene im 1. Lebensjahr bzw. vor dem 4. Geburtstag von Meningokokkeninfektionen betroffen. Die jährliche Inzidenz dieser Erkrankungen ist seit 2010 in Österreich kontinuierlich gesunken und hat 2021 einen Tiefpunkt erreicht. „Hier haben die Pandemiemaßnahmen eine gewisse Rolle gespielt“, berichtete Zwiauer.
Was die Verteilung der Serotypen angeht, so zeigen europäische Daten von 2018, dass – über alle Altersgruppen hinweg – die Serogruppe B 51% aller Fälle ausmachte. 18% waren durch Serogruppe W, 15% durch C und 12% durch Y verursacht. Bei Säuglingen und Kleinkindern (0–4) ist diese Verteilung noch einmal anders, hier machen die B-Fälle 71%, W und Y zusammen 15% aus.
Die aktuelle Impfempfehlung sagt, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowohl gegen B als auch gegen A/C/W135/Y geimpft werden sollen. „Leider ist die Impfung gegen Meningokokken B noch nicht im kostenfreien Impfprogramm enthalten, obwohl wir uns das im Nationalen Impfgremium schon lange wünschen“, bedauerte der Kinderarzt.
Neu ist jedenfalls die Empfehlung, die Vierfachimpfung gegen A/C/W135/Y schon ab dem 13. Lebensmonat zu verabreichen. Eine monovalente Impfung gegen Meningokokken C ist zwar weiterhin möglich, aber nur bei Nicht-Risikokindern. „Hier stellt sich die Frage, ob das sinnvoll ist“, so Zwiauer.
Im Schulalter sollte die Impfung gegen A/C/W135/Y – unabhängig davon, ob eine solche Impfung schon im Säuglings- bzw. Kleinkindalter verabreicht wurde oder nicht – zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr verabreicht werden, weil es in dieser Altersgruppe einen zweiten Erkrankungsgipfel gibt.
Pneumokokken
Die Inzidenz von Pneumokokkenerkrankungen ist im Kindesalter ähnlich wie jene der Meningokokken – es sind auch hier vor allem Säuglinge und Kleinkinder unter 4 Jahren betroffen. Allerdings gibt es bei Pneumokokken einen zweiten Erkrankungsgipfel bei Menschen ab 65 Jahren. Der epidemiologische Trend ist hier allerdings anders – es gibt eher einen Anstieg, der lediglich durch die Pandemie unterbrochen wurde. Bei den unter5-Jährigen dominieren die Serotypen 3 und 19A, die durch alle Pneumokokkenimpfstoffe abgedeckt werden.
Wurden früher vor allem Polysaccharidimpfstoffe verwendet, gibt es seit dem Jahr 2000 konjugierte Impfstoffe. Die neuesten Entwicklungen sind hier ein 15- (PCV15) und ein 20-valenter Impfstoff (PCV20). PCV15 ist im kostenfreien Impfprogramm für Kinder enthalten. Diese Vakzine ist sowohl für Erwachsene als auch für Säuglinge, Kinder und Jugendliche zugelassen. „Bezüglich des problematischen Serotyps 3 zeigte PCV15 im Vergleich zu PCV13 eine signifikant bessere Immunogenität“, berichtete der Impfexperte.
Die Impfempfehlung lautet: Verabreichung im 3., 5. und dann 12. bis 14. Lebensmonat, gleichzeitig mit der Sechsfachimpfung. Risikokinder sollen, im Sinne eines Catch-up-Programms, bis zum 5. Lebensjahr geimpft werden. Aktuelle Informationen zu Impfungen finden sich auf der Website impfen.gv.at .
Quelle:
„Neues aus dem Kinderimpfprogramm“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, St. Pölten, im Rahmen des Giftigen Live-Streams „Notwendige Impfungen im Herbst und deren Organisation“ am 12. Oktober 2023; zu sehen in der Mediathek unter www.infektiologie.co.at
Literatur:
beim Vortragenden
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