Helicobacter pylori: Was bleibt, was ändert sich?
Autor:
Prof. Dr. Joachim Labenz
Privatpraxis am Diakonie Klinikum
Jung-Stilling-Krankenhaus
Siegen
E-Mail: info@joachim-labenz.de
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Die Wiederentdeckung von Helicobacter pylori(HP) 1983 führte zu einem der größten Paradigmenwechsel in der Medizin: Die genuine Ulkuskrankheit, bis dahin als Säurekrankheit eingeschätzt und oftmals mit verstümmelnden Operationen behandelt, wurde zu einer heilbaren Infektionskrankheit. Zu Recht erhielten die beiden australischen Forscher Robin Warren (Pathologe) und Barry Marshall (Internist) dafür 2005 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Kürzlich wurde die entsprechende S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) adaptiert, in der u.a. der internationale Paradigmenwechsel in der Therapie umgesetzt wurde.
Keypoints
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Eine HP-Infektion ohne Gastritis gibt es nicht.
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Die HP-Gastritis ist unabhängig von Symptomen und Läsionen eine Infektionskrankheit und damit immer eine Therapieindikation.
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Ein HP-Screening soll bei Patienten mit Risiko für ein Magenkarzinom durchgeführt werden.
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Endoskopie-basierte und nichtinvasive Diagnostikverfahren werden je nach klinischer Fragestellung eingesetzt.
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Therapie der ersten Wahl ist die Bismut-Quadrupel-Therapie.
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Therapieversager sollen unter Berücksichtigung der individuellen Resistenzlage behandelt werden.
Helicobacter pylori (HP) ist nach Karies vermutlich die häufigste Infektionskrankheit der Welt. Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung ist damit infiziert.1 Auch in Deutschland dürften noch etwa 30% der Erwachsenen infiziert sein. Die Übertragung der Infektion erfolgt im Vorschulalter (Abb. 1). In entwickelten Ländern dominiert vermutlich der oral-orale Übertragungsweg. Hauptinfektionsquelle sind infizierte Personen im familiären Umfeld.2
Abb. 1: Klinische Folgen einer Helicobacter-pylori-Infektion (modifiziert nach Labenz J et al. 2020)2
Klinische Folgen im Gastrointestinaltrakt
Gastritis
HP ist keine invasive Infektion. Durch die Interaktion des Bakteriums mit gastralen Epithelien wird eine komplexe Immunreaktion ausgelöst, die phänotypisch obligat zum Bild der chronischen aktiven Gastritis (Typ B) führt, einem Nebeneinander von Zeichen der unspezifischen Immunantwort mit neutrophilen Granulozyten und der spezifischen Reaktion mit Lymphozyten und Plasmazellen. Darüber hinaus greift der Keim über eigene Produkte und die induzierte Immunreaktion in die Magenphysiologie ein. Handelt es sich zum Beispiel um eine antrumdominante Gastritis, wird die Säureproduktion gesteigert, ist die Entzündungsreaktion im Corpus dagegen stärker ausgeprägt, kommt es zu einer Säurehemmung, etwa durch Interleukin1β. Atrophie und intestinale Metaplasie sind mit einem erhöhten Risiko für das Magenkarzinom assoziiert.3 Rund 80% der chronisch Infizierten bleiben zeitlebens asymptomatisch, jeder fünfte wird dagegen krank (Abb. 1).
Ulkus, Karzinom und MALT-Lymphom
HP ist in der Pathogenese der genuinen duodenalen und gastralen Ulkuskrankheit unter Benutzung von Begriffen der konditionalen Logik eine notwendige, für sich allein aber nicht hinreichende Bedingung. Mit anderen Worten: „ohne HP kein Ulkus“. Der alte Lehrsatz „Ohne Säure kein Ulkus“, der seit 1910 gilt, ist dadurch nicht außer Kraft gesetzt, sondern zum „Ohne Säure und ohne HP kein Ulkus“ erweitert worden. Darüber hinaus erhöht HP das Risiko für Ulzera unter ASS und NSAR.3
Patienten mit HP-Infektion haben global ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für ein Magenkarzinom. Aktuelle Analysen haben die synergistische Relevanz der Infektion und von genetischen Defekten im Bereich von DNA-Reparaturgenen eindrucksvoll gezeigt.2,3 Neben der familiären Disposition sind histologische Risikomarker wie eine stärkere Ausprägung der Corpusgastritis, eine intestinale Metaplasie und eine Atrophie bedeutsam. Eine placebokontrollierte Studie mit einem Follow-up von 26,5 Jahren zeigte eine Reduktion der Magenkarzinominzidenz von 43%.4 Bei erstgradigen Verwandten von Magenkarzinompatienten kann durch eine Eradikation der Infektion das Magenkarzinomrisiko halbiert werden.5
Das MALT-Lymphom („mucosa-associated lymphoid tissue“) des Magens ist eng und kausal mit der HP-Infektion assoziiert. Das Lymphomwachstum hängt von HP als antigenem Stimulus ab. Heute ist die HP-Eradikation die Therapie der Wahl bei frühen Stadien, in denen das Lymphom noch auf die Magenwand begrenzt ist.3
Reizmagen
Patienten mit HP-Infektion haben ein erhöhtes Risiko, an einem Reizmagen zu erkranken. Die Sanierung der Infektion bei HP-positivem Reizmagen führt bei einem Teil der Patienten zur Beseitigung oder zur Linderung der Symptome.6 Es gibt allerdings keine zuverlässigen Prädiktoren für diesen Therapieerfolg, sodass die Differenzierung in HP-assoziierte Dyspepsie und Reizmagen im engeren Sinne erst nach einer Eradikation der Infektion getroffen werden kann.
Extragastrale Manifestationen
Die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP, M. Werlhof) ist eine gesicherte Indikation zur HP-Diagnostik und -Therapie. Bei etwa der Hälfte der Patienten kann mit einem Anstieg der Thrombozyten nach HP-Eradikation gerechnet werden.3 Auch bei einer chronischen Eisenmangelanämie kann nach sorgfältigem Ausschluss einer anderen Ursache eine HP-Eradikation erfolgen, da randomisierte und kontrollierte Studien einen Therapieeffekt belegt haben.
Helicobacter-pylori-Screening – bei wem und wie?
Allen Personen mit einem erhöhten Risiko für ein Magenkarzinom (erstgradige Verwandte von Magenkarzinompatienten, Personen aus Hochprävalenzländern wie Ländern in Asien, Osteuropa, Südamerika) soll eine entsprechende Diagnostik angeboten werden.3 Ab einem Alter von 40 Jahren wird ein endoskopisches Screening empfohlen. Eine durchaus sinnvolle Option ist die Kombination des HP-Screenings mit der Vorsorgekoloskopie.
HP-Diagnostik: Wann ist welcher Test angezeigt?
Zur Diagnose einer HP-Infektion stehen invasive (Endoskopie erforderlich) und nichtinvasive Methoden zur Verfügung, die unterschiedliche Sensitivitäten und Spezifitäten aufweisen (Tab. 1).3 Darüber hinaus kann unterschieden werden zwischen direkten, den Keim oder seine Bestandteile nachweisenden Tests und indirekten Nachweisverfahren. Letztere beruhen auf der Detektion der Urease-Aktivität oder einer Immunantwort. Festzuhalten bleibt, dass es keinen diagnostischen Goldstandard gibt. Die Kultur ist spezifisch, ein Verfahren mit 100%iger Sensitivität gibt es allerdings nicht. Voraussetzung für eine Therapie ist der zuverlässige Nachweis einer aktuellen Infektion, dies leisten die Antikörper im Blut nicht. Dementsprechend spielt die Serologie in Deutschland keine wesentliche Rolle – allenfalls als Ausschlussdiagnostik.
Tab. 1: Sensitivitäten und Spezifitäten invasiver und nichtinvasiver Testverfahren zum Nachweis einer HP-Infektion (modifiziert nach Choi IJ et al. 2020)5
Vorbehandlungen mit Antibiotika und Protonenpumpenhemmern (PPI) können zu einer Suppression der HP-Besiedlung im Magen führen und damit falsch-negative Testergebnisse hervorrufen. Aus diesem Grund empfiehlt sich ein zweiwöchiges Intervall zwischen Einnahme von PPI bzw. von vier Wochen nach Antibiotika-Therapie und HP-Diagnostik.
In Abbildung 2 sind die aktuellen deutschen Empfehlungen zur HP-Diagnostik zusammengefasst.3 Da der Nachweis der Infektion immer eine Behandlung impliziert, sollte man sich vor Einleitung der Diagnostik darüber Gedanken machen, ob man im Falle eines Keimnachweises auch behandeln würde. Darüber hinaus ist es wichtig, die Frage zu klären, ob der endoskopische (und damit auch histologische) Befund für die Therapieentscheidung relevant ist. Sollte dies verneint werden, genügt ein nichtinvasiver Keimnachweis mittels 13C-Harnstoff-Atemtest oder monoklonalen Stuhl-Antigentests.
Abb. 2: Algorithmus zur Diagnostik einer Helicobacter-pylori-Infektion (modifiziert nach S2k-Leitlinie Helicobacter pylori 2022)3
Im aktuellen Therapiekonzept spielt die Resistenzbestimmung eine größere Rolle als bisher. Wegen Zunahme der Primär-resistenz von HP gegen Clarithromycin und Levofloxacin sollten diese Antibiotika ohne vorangehende Resistenzprüfung nicht mehr eingesetzt werden.Die Kultur ist aufwendig und störanfällig. Eine gute Alternative ist die Resistenzbestimmung mittels PCR aus den Biopsien.3
Eine Therapiekontrolle soll nach jeder HP-Eradikation erfolgen.3 Diese ist frühestens vier Wochen nach Ende der Therapie mit genügender Treffsicherheit möglich (auch PPI müssen mindestens zwei Wochen pausiert sein!). Geeignet sind sowohl der 13C-Harnstoff-Atemtest als auch ein monoklonaler Stuhl-Antigentest. Bei Patienten mit Ulcus ventriculi, Status nach kompliziertem Ulkus oder MALT-Lymphom ist eine endoskopische Kontrolle zwingend erforderlich, die dann mit einer bioptischen Prüfung des Therapieerfolgs kombiniert werden kann.
Indikation zur Therapie der HP-Infektion: Paradigmenwechsel
International und jetzt erstmals auch in der neuen deutschen Leitlinie hat ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Indikation für die Therapie stattgefunden. Dieser beruht einerseits auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Verlauf einer HP-Gastritis nicht zuverlässig vorhergesagt werden kann. Andererseits auf überzeugenden wissenschaftlichen Daten, dass durch eine HP-Eradikation das Risiko für Magenkarzinome und peptische Ulzera – auch induziert durch NSAR – drastisch gesenkt werden kann. Die HP-Gastritis ist demnach eine Infektionskrankheit unabhängig von Symptomen und Folgekrankheiten.3 Diese Feststellung impliziert, dass bei Nachweis einer HP-Infektion auch immer eine Therapieindikation vorliegt.
HP-Therapie: Umdenken ist angezeigt
Der bisherige Therapiestandard, eine einwöchige PPI-Tripel-Therapie, kann wegen zunehmender Resistenzentwicklung nicht mehr empfohlen werden. In der aktuellen Leitlinie der DGVS wird daher ein Paradigmenwechsel in der Therapie vollzogen.3 Zur Erstlinienbehandlung wird – sofern keine Resistenzbestimmung vorliegt – nur noch die Bismut-Quadrupel-Therapie (BQT; PPI + Bismut + Tetrazyklin + Metronidazol) über zehn Tage empfohlen (Abb. 3). Dieses Regime ist trotz seiner Komplexität mit 14 Tabletten pro Tag verteilt auf vier Einnahmezeitpunkte in zahlreichen Studien, Metaanalysen und auch großen Registerstudien erfolgreich bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil.
Abb. 3: Algorithmus zur Therapie der Helicobacter-pylori-Infektion (modifiziert nach S2k-Leitlinie Helicobacter pylori 2022)3
Sollte diese Therapie nicht zur Sanierungder Infektion führen, empfiehlt sich im nächsten Schritt eine zweiwöchige Behandlung mit einer PPI-Tripel-Therapie (Abb. 3). Anhand des Resistogramms sollten zwei der vier Antibiotika Amoxicillin, Clarithromycin, Levofloxacin, Metronidazol ausgewählt werden. Sollte auch diese Therapie versagen, empfiehlt sich eine individualisierte Behandlung durch einen in der Therapie besonders erfahrenen Spezialisten.
Helicobacter-pylori-Reinfektionen
Das Reinfektionsrisiko ist in Ländern der westlichen Welt gering (<1%/Jahr), sofern eine empfohlene Therapie adäquat ausgeführt und vier Wochen oder mehr nach Beendigung der Behandlung mit geeigneten Methoden nach einer Persistenz der Infektion gesucht wurde. Dementsprechend wird keine routinemäßige Überprüfung des Infektionsstatus empfohlen.
Literatur:
1 Zamani M et al.: Systematic review with meta-analysis: the worldwide prevalence of Helicobacter pylori infection. Aliment Pharmacol Ther 2018; 47: 868-76 2 Labenz J et al.: Gastritis: Update 2020. Gastroenterologie up2date 2020; 16: 277-300 3 Fischbach W et al.: Aktualisierte S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) 2022. Z Gastroenterol 2023; 61: 544-606 4 Yan L et al.: Effect of Helicobacter pylori eradication on gastric cancer prevention: updated report from a randomized controlled trial with 26.5 years of follow-up. Gastroenterology 2022; 163: 154-62 5 Choi IJ et al.: Family history of gastric cancer and Helicobacter pylori treatment. N Engl J Med 2020; 382: 427-36 6 Ford AC et al.: Efficacy of Helicobacter pylori eradication therapy for functional dyspepsia: updated systematic review and meta-analysis. Gut 2022; 71: 1967-75
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