Krebserkrankungen: Vorsorge und Früherkennung in Österreich
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe
E-Mail: sevelda@aon.at
Ein gesunder Lebensstil ist die Vorsorgemaßnahme Nummer 1 im Kampf gegen Krebserkrankungen – das Bewusstsein dafür ist hierzulande allerdings verbesserungswürdig. Daher sind Früherkennungsprogramme, aber auch präventive Impfungen wichtige Instrumente, um Todesfälle aufgrund von Krebserkrankungen zu verhindern.
Keypoints
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Die HPV-Impfung in jungen Jahren sowie die Testung auf HPV können einen Großteil der Gebärmutterhalskrebsfälle verhindern.
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Das organisierte Mammografiescreeningprogramm ist ein wirksames Mittel zur Früherkennung des Mammakarzinoms, die Teilnahmeraten liegen jedoch weit unter den geforderten 70%.
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Zur Früherkennung eines Dickdarmkarzinoms wurde ein Screening-Programm initiiert, das vorab in drei Modellregionen etabliert werden soll.
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Das zentrale Element der Prostatakrebs-Früherkennung ist die Bestimmung des PSA-Wertes.
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Eine Studie zeigte den Erfolg von Low-Dose-CT-Untersuchungen zur Früherkennung von Lungenkrebs, diese Erkenntnisse haben jedoch noch keinen Eingang in die Praxis gefunden.
Der Europäische Kodex gegen Krebs geht davon aus, dass mit 12 Empfehlungen 50% aller Krebstodesfälle in Europa vermieden werden könnten. Vor allem unser Lebensstil wäre in der Lage, unser persönliches Krebserkrankungsrisiko deutlich zu minimieren. Dies wäre echte Vorsorge, nämlich dass man die Entstehung einer Krebserkrankung verhindert. Dies ist möglich, wenn man die folgenden Empfehlungen, wobei hier nur die wichtigsten aufgezählt werden, einhält. An 1. Stelle stehen der Bewegungsmangel sowie die ungesunde Ernährung und als deren Folge die Fettleibigkeit, an 2. Stelle ist der Nikotinkonsum in jeglicher Form zu nennen. Übermäßiger Alkoholkonsum ist ebenso schädlich wie übermäßige Sonnenbelastung und natürlich ist die Entfernung von Krebsvorstufen wie der höhergradigen Dysplasie der Zervix oder der Darmadenomen auch präventiv wirksam.
HPV: Impfung als Prävention
Auch haben wir seit einigen Jahren Impfungen, die die Krebsentstehung verhindern können, ja sogar zu einer Elimination, z.B. von Gebärmutterhalskrebs durch die HPV-Impfung, führen könnten. Die WHO hat das Ziel ausgegeben, bis 2030 durch eine HPV-Durchimpfungsrate bei den 15-Jährigen von mindestens 90% und durch die Früherkennungsuntersuchung mittels HPV-Test ab dem 30. Lebensjahr diese Krebserkrankung zu eliminieren.
In Österreich haben wir zwar ein großzügiges kostenloses HPV-Impfprogramm vom 9. bis 21. Lebensjahr mit 2 Impfungen in 6- bis 8-monatigen Abständen, aber die Teilnahmerate ist noch weit von den 90% der WHO-Forderung entfernt. Zusätzlich zur Impfung der Jugend ist die Krebsfrüherkennung gemäß den Forderungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft und der Österreichischen Krebshilfe von der jährlichen Pap-Abstrichentnahme hin zu einer HPV-Test-orientierten Früherkennung ab dem 30. Lebensjahr zu ändern. Gefordert wird zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr weiterhin der Pap-Abstrich in jährlichem Abstand, da in dieser Altersgruppe der Anteil an HPV-positiven Befunden relativ hoch wäre und glücklicherweise die allermeisten dieser Infektionen unbemerkt und ganz von alleine wieder verschwinden. Ab 30 Jahren sollte zumindest alle drei Jahre ein HPV-Test durchgeführt werden, und wenn dieser negativ ist, dann kann man beruhigt die nächste Früherkennungsuntersuchung in drei Jahren durchführen. Bei einem positiven Nachweis von HPV-High-Risk-Viren sind dann die Zytologie und Kolposkopie mit einer eventuellen Biopsie der weiterführende Abklärungsschritt.
Wie Langzeitdaten der 1. HPV-Impfstudien zeigen konnten, ist tatsächlich die Vermeidung nicht nur des Zervixkarzinoms, sondern vor allem von dessen Vorstufe, der schweren Dysplasie, zu nahezu 100% erreichbar. Immerhin werden in Österreich jährlich mehr als 6000 Konisationen durchgeführt, eine Operation, bei der ein Kegel aus dem Gebärmutterhals herausgeschnitten wird. Auch wenn dies ein kleiner Eingriff ist, kann er schwerwiegende Folgen für die Frau haben, wie Einschränkung der Fertilität oder auch Frühgeburtlichkeit. Darüber hinaus haben wir bei ca. 60000 Frauen in Österreich jährlich einen verdächtigen Krebsabstrich, der eine weiterführende Diagnostik erfordert.
Früherkennung des Mammakarzinoms
Seit 2014 haben wir in Österreich ein organisiertes Mammografiescreening zur Früherkennung des Mammakarzinoms. Zwischen 45 und 74 Jahren erhält jede Frau in Österreich ein Einladungsschreiben, zur Brustkrebsfrüherkennungsuntersuchung zu gehen. Diese besteht aus einer Mammografie und bei dichtem Drüsengewebe auch aus einer Sonografie. Damit konnte die diagnostische Qualität der Screeninguntersuchung auf höchstem Niveau etabliert werden. 71% aller Screeninguntersuchungen der Mamma werden durch die Sonografie ergänzt, 4% der Untersuchungen ergeben einen BIRADS-III-Befund, der eine weiterführende Abklärung durch Kontrolle in sechs Monaten oder MRT-Untersuchung erforderlich macht, und bei ca. 1% ist eine diagnostische Biopsie erforderlich. Die Sensitivität beträgt 75%, die Spezifität 99%. Der positive Vorhersagewert beträgt 26% und 77% der entdeckten Karzinome waren entweder In-situ-Karzinome oder im Stadium I mit negativen Lymphknoten und kleiner als 2cm. Damit erfüllt das Screeningprogramm die erforderlichen Qualitätswerte, aber auch hier liegt die Teilnahmerate um die 50% und somit weit unter den geforderten 70%. Frauen zwischen 40 und 44 Jahren sowie ab 75 Jahren können sich niederschwellig über www.frueh-erkennen.at für das Programm melden („opt-in“).
Dickdarmkarzinom: Screeningprogramm
Noch in dieser Legislaturperiode soll ein organisiertes Dickdarmkarzinom-Früherkennungsprogramm kommen. Auf Basis wissenschaftlicher Evidenz wurde vom Österreichischen Screening-Komitee die Darmspiegelung alle 10 Jahre bei unauffälligem Befund vom 45. bis 65. Lebensjahr, fakultativ bis zum 75. Lebensjahr, oder ein immunologischer Blutstuhltest (FIT) alle 2 Jahre als gleichwertige Untersuchung empfohlen. Allerdings ist nur die Koloskopie mit Entfernung von Adenomen als Präventionsmaßnahme zu sehen, wogegen der Blutstuhltest als eine Früherkennungsmaßnahme mit der nachfolgenden Koloskopie gesehen werden kann, aber nicht als Prävention. Es soll schon bald in drei Modellregionen mit diesem neuen organisierten Früherkennungsprogramm begonnen werden. Entscheidend für den Erfolg werden einerseits die Teilnahmeraten sein und andererseits auch die Qualität der Dokumentation der Daten zur Qualitätssicherung. Dafür wird es natürlich notwendig sein, dass sich alle neun Bundesländer auf ein einheitliches Screeningprogramm verständigen und es auch umsetzen.
Tasten und PSA-Bestimmung: Früherkennung des Prostatakarzinoms
Männer sind wesentlich schwieriger zu motivieren, Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Früherkennungsprogramme für das Prostatakarzinomwerden schon lange diskutiert. Ein organisiertes Screening dafür gibt es nicht, da die wissenschaftliche Evidenz im Hinblick auf eine Reduktion der Mortalität durch die Früherkennungsuntersuchung mittels PSA-Bestimmung und rektaler Tastuntersuchung zumindest widersprüchlich ist. Die derzeit gültige Empfehlung lautet, ab dem 45. Geburtstag in regelmäßigen Abständen eine rektale Tastuntersuchung sowie die PSA-Bestimmung und eventuell einen ergänzenden Ultraschall durchzuführen. Eine erst kürzlich präsentierte Untersuchung der Medizinischen Universität Wien hat jedoch die Wertigkeit der rektalen Tastuntersuchung zur Früherkennung infrage gestellt. Zentrales Element für die Prostatakrebs-Früherkennung ist der PSA-Wert und nicht die rektale Tastuntersuchung. Ein auffälliger PSA-Blutwert sollte jedenfalls auch kontrolliert werden und davon abhängig sind dann allenfalls weitere diagnostische Schritte wie MRT und MRT-gezielte Biopsie erforderlich. Es liegt derzeit an der wissenschaftlichen Gesellschaft für Urologie, die Früherkennungsempfehlungen für die Männer zu aktualisieren und dann auch der breiten Bevölkerung vorzuführen.
Lungenkarzinom: Low-Dose-CT
Schließlich gibt es auch überzeugende Evidenz, dass man durch Low-Dose-CT-Untersuchungen der Lunge eine Mortalitätsreduktion beim Lungenkarzinom erzielen kann. Dies wurde bei Menschen, die mehr als 15 Jahre lang mehr als 15 Zigaretten/Tag oder mehr als 10 Zigaretten/Tag über 30 Jahre lang geraucht haben, mit der Nelson-Studie untersucht und im New England Journal of Medicine im Jahr 2020 auch publiziert. Allerdings sind wir noch weit davon entfernt, diese Früherkennungsuntersuchung in Österreich anzubieten. Es fehlen die Empfehlung der wissenschaftlichen Gesellschaft und auch die Grundlage für die Low-Dose-CT-Untersuchungen, die in dieser Studie insgesamt 4x im Zeitabstand von 0, 1, 3 und 5,5 Jahren durchgeführt wurde. Damit konnte bei der Zielbevölkerung der regelmäßigen und starken Raucher eine Mortalitätsreduktion um 24% erzielt werden. Dennoch ist gerade beim Lungenkarzinom der Prävention bei unseren Jugendlichen absoluter Vorrang zu geben. Immer noch ist der Anteil jugendlicher Raucher in Österreich mit ca. 20% deutlich zu hoch.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil in Österreich deutlich verbesserbarist. Es braucht dafür eine Unterstützung in allen Bereichen unseres Lebens. Wir müssen gesundheitsrelevante Verhaltensformen wie Bewegung, Vermeidung von Übergewicht, Nikotinabstinenz, sinnvollen Umgang mit Sonneneinwirkung in unser tägliches Leben integrieren – beginnend im Kindergarten, dann in der Schule und natürlich auch am Arbeitsplatz. Es gab wichtige Fortschritte in den letzten Jahren wie den Nichtraucherschutz in der Gastronomie, das organisierte Mammografie-Screeningprogramm oder die kostenlose HPV-Impfung. Aber es gibt noch viel Luft nach oben, was die Rate der Teilnahme an diesen Programmen und die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung betrifft und dahingehend, was die Politik auch an Maßnahmen für ein gesundes Leben, wie zum Beispiel die seit Jahrzehnten versprochene tägliche Turnstunde, bereit ist, umzusetzen.
Literatur:
beim Verfasser
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