Umfrage zur Fachausbildung
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
Im Rahmen der ÖGGH-Jahrestagung präsentierten Dr. Julian Prosenz, St. Pölten, und Dr. Jasmin Zessner-Spitzenberg, Wien, einen Auszug der Ergebnisse der aktuellen young-ÖGGH-Umfrage zum Stand der Gastroenterologie- und Hepatologieausbildung in Österreich. Die Ergebnisse lassen staunen.
Wir wissen sehr wenig darüber, wie der Facharztkatalog funktioniert bzw. wie er in qualitativer Weise umgesetzt wird“, erklärte Zessner-Spitzenberg eingangs. Dazu gäbe es zwar regelmäßige Umfragen der Ärztekammer, die allerdings kaum fachspezifische Fragen enthalten würden. Die vorgestellte young-ÖGGH-Umfrage orientierte sich an der Ausbildungsumfrage der deutschen JUGA(AG Junge Gastroenterologie)-Umfrage von 2022, an der 1000 Personen, darunter 123 Assistenzärzt:innen, teilgenommen hatten. „Wir sind stolz, dass wir bei unserer Umfrage eine Beteiligung von rund 70% der Assistenzärzt:innen erreicht haben sowie auch zahlreiche leitende Ärzt:innen und Primarärzt:innen (ca. 85% der gastroenterologischen Abteilungsleiter:innen) bzw. Ausbildungsverantwortliche“, so Zessner-Spitzenberg. Die Subgruppe der Assistenzärzt:innen umfasste 77 Personen und zusätzlich 21 Ärzt:innen in der Zusatzfachausbildung, d.h. 98 Auszubildende, darunter 53,1% Frauen und 86,7% Vollzeitangestellte. Die Befragung umfasste die Schwerpunkte aktuelle Ausbildungsstruktur, Bewertung der Ausbildungsqualität und „Wie soll die Ausbildung aussehen?“.
Ausbildungsstruktur und -qualität
Bei der Frage nach einem (internen) Ausbildungsplan zeigte sich, dass es diesen zwar laut den leitenden Ärzt:innen bzw. Ausbildungsverantwortlichen an der Mehrheit der Institutionen gibt, diese Tatsache bzw. der Inhalt allerdings vielen Assistenzärzt:innen nicht bekannt ist. An den meisten Institutionen gibt es laut der Umfrage Ausbildungsverantwortliche, die Angabe, ob esmit diesen Feedback-Gespräche gibt, haben88% der leitenden Ärzt:innen, aber nur 42%der Assistenzärzt:innen, mit „ja“ beantwortet.
Weiters wurde gefragt, ob der weitere Berufsweg und die gewünschte Subspezialisierung Beachtung in der Ausbildung finden bzw. ob der Ausbildungsstand regelmäßig evaluiert wird. Auch hier zeichnete sich eine große Diskrepanz zwischen den Assistenzärzt:innen und den Ausbildungsverantwortlichen ab. Nur 28,2% der Assistenzärzt:innen gaben an, dass Ziele definiert wurden, bei den Ausbildungsverantwortlichen waren es 54,5%. 30,5% der Assistenzärzt:innen gaben an, dass die gewünschte Subspezialisierung in der Ausbildung berücksichtigt werde, während das bei 78% der leitenden Ärzt:innen der Fall war.
Die allgemeine Ausbildungsqualität wurde von den Institutsleiter:innen zu 100% als sehr gut oder gut bewertet, dem entgegengesetzt gaben 35% der Auszubildenden eine schlechte oder sehr schlechte Bewertung ab, wie Prosenz weiter ausführte. Auch bezüglich des regelmäßigen Feedbacks waren große Unterschiede auszumachen: 56% der Assistenzärzt:innen bekamen laut eigenen Angaben im Rahmen ihrer Ausbildung keine regelmäßige Rückmeldung.
Die Ausbildungsqualität in den einzelnen Fachbereichen variiert stark: Bei der Funktionsdiagnostik gibt es laut den Bewertungen großen Verbesserungsbedarf, 84% der Assistenzärzt:innen stufen die Ausbildungsqualität in diesem Bereich als schlecht oder sehr schlecht ein. Etwas besser fallen die Ergebnisse in den Bereichen Endoskopie (39% schlecht/sehr schlecht) und Ultraschall (46% schlecht/sehr schlecht) aus. Interessant war die Bewertung der Ausbildungsverantwortlichen: 57% haben die Ausbildungsqualität im Bereich Funktionsdiagnostik negativ (schlecht/sehr schlecht) bewertet, bei Endoskopie waren es 11%, bei Ultraschall 17%.
Wie soll die Ausbildung aussehen?
Zu diesem Punkt wurde gefragt, ob bei der klinischen Arbeit und im Bereich Ultraschall lieber selbstständig oder „unter Aufsicht“ bzw. angeleitet oder nur observierend gearbeitet werden soll. Bei der klinischen Arbeit sprach sich die Mehrheit der Auszubildenden dafür aus, eher selbstständig (51,9%) bzw. selbstständig (24,7%) arbeiten zu wollen. Im Bereich Ultraschall möchten hingegen mehr unter engerer Supervision, konkret eher angeleitet (28%) bzw. angeleitet (26,8%) arbeiten. Die Mehrzahl der Institutsleiter:innen (79%) sowie der Assistenzärzt:innen (65%) sprach sich dafür aus, dass im Rahmen der Ausbildung an andere Institutionen rotiert werden sollte. Diese Ergebnisse spiegeln auch weitgehend die Meinung der Ausbildungsverantwortlichen wider.
Zudem wurde gefragt, ob fortgeschrittene Endoskopietechniken (ERCP, EUS) im Rahmen einer neuen Zusatzweiterbildung „interventionelle Endoskopie“ erlernt werden sollen: 83% der Institutsleiter:innen und 68% der Assistenzärzt:innen stimmten dafür, diese Ausbildungen auszulagern, somit ist in diesem Bereich eine große Übereinstimmung der Assistenzärzt:innen und leitenden Ärzt:innen zu verzeichnen.
Kommentar der Initiator:innen
„Wir haben ein aktuelles und sensibles Thema angesprochen.“
Welche Ergebnisse haben Sie am meisten überrascht bzw. welche halten Sie für die wichtigsten?
J. Prosenz: Vorweg, am meisten hat mich nicht ein Inhalt, sondern die überwältigende Teilnahme der Auszubildenden und Abteilungsleiter:innen in Österreich überrascht – einerseits ein Riesenerfolg für die Umfrage, andererseits zeigt dies auf, wie wichtig diese Umfrage ist und wie ernst über eine Verbesserung der Ausbildung von allen Seiten nachgedacht wird. Überraschend waren meiner Ansicht nach die ziemlich große Übereinstimmung aller Teilnehmenden bezüglich Rotation an andere Krankenhäuser – die gibt es in Österreich bisher nicht in der Ausbildung – und der Wunsch nach einer international auch bereits diskutierten Zusatzweiterbildung „advanced endoscopy“. Hier sind wir in Österreich übrigens schon weit, es gibt seit Kurzem das „Endoskopie-Zertifikat“. Wichtig finde ich persönlich auch die durch die Umfrage klar aufgezeigte Divergenz zwischen Wahrnehmungen: Ausbildende sind davon überzeugt, dass es einen Ausbildungsplan gibt, sie bilden aktiv aus, sie geben regelmäßiges Feedback, während die andere Seite das nicht so wahrnimmt. Erfreulich ist, dass hier relativ leicht etwas verbessert werden kann.
J. Zessner-Spitzenberg: Durch die hohe Teilnahmerate haben wir gemerkt, dass wir ein aktuelles und sensibles Thema für Österreichs Ärztinnen und Ärzte in der Gastroenterologie und Hepatologie angesprochen haben. Dass sich die Wahrnehmung sowohl der Ausbildung als auch des Klinikalltags im Allgemeinen von den verschiedenen Karrierestufen der Ärzt:innen unterscheidet, ist ein bekanntes Phänomen. Das hat sich auch schon bei der Umfrage unserer deutschen Kolleg:innen abgezeichnet. Dass die Spannbreiten zwischen Ausbildungsärzt:innen und leitenden Ärzt:innen dann in der Beurteilung der Ausbildungsqualität so weit waren, ist durchaus beeindruckend. Umso schöner war es, dass nicht nur die Umfrage, sondern auch die Ergebnisse insgesamt positiv von den leitenden Ärzt:innen am Hauptkongress aufgefasst wurden. Wir haben hiermit ein Momentum gewonnen, das viel Potenzial zur Verbesserung der Ausbildung hat.
Was sind die dringendsten To-dos, die sich Ihrer Meinung nach aus der Umfrage ergeben?
J. Prosenz: Ich denke, wir, die young ÖGGH, müssen jetzt kurz-, mittel- und langfristige To-dos ableiten – also welche, die sich schnell und einfach umsetzen lassen, und andere, die sicherlich dauern werden. Als dringlichste Maßnahme sollten wir einen „blueprint“ für Feedback und Entwicklungs-/Progressmeetings bereitstellen, damit sich die Auszubildenden strukturiertes Feedback holen können. Wir haben im Gespräch mit insbesondere Abteilungsleiter:innen gemerkt: Viele sind gerne bereit, Feedback zu geben, sie wünschen sich hier aber Initiative vonseiten der Assistenzärzt:innen. Als junger Auszubildender ist man aber vielleicht unsicher, hier aktiv zu werden. Also müssen wir, die young ÖGGH, hier einspringen und klarmachen bzw. Hilfe geben: 1. Du darfst und sollst das, und 2. so machst du das. Mehr Rückmeldungen, Feedback, „progress assessments“ sind einfach umzusetzen, aber würden die Ausbildungszufriedenheit meiner Ansicht nach schnell massiv steigern.
J. Zessner-Spitzenberg: Verbesserungswürdig sind sicherlich Ausbildungsinhalte, die von Ärzt:innen auf allen Ebenen als ungenügend beurteilt werden. Konkret hat sich die Ausbildung in der Funktionsdiagnostik als durchwegs mangelhaft gezeigt. Im Interesse einer Fachgesellschaft sollten Inhalte, die in einem Ausbildungskatalog gefordert werden, aber in der Praxis schwer umsetzbar sind, idealerweise durch Kurse vermittelt werden. Positiv ist zu bemerken, dass es bereits einen Kurs für HR-Manometrie der ÖGGH gibt. Hier kann man ansetzen und das Angebot ausbauen oder gegebenenfalls in den Ausbildungsplan integrieren. Es waren viele der Meinung, dass regelmäßige Fortbildungen ein wichtiger Teil der Ausbildung sind. Ein österreichweites, digitales Fortbildungsformat in regelmäßigen Abständen ist sicherlich etwas, das sich in Zukunft umsetzen lässt.
Gibt es schon konkrete Maßnahmen, die sich aufgrund der Ergebnisse abgeleitet haben?
J. Prosenz: Der Arbeitsgruppenleiter der young ÖGGH, Dr. Georg Semmler, hat bereits eine Aussendung an die Abteilungen vorbereitet, um das Thema Fortbildungen voranzutreiben, hier sind wir bereits in der Umsetzung. Die Entwicklung eines strukturierten Feedbackbogens mit Tipps & Tricks ist in Arbeit. Im Herbst werden wir dann in größerer Gruppe eine Aufgabenliste (insbesondere für mittel- und längerfristige Ziele) erarbeiten, das Meeting ist bereits angesetzt. Außerdem soll die Umfrage mit allen Ergebnissen natürlich veröffentlicht werden – das Paper ist kurz vor der Einreichung beim Journal.
J. Zessner-Spitzenberg: Auf nationaler Ebene können wir viel bewirken. Aber auch auf europäischer Ebene gibt es derzeit ein Bestreben, die Ausbildung in der Gastroenterologie und Hepatologie systematisch zu erfassen. Mit der „United European Gastroenterology“(UEG)- Gesellschaft sind wir bezüglich einer paneuropäischen Ausbildungsumfrage schon in Kontakt getreten.
Vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Das Interview führte: Dr. Katrin Spiesberger
Quelle:
„Ergebnisse der young-ÖGGH-Umfrage“, Vortrag im Rahmen der 57. ÖGGH-Jahrestagung & 34. Fortbildungskurs & 2. „Pre“-Symposium young ÖGGH am 12.Juni 2024
Das könnte Sie auch interessieren:
Neuste Entwicklungen in der Behandlung der akuten Divertikulitis
Die Inzidenz der Divertikulitis steigt mit zunehmendem Alter. Die Behandlung ist multimodal und muss sowohl dem Stadium der Divertikulitis als auch dem Patienten angepasst werden. Im ...
State of the Art: Chirurgie bei Morbus Crohn
Die chirurgische Behandlung von Morbus Crohn hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und erfordert ein zentrumsbasiertes und individualisiertes Therapiekonzept, das sich an ...
In der Stoma-Ambulanz: von der CED-Diagnose zur Stomaschulung
Nach der medizinischen Entscheidung für die Anlage eines Stomas und der ärztlichen Aufklärung über Operation und Stomaart sollte die Zuweisung zu einer Kontinenz- und Stomaberatung ...