„Nierenbiopsie wird noch Jahre der Standard sein“
Unser Gesprächspartner:
Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Andreas Kronbichler
Universitätsklinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hypertensiologie)
Medizinische Universität Innsbruck
Das Interview führte Dr. Felicitas Witte
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Eine Lupusnephritis ist der häufigste und zerstörerischste Organschaden bei systemischem Lupus erythematodes (SLE). Biomarker im Urin, die den Schaden frühzeitig anzeigen, könnten eine neue, nichtinvasive Methode sein, um die Diagnose früh zu stellen und rechtzeitig zu intervenieren. Forscher aus China haben einen Überblick über mögliche Biomarker gegeben.1 Prof. Kronbichler aus Innsbruck erklärt, was er von den Markern hält und warum die Nierenbiopsie noch lange der Goldstandard sein wird.
Halten Sie es für sinnvoll, nach Biomarkern zu suchen, die den Podozyten-Schaden anzeigen?
A. Kronbichler: Das ist nicht neu und hat durchaus Sinn. Ein Biomarker sollte idealerweise informativ sein. Das bedeutet im Falle der Lupusnephritis, dass er Therapieansprechen und Langzeitprognose vorhersagen kann – also renales Überleben und Mortalität – und dass er einen Hinweis auf das Risiko für schwere Komplikationen sowie Rezidive im Langzeitverlauf gibt. Die von den Kollegen beschriebenen Biomarker sind interessant. So korrelierte beispielsweise die CaMK4-Expression in Nierenbiopsien oder in Podozyten, die in den Harn sezerniert wurden, mit der Schwere der Lupusnephritis. Aber all diese Biomarker befinden sich noch im experimentellen Stadium. Damit sie den Weg in die Klinik finden, müssen sie besser sein als die Messung von Proteinurie und Hämaturie sowie die Bestimmung der histopathologischen Klasse der Lupusnephritis. Diesen Wert sehe ich bei den in der Arbeit beschriebenen Biomarkern zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht. Ein Biomarker sollte idealerweise zudem die Heterogenität der Krankheit abdecken sowie auch in unterschiedlichen Laboratorien dieselben Ergebnisse zeigen.
Es gibt andere, vielversprechende Biomarker. Zu erwähnen ist hier die lösliche Form von CD163 im Harn (sCD163).2 Dieser Marker wurde in verschiedenen Kohorten untersucht und konnte sowohl das zukünftige Ansprechen auf Therapie sowie ein zukünftiges Rezidiv der Lupusnephritis vorhersagen. Das sind für Kliniker relevante Endpunkte und machen diesen Biomarker attraktiv.
Also werden wir in naher Zukunft die Diagnose mit Biomarkern stellen?
A. Kronbichler: Ich glaube nicht. Alle Biomarker, auch sCD163, sind erstens noch im experimentellen Stadium, das heißt, sie müssen erst noch validiert werden, bis sie Einzug in die Praxis finden. Zweitens ist eine Implementierung in die klinische Routine kostspielig und ich bezweifle, dass die Urinbiomarker breiten Einsatz finden werden, da die Lupusnephritis eine seltene Erkrankung ist. Drittens sind all diese Biomarker sehr unspezifisch, das heißt, einen Podozytenschaden findet man auch bei anderen Nierenerkrankungen. Der Trend im Management der Lupusnephritis geht in eine andere Richtung.
In welche?
A. Kronbichler: Ich halte viel von Protokollbiopsien. Das bedeutet, Biopsien werden nur für gewisse Therapieentscheidungen herangezogen, etwa ob man die Erhaltungstherapie absetzen soll.
Wäre es nicht sinnvoller, auf Biopsien ganz zu verzichten und nur Biomarker zu Rate zu ziehen?
A. Kronbichler: Natürlich, denn die Biopsie ist eine invasive Methode. Aber ich sehe die Nierenbiopsie noch auf Jahre hinaus als Goldstandard. Studien aus Buenos Aires geben hier den Takt vor. Die „Biopsiestudie“ ReBioLup (Per-protocol Repeat Kidney Biopsy in Incident Cases of Lupus Nephritis) ist ein gutes Beispiel.3 Die Studienergebnisse können mit Spannung erwartet werden.
Warum sind die Nieren von SLE-Betroffenen so empfindlich, dass zwischen 30% und 60% eine Nierenbeteiligung haben?
A. Kronbichler: Die Niere ist ein zentrales Organ vieler systemischer Autoimmunerkrankungen. Sie arbeitet oft als „Ausguss“ und filtert dabei viele Substanzen. Bei Autoimmunerkrankungen kommt es oftmals zur Ablagerung von Entzündungszellen, die kontinuierlich entfernt werden müssen. Wird diese Kapazität überschritten, entwickelt sich auch in der Niere eine Autoimmunität mit der Folge eines nephrotischen (z.B. Lupusnephritis) oder nephritischen Syndroms (z.B. Anti-GBM-Erkrankung).
Warum bekommen manche SLE-Betroffene einen Nierenschaden und andere nicht?
A. Kronbichler: Die Regulierung des Nierenfilters durch fenestrierte Kapillaren, der glomerulären Basalmembran sowie der Podozyten ist komplex und wir haben sie nur zum Teil verstanden. Bei einem Podozytenschaden kommt es zumeist zu einem ausgeprägten Eiweißverlust über den Harn. Podozytenschäden können zu sekundären Schäden am Glomerulum führen: erstens zu Schäden der Basalmembran mit Ablagerung von Immunzellen, zweitens zu einer direkten Immunkomplex-Reaktion und drittens zu Schäden an Strukturproteinen, beispielsweise zur Entwicklung von Antikörpern wie gegen Nephrin bei „minimal change disease“. Vor allem die ersten beiden Mechanismen sind für die Entwicklung der Lupusnephritis von Relevanz.
Wie unterscheidet sich die Lupuspodozytopathie von einer „normalen“ Lupusnephritis?
A. Kronbichler: Podozytopathie ist ein Überbegriff zweier histopathologischer Läsionsmuster, die beide auch einen Erkrankungsnamen haben: einerseits die sogenannte „minimal change disease“, die durch eine normale Lichtmikroskopie und abnorme Elektronenmikroskopie („Podozytenfußfortsatzverschmelzung“) charakterisiert ist, und andererseits die fokal-segmentale Glomerulosklerose, die auch im Lichtmikroskop Veränderungen aufweist. Diese beiden Erkrankungen kommen bei einem geringen Prozentsatz der Patienten mit Lupusnephritis vor und werden separat durch den Pathologen berichtet. Bei einer Lupusnephritis Klasse 1 oder 2, welche per se nicht behandlungsbedürftig ist, besteht bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Podozytopathie allerdings eine Behandlungsindikation.
Was halten Sie – abgesehen vom Podozytenschaden – noch für relevant für die Pathogenese der Lupusnephritis?
A. Kronbichler: Den Podozytenschaden halte ich für wesentlich, aber ich denke, er ist ein sekundäres Phänomen. Andere Faktoren tragen meiner Meinung nach wesentlich mehr zur Entstehung der Lupusnephritis bei. Ich denke, die Ablagerung von Immunkomplexen spielt eine große Rolle.
Wie sehen Sie die Zukunft der Frühdiagnose einer Lupusnephritis?
A. Kronbichler: So wie heute werden wir auch in Zukunft alle 3 Monate die Eiweißausscheidung messen und jederzeit dann, wenn ein Patient Symptome renalen Eiweißverlustes hat, wie Beinödeme oder schäumenden Harn.
Werden wir irgendwann mithilfe von Medikamenten, die gezielt den Podozytenschaden reparieren, eine Lupusnephritis heilen können?
A. Kronbichler: Ich denke, das wird vor allem bei genetischen Formen von Relevanz sein. Nehmen Sie als Beispiel die APOL1-induzierten Nierenerkrankungen. Hier konnte Inaxaplin in einer kleinen Phase-IIa-Studie mit 13 Patienten bereits exzellente Ergebnisse erzielen.4 Die Patienten haben normalerweise zwei Risikoallele und eine „Gain of function“-Mutation in ihrem APOL1-Gen. Deshalb haben sie ein höheres Risiko für Nierenerkrankungen, zum Beispiel für eine rapid progressive proteinurische Nephropathie. Denn diese Mutationen führen zu verschiedenen ungünstigen Prozessen auf zellulärer Ebene, unter anderem zur Aktivierung des Inflammasoms sowie zu einer Stressreaktion des endoplasmatischen Retikulums. Inaxaplin blockiert den APOL1-Kanal und bremst so dessen vermehrte Aktivität. Solche Therapien könnten auch bei einer APOL1-induzierten Lupusnephritis eine Rolle spielen. Für die breite Masse der anderen Lupusnephritiden bleiben „relativ unspezifische“ immunsuppressive Therapien die erste Wahl, denn nur ein Bruchteil der Lupusnephritiden ist durch Mutationen im APOL1 bedingt.
Wie gehen Sie bei Verdacht auf Lupusnephritis in der Klinik vor?
A. Kronbichler: Die Diagnose stellt man immer noch klassisch per Nierenbiopsie und wir stellen auch die Indikation für eine Rebiopsie großzügig, wobei wir noch keine Protokollbiopsien durchführen. Nach der Biopsie würde ich mir gerne die Podozyten unter dem Elektronenmikroskop ansehen, aber das ist die Domäne der Pathologie. Unsere Domäne ist die Abklärung der Laborparameter, also Nierenfunktionsparameter (Harnstoff, Kreatinin), Serum-Albumin, Albuminurie und Hämaturie. Ich bin auch ein Fan der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit bei Verdacht auf Lupusnephritis sowie der Bestimmung von Komplement C3 und C4 und der Doppelstrang-DNA. Aber der Goldstandard ist und bleibt die Nierenbiopsie. Ist die Diagnose gestellt, sollte man so schnell wie möglich eine Therapie einleiten. Wartet man zu lange mit der Therapie und unterbindet die Entzündungsreaktion der Niere nicht zeitnah, kommt es zwangsläufig zu einem progredienten Schaden und zu einem Verlust der Nierenkörperchen, das heißt, das Nierengewebe wird irreversibel geschädigt.
Können Rheumatologinnen und Rheumatologen eine Lupusnephritis behandeln?
A. Kronbichler: Lupusnephritis ist eine der komplexesten Nierenerkrankungen. Man sollte sich bei der Therapie an den gültigen Leitlinien orientieren, etwa an den KDIGO-Leitlinien, die gerade neu erschienen sind, oder an den EULAR-Empfehlungen, die allerdings gerade überarbeitet werden. Bei Verdacht auf eine Lupusnephritis würde ich Kollegen aus der Rheumatologie immer raten, den Patienten an einen Nephrologen zu überweisen oder zumindest Kontakt zu ihm zu halten. Ist die Therapie eingeleitet, können natürlich auch die Kollegen die Therapie weiterführen. Was ich immer wieder im Alltag erlebe ist, wie wichtig es ist, den Patientinnen und Patienten zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Das betrifft vor allem die Medikamentenadhärenz. Das ist ein großes Problem bei Lupusnephritis und „shared decision making“ ist absolut wesentlich im Management.
Literatur:
1 Guo Z et al.: Urinary biomarkers associated with podocyte injury in lupus nephritis. Front Pharmacol 2024; 15: 1324540 2 Mejia-Vilet JM et al.: Urinary soluble CD163: a novel noninvasive biomarker of activity for lupus nephritis. J Am Soc Nephrol 2020; 31(6): 1335-47 3 www.clinicaltrials.gov ; ID NCT04449991 4 Egbuna O et al.: Inaxaplin for proteinuric kidney disease in persons with two APOL1 variants. New Engl J Med 2023; 388(11): 969-79
Das könnte Sie auch interessieren:
Bei Therapieversagen: Diagnose überprüfen und nach Komorbiditäten suchen
Eine axiale Spondylarthritis zu versorgen, ist eine Herausforderung: Das Krankheitsbild ist heterogen, die Diagnose wird häufig erst nach Jahren gestellt,1 und es gibt immer wieder ...
Mehr Fokus auf schmerzhafte Einschränkungen und Fatigue
Aus der Sicht von Menschen mit Rheuma und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMDs) sind Fatigue und Schmerz die Symptome, die am stärksten belasten, dennoch unterliegen beide einem ...
Erkenntnisse aus Präventionsstudien mit Methotrexat und Hydroxychloroquin
Eine Behandlung von Patienten in der subklinischen Phase der rheumatoiden Arthritis (RA) mit Methotrexat (MTX) oder Hydroxychloroquin (HCQ) kann die Entwicklung einer RA nicht aufhalten ...