Intrapartaler Ultraschall
Autoren:
Dr. med. Benedict Krischer
Oberarzt, Fellow Fetomaternale Medizin
Frauenklinik
Luzerner Kantonsspital
E-Mail: benedict.krischer@luks.ch
KD Dr. med. Marcus Hodel
Chefarzt Geburtshilfe und Fetomaternale Medizin
Co-Leitung Perinatalzentrum LuzernFrauenklinik
Luzerner Kantonsspital
E-Mail: markus.hodel@luks.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Ultraschall unter der Geburt bietet eine höhere Genauigkeit und Reproduzierbarkeit als die manuelle Untersuchung. Er kann damit helfen, die Geburt zu leiten, die Wahrscheinlichkeit für eine vaginale Geburt abzuschätzen und die Indikation für eine vaginal-operative Geburt zu unterstützen. In der Praxis hat es sich bewährt, mehrere Parameter für die Entscheidung zu berücksichtigen und mit dem vaginalen Tastbefund abzugleichen.
Verschiedene Studien legen nahe, dass die vaginale Tastuntersuchung subjektiv ist und mitunter falsch sein kann. Sherer et al. zeigten an 102 Patientinnen, dass die Fehlerquote der vaginalen Untersuchung zur Beurteilung der Einstellung verglichen mit der Ultraschalluntersuchung 76% betrug.1 Akmal et al. zeigten anhand von 60 Fällen, dass die Einstellung mittels vaginaler Untersuchung von der tatsächlichen Einstellung im Ultraschall in 27% der Fälle um >90° abwich, in mehr als der Hälfte davon sogar um 135–180°.2
Um einen guten Überblick zu erhalten, sind mindestens fünf Ultraschallaufnahmen notwendig, die jedoch mit etwas Übung auch in Notfallsituationen schnell erfolgen können: zwei transabdominale Einstellungen und drei transperineale Einstellungen.
Transabdominaler Ultraschall
Mittels des transabdominellen Zugangs können insbesondere die fetale Lage, Poleinstellung, Stellung, Haltung und Einstellung beurteilt werden.
Einstellung 1
Der Ultraschallkopf wird suprasymphysär transversal aufgesetzt. Nach kranial verschoben lassen sich die Wirbelsäule und damit die Stellung beurteilen. Dies kann z.B. der Hebamme beim Lagern helfen und lässt eine okzipitoposteriore Einstellung antizipieren.
Einstellung 2
Weiter nach kaudal gewinkelt lässt sich der fetale Kopf im Transversalschnitt darstellen. Dies ermöglicht eine Beurteilung der Einstellung. Dabei sollte auf Falx, Thalamus und die Orbitae geachtet werden: Mit diesem Zugang ist die Beurteilung einer Scheitelbeineinstellung möglich. Bei einem Asynklitismus ist die Falx nach kaudal (vorderer Asynklitismus) bzw. kranial (hinterer Asynklitismus) verschoben.
Transperinealer Ultraschall
Beim transperinealen Ultraschall (TPUS) wird die Ultraschallsonde mit einem Kondom oder, pragmatisch, mit einem Handschuh bezogen und mittig zwischen die Labia positioniert. Je nach Parameter ist die Ausrichtung der Sonde horizontal oder vertikal (Abb. 1a und b). Die Parameter, die sich in letzter Zeit etabliert haben, sind der AoP («angle of progression), die «head direction» und die HPD («head perineal distance»).
Abb. 1a und 1b: Richtige Ausrichtung der Sonde beim transperinealen Ultraschall zur Messung des AoP und der HPD
Einstellung 3
Für die Feststellung der HPD wird der Ultraschallkopf quer aufgesetzt, wie in Abb.1b abgebildet. Das Gewebe wird so weit komprimiert wie möglich. Die HPD stellt die Distanz zwischen Ultraschallkopf und kindlichem Schädel dar. Eine HPD von 35–36mm wird als Interspinalebene angesehen.3 Fraser et al. zeigten anhand von 150 Geburten, dass eine HPD <40mm mit einer Rate vaginaler Entbindungen von 92% einhergeht.4 In einer Multicenterstudie mit 222 Entbindungen zeigten Kahrs et al., dass eine vaginal-operative Entbindung bei einer HPD <25mm schneller verlief als bei >25mm.5 Die Sectiorate bei HPD <25mm lag bei 1%, bei HPD >25mm bei 12%, bei HPD <35mm bei 4% und bei HPD >35mm bei 22%.5
Man kann diese Einstellung nochmals erweitern, indem man den Schallkopf etwas nach kranial verschiebt und kaudal kippt, sodass die Falx sichtbar wird. Der Winkel zwischen einer gedachten vertikalen Mittellinie und der Falx wird als «midline angle» bezeichnet. Ghi et al. zeigten, dass ein «midline angle» >45° oder die Unmöglichkeit, diesen darzustellen zu 95% einen Höhenstand höher als KLS +2 bedeutete, ein «midline angle» <45° in 69% der Fälle einen Höhenstand von mindestens +3.6
Einstellung 4
Abb. 2: Erfassung des AoP und der «head direction»
Tab. 1: AoP und kindliche Leitstelle (KLS) (modifiziert nach Tutschek B et al. 2013)8
Transperineal-sagittal: Die Untersuchung erfolgt in der Wehenpause. Hierbei werden mit einer Einstellung der AoP und die «head direction» erfasst. Für eine korrekte Messung des AoP wird der Ultraschallkopf wie in Abb. 1a positioniert und idealerweise so gewinkelt, dass die Symphyse horizontal im Bild verläuft. Eine Linie wird durch die Längsachse der Symphyse gelegt, eine zweite tangential durch das distale Ende der Symphyse (das Ende des hypoechogenen Bereiches) und über das Okziput (Abb. 2). Dabei ist zu beachten, dass der AoP vor allem für eine okzipitoanteriore Einstellung etabliert ist und dass die Tangente über den knöchernen Teil gelegt wird, nicht z.B. über eine etwaige Geburtsgeschwulst. Der AoP ist der Winkel zwischen diesen zwei Linien. Im Laufe der Zeit hat sich in mehreren Studien der AoP von 120° als ISP-Ebene etabliert,3 wobei Iliescu et al. sogar einen Fallbericht präsentieren, in dem sie eine Patientin unter Geburt mit einem Vaginalbefund von palpatorisch interspinaler kindlicher Leitstelle mittels MRI untersuchten und unmittelbar danach mittels transperinealen Ultraschalls. Sie korrelierten hierbei palpatorisch und auch MR-tomografisch bestätigt die ISP-Ebene mit einem AoP von 120°.7 Tutschek et al. verglichen in einer der ersten Arbeiten 2013 anhand von 106 Fällen die Korrelation der unterschiedlichen sonografischen Marker mit Palpation.8 Die Assoziation von AoP und Höhenstand findet sich in Tabelle 1.
Während es anerkannt ist, dass der AoP eine akkurate Sensitivität für eine «complicated or failed vaginal operative delivery»9 hat, bleibt der genaue Winkel für eine «einfache» oder spontane Entbindung kontrovers. In der ersten Arbeit zu dem Thema beschrieben Kalache et al. (anhand einer Fallserie von 26 Entbindungen!), dass bei einem AoP >120° die Wahrscheinlichkeit für eine einfache Vakuumentbindung oder Spontangeburt bei über 90% lag,10 Katzir et al. beschrieben anhand von 191 Entbindungen, dass bei einem AoP >127° die Rate vaginaler Entbindungen bei 89% lag.11
Die «head direction» definierten Tutschek et al. 2011 als die längste sichtbare Achse des fetalen Köpfchens (in der Regel die Falx); zeigte diese nach oben, wurde dies als «head up» bezeichnet.12 Ein positives «head up sign» korreliert gut mit einer einfachen und erfolgreichen operativ-vaginalen Entbindung.
Einstellung 5
In der Praxis bewährt hat sich die Messung des AoP sowohl in Ruhe als auch unter einer Wehe. Durch die Änderung zwischen den beiden Messungen ergibt sich ein guter Eindruck für die Dynamik der kindlichen Leitstelle. Nach Lau et al. ergibt sich für die Änderung des AoP in Ruhe bzw. im Weh >15° eine Sensitivität von 73% für die Unterscheidung zwischen vaginal-operativer und Schnitt-Entbindung.13 Chan und Lau bieten eine gute Übersicht über die Literatur zum AoP und verwendete Cut-offs für «schwierige» Entbindungen: Ein AoP von 135° als Faustregel für erfolgreiche vaginale Entbindungen scheint aus der Erfahrung hierbei am realistischsten.14
Fazit
Intrapartaler Ultraschall ist ein exzellentes Hilfsmittel – nicht weniger, aber aktuell nicht mehr. Er sollte als eine wichtige Zusatzinformation im Kontext der vaginalen Untersuchung und der klinischen Gesamtsituation gesehen werden, jedoch nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage. Dabei sollte im Idealfall eine Kombination aus mehreren Messgrössen angewandt werden. Dies deckt sich auch mit Empfehlungen der ISUOG, der World Association of Perinatal Medicine und der AWMF.3,15,16
Zur richtigen Anwendung braucht es Übung. Es lohnt sich deshalb, die intrapartale Ultraschalluntersuchung routinemässig durchzuführen. Nur so verfügt man im Notfall über ausreichend Expertise und kann den Befund entsprechend interpretieren. Am Geburtszentrum Luzern wird der intrapartale transperineale Ultraschall seit 2016 routinemässig durchgeführt. Wir haben dazu auch eine SOP mit Erklärungen verfasst, die unter www.obsgyn-wiki.ch frei zugänglich ist. Unsere Erfahrungen sind durchwegs positiv.
Literatur:
1 Sherer DM et al.: Intrapartum fetal head position I: comparison between transvaginal digital examination and transabdominal ultrasound assessment during the active stage of labor. Ultrasound Obstet Gynecol 2002; 19(3): 258-63 2 Akmal S et al: Comparison of transvaginal digital examination with intrapartum sonography to determine fetal head position before instrumental delivery. Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2003; 21(5): 437-40 3 Rizzo G et al.: Ultrasound in labor: clinical practice guideline and recommendation by the WAPM-World Association of Perinatal Medicine and the PMF-Perinatal Medicine Foundation. J Perinat Med 2022; 50(8): 1007-29 4 Fraser WD et al.: Multicenter, randomized, controlled trial of delayed pushing for nulliparous women in the second stage of labor with continuous epidural analgesia. Am J Obstet Gynecol 2000; 182(5): 1165-72 5 Kahrs BH et al.: Sonographic prediction of outcome of vacuum deliveries: a multicenter, prospective cohort study. Am J Obstet Gynecol 2017; 217(1): 69.e1-69.e10 6 Ghi T et al.: Diagnosis of station and rotation of the fetal head in the second stage of labor with intrapartum translabial ultrasound. Ultrasound in Obstetrics & Gynecology 2009; 33(3): 331–6 7 Iliescu Det al.: The angle of progression at station 0 and in magnetic resonance and transperineal ultrasound assessment. Case Rep Obstet Gynecol 2015; 2015: 1-3 8 TutschekB et al.: Comparison between ultrasound parameters and clinical examination to assess fetal head station in labor. Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2013; 41(4): 425-9 9 Skinner SM et al.: Prognostic accuracy of ultrasound measures of fetal head descent to predict outcome of operative vaginal birth: a comparative systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol 2023; 229(1): 10-22.e10 10 Kalache KD et al.: Transperineal ultrasound imaging in prolonged second stage of labor with occipitoanterior presenting fetuses: how well does the ‘angle of progression’ predict the mode of delivery? Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2009; 33(3): 326-30 11 Katzir T et al.: Intrapartum ultrasound use in clinical practice as a predictor of delivery mode during prolonged second stage of labor. Arch Gynecol Obstet 2022; 307(3): 763-70 12 Tutschek B et al.: Study of progress of labour using intrapartum translabial ultrasound, assessing head station, direction, and angle of descent. BJOG 2011; 118(1): 62-9 13 Lau WL et al.: What is the best transperineal ultrasound parameter for predicting success of vacuum extraction? Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2009; 33(6): 735-5 14 Chan VYT, Lau WL: Intrapartum ultrasound and the choice between assisted vaginal and cesarean delivery. Am J Obstet Gynecol MFM 2021; 3(6): 100439 15 Ghi T et al.: ISUOG Practice Guidelines: intrapartum ultrasound. Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2018; 52(1): 128-39 16 Abou-Dakn M et al.: Vaginal birth at term – Part 1. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S3-Level, AWMF Registry No.015/083, December 2020). Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(11): 1143-93
Das könnte Sie auch interessieren:
Vom Fertilitätserhalt bis zur multimodalen Behandlung von Beckenschmerzen
Die Themen des Kongresses umfassten auch dieses Jahr wieder eine große Spannbreite betreffend Sexualität, Reproduktion, sexuell übertragbare Krankheiten und Schmerzen. Dabei wurde ein ...
„Eine Frau sollte selbst bestimmen dürfen, wie ihr Kind zur Welt kommt“
Teile der akademischen Geburtshilfe stehen heute auf dem Standpunkt, dass die Vorzüge der vaginalen Geburt grundsätzlicher Natur und somit unumstößlich sind und dass daher eine Geburt ...
Gynäkologische Tumoren: Neues und State of the Art
Im Oktober drehte sich beim Cancer Update des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna alles um gynäkologische Tumoren – von der Impfprävention über das Staging bis zu den ...