Die Dünnschichtzytologie
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Sigurd F. Lax
Institut für Pathologie des LKH Graz II Standort West
Graz
Johannes Kepler Universität
Linz
E-Mail: sigurd.lax@kages.at
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In Österreich wird die Zytologie von der Zervix uteri nach wie vor überwiegend auf konventionelle Weise abgenommen und beurteilt, während sich in den meisten anderen entwickelten Ländern seit Langem die Dünnschichtzytologie durchgesetzt hat. Diese bietet gegenüber der konventionellen Zytologie mehrere Vorteile.
Keypoints
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Die Dünnschichtzytologie bietet gegenüber konventionellen Abstrichen wesentliche Vorteile, insbesondere in der Beurteilbarkeit, der Repräsentativität, der unmittelbaren Durchführung von Zusatztests und dem Einsatz der künstlichen Intelligenz für die Vormusterung.
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Die Qualität ist standardisiert, die Abstriche sind leichter beurteilbar.
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Die Dünnschichtzytologie bietet die Möglichkeit, HPV mittels Reflextest, insbesondere bei auffälligem Zellbild, ohne neuerliche Einberufung der Patientin zu untersuchen.
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Die künstliche Intelligenz wird in Zukunft den Vormusterungsprozess vereinfachen und qualitativ verbessern.
Zervixzytologie für die Früherkennung von Krebsvorstufen
In der Früherkennung der Vorstufen des Zervixkarzinoms nimmt die zytologische Untersuchung nach wie vor eine wesentliche Rolle ein. Die zytologische Untersuchung erfordert eine Abnahme von Zellen aus dem Bereich der Zervix, deren Aufbringung auf einen Objektträger (Glasplättchen), die Färbung der Zellen und anschließende Beurteilung unter dem Mikroskop zur Befunderstellung.
Im Wesentlichen gibt es zwei Methoden: die konventionelle Abstrichentnahme und die Dünnschichtzytologie. Letztere wurde bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten in einigen Ländern eingeführt. Sie ist mittlerweile technologisch voll automatisiert. Bei der konventionellen Abstrichmethode werden die Zellen unmittelbar nach der Abnahme auf einen Objektträger ausgestrichen, rasch mit Alkohol fixiert und getrocknet. Anschließend werden sie nach Papanicolaou gefärbt und unter dem Mikroskop beurteilt. Im Gegensatz dazu erfolgt die Abnahme der Zellen bei der Dünnschichtzytologie mit einer speziellen Bürste, welche in einer alkoholhaltigen Lösung ausgeschwemmt wird. Mittels eines speziellen Gerätes wird aus der Lösung ein Zentrifugat angefertigt,ebenfalls auf einen Objektträger (Glasplättchen) aufgebracht und gefärbt sowie unter dem Mikroskop beurteilt.
Dünnschichtzytologie als bereits etablierte Methode
Für die Dünnschichtzytologie werden vorgefertigte Abnahmebehälter, die mit einer standardisierten Fixierlösung gefüllt sind, verwendet. International haben sich dabei zwei Systeme durchgesetzt: ThinPrep und SurePath™. Für die Verarbeitung stehen weitgehend automatisierte Geräte zur Verfügung, die eine unterschiedliche Kapazität aufweisen. Die Dünnschichtzytologie bietet gegenüber der konventionellen Zytologie zahlreiche Vorteile. So wird der Großteil der abgenommenen Zellen in die Lösung eingebracht, während bei der konventionellen Zytologie ein großer Teil der abgenommenen Zellen auf dem Spatel verbleibt und weggeworfen wird. Auch die Technik des Ausstreichens spielt beim konventionellen Abstrich eine Rolle, während bei der Dünnschichtzytologie der Ausstrich standardisiert mittels Gerät erfolgt. Konventionelle Ausstriche sind dicker und oft schwieriger zu beurteilen als der Monolayer bei der Dünnschichtzytologie. Überlagerungen durch Entzündungszellen, Detritus und Blut können die Beurteilung des konventionellen Abstriches wesentlich beeinträchtigen; dies fällt bei der Dünnschichtzytologie im Wesentlichen weg, da blutige Abstriche vorbehandelt werden und Entzündungszellen im Schleim bei der Dünnschicht entfernt werden. Die Vormusterung bzw. Beurteilung eines Dünnschichtpräparates nimmt aufgrund der deutlich geringeren Fläche und im Schnitt besseren Qualität eine kürzere Zeit in Anspruch als die der konventionellen Abstriche. Ein ganz wesentlicher Vorteil liegt aber darin, dass aus der Dünnschichtzytologie beispielsweise im Falle eines auffälligen Zellbildes direkteine HPV-Untersuchung durchgeführt werden kann, ohne dass die Patientin neuerlich einberufen und untersucht werden muss. Im Falle von Tumorzellen in der Zytologie kann aus dem Dünnschichtmaterial auch ein Zellblock angefertigt werden. Dieser bietet die Möglichkeit einer weiterführenden immunhistochemischen und molekularen Untersuchung, beispielsweise bei Adenokarzinomen, ohne dass bei der Frau eine Kürettage durchgeführt werden muss. Schließlich bietet die Dünnschichtzytologie auch die Möglichkeit einer Vormusterung mittels digitaler Bildanalyse unter Einsatz der künstlichen Intelligenz.
Die Dünnschichtzytologie erfordert es,sich einzuarbeiten, da gegenüber der konventionellen Zytologie geringe Unterschiede in der Darstellung der Zellen bestehen können. Dieser Prozess kann aber ohne besonderen Aufwand in relativ kurzer Zeit bewältigt werden. Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich hat bereits vor mehr als 20 Jahren gezeigt, dass mittels Dünnschichtzytologie eine höhere Rate von Zervixkarzinomen detektiert werden kann. Aufgrund dieser Studie erfolgte Anfang der 2000er-Jahredie Umstellung in England und Wales auf Dünnschichtzytologie. Auch in der Schweiz wird seit mehr als 20 Jahren die Dünnschichtzytologie flächendeckend durchgeführt. Viele andere Länder, insbesondere in unserer Nachbarschaft, haben mittlerweile komplett auf Dünnschicht umgestellt bzw. verwenden diese Technik zunehmend (z.B. Deutschland).
Situation in Österreich und eigene Erfahrungen
In Österreich gibt es betreffend Dünnschichtzytologie ein Ost-West-Gefälle. Unter dem Einfluss des Nachbarlandes Schweiz wurde in Vorarlberg bereits vor mehr als zehn Jahren komplett auf Dünnschichtzytologie umgestellt. Dem Pathologieinstitut in Feldkirch kommt dabei eine Pionierrolle in Österreich zu. In der Folge haben auch andere Einrichtungen in Tirol und Salzburg auf Dünnschicht umgestellt bzw. verwenden diese im großen Stil. Im Osten Österreichs wird speziell in den großen und privaten Einheiten auf die Aufnahme der Dünnschichtzytologie in den Katalog der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gewartet. Dabei ist festzuhalten, dass die BVA und andere kleine Kassen schon seit einigen Jahren die Dünnschichtzytologie in ihrem Katalog verankert haben und abrechnen.
In der Steiermark hat unser Institut vor etwa zwei Jahren einen Umstellungsprozess begonnen und nach wenigen Monaten umgesetzt. Die Vorteile der Dünnschichtzytologie waren so überzeugend, dass sie von den Mitarbeiter:innen in kurzer Zeit in vollem Maße angenommen wurde. Eine bloße Akzeptanz ist in eine Begeisterung umgeschlagen, ein Weg zurück wäre nicht denkbar. Im diagnostischen Ablauf ist es wichtig, für eine reibungslose HPV-Untersuchung zu sorgen. In unserem Institut hat sich der Anteil der auffälligen Abstriche an der Gesamtzahl um etwa 1% verringert, die Beurteilbarkeit und Repräsentativität der Abstriche haben sich jedoch deutlich verbessert, insbesondere durch die deutliche Reduktion nicht beurteilbarer Abstriche und eingeschränkt beurteilbarer Abstriche durch Überlagerungen (von etwa 16% auf etwa 2%). Dies bedeutet eine erhöhte Sicherheit insbesondere für die Patientinnen, aber auch für die in den diagnostischen Prozess eingebundenen biomedizinischen Analytiker:innen (BMA) und Patholog:innen. Außerdem kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Abstrichwiederholung. Eine Reflextestung wird bei uns bei etwa bei 2% der Abstriche durchgeführt.
Abb. 1: Die Dünnschichtzytologie wird im Einsendegefäß übersandt, welches die abgenommenen Zellen enthält (linke Bildhälfte). Während der konventionelle Abstrich den gesamten Objektträger einnimmt, liegen bei der Dünnschichtzytologie die zentrifugierten Zellen in einem wesentlich kleineren Gesichtsfeld (rechte Bildhälfte)
Abb. 2: Die konventionelle Zytologie zeigt dicht gelagerte Zellen, die zudem durch Entzündungszellen überlagert sind. Demgegenüber findet sich bei der Dünnschichtzytologie eine geringe Überlagerung der Zellen. Papanicolaoufärbung, Originalvergrößerung 100-fach
HPV-Test als wesentliche Zusatzinformation
Da nahezu alle Plattenepithelkarzinome der Zervix uteri,ca. 70–80% der Adenokarzinome und damit der Großteil der Tumorvorstufen HPV-assoziiert sind, wird die HPV-Untersuchung mittlerweile international als Zusatzuntersuchung, insbesondere bei auffälligen Abstrichen, und zum Teil bereits als primäre Screeningmethode verwendet. Im Falle eines konventionellen Abstriches muss die Patientin neuerlich zu einer Abstrichentnahme einberufen werden, was mit vermehrtem Zeitaufwand und höheren Kosten verbunden ist. Dies fällt bei der Dünnschichtzytologie weg, da aus dem gewonnenen Material im Anschluss an die Anfertigung eines Ausstriches an demselben Material eine HPV-Untersuchung durchgeführt werden kann. Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) sowie die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) der OEGGG empfehlen zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGFPath) und der Österreichischen Gesellschaft für Zytologie (ÖGZ) den gezielten Einsatz der HPV-Untersuchung in Ergänzung zur Zytologie. Diese wird mittlerweile von den Krankenkassen übernommen. So besteht beispielsweise in der Steiermark ein Vertrag zwischen den Sozialversicherungsträgern und der Steiermärkischen Krankenanstalten GesmbH (KAGes) für die Durchführung der HPV-Untersuchung bei gezielter Indikationsstellung. Das Dünnschichtmedium bietet außerdem die ideale Basis für ein HPV-basiertes Screening, in Kombination mit der Zytologie.
Dünnschichtzytologie als Grundlage für den Einsatz der künstlichen Intelligenz
Die Dünnschichtzytologie bietet außerdem die Möglichkeit für eine Vormusterung mittels künstlicher Intelligenzbzw. ist die Grundlage einer solchen. Dazu gibt es mittlerweile bereits IVDR-CE-zertifizierte Systeme auf dem Markt, die eine rasche Vormusterung der Abstriche ermöglichen. Dadurch kann die Wartezeit auf die Abstriche wesentlich reduziert werden. Außerdem bieten diese Systeme eine erhöhte Sicherheit speziell betreffend in geringem Umfang vorhandene atypische Zellen, die leicht übersehen werden können. Künstliche Intelligenz ersetzt aber nicht die zusätzliche Beurteilung durch BMA und Patholog:innen, deren Aufgabe die Kontrolle der künstlichen Systeme, die Überprüfung auf Zuverlässigkeit bzw. die Beurteilung kritischer bzw. schwieriger Fälle und schließlich die Befunderstellung durch die Patholog:innen beinhaltet.
Gemäß dem wesentlichen Stellenwertder Abstrichzytologie für die Vorsorge und Früherkennung des Zervixkarzinoms in der Geschichte der Medizin spielt in der Zukunft die Dünnschichtzytologie eine angesichts ihrer Vielseitigkeit zeitgemäße Rolle. Konventionelle Abstriche sollten eigentlich der Vergangenheit angehören.
Literatur:
beim Verfasser
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