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Hämophilie-Behandlung in Österreich

Ursprung der Leitlinie

Die erste Leitlinie zur Hämophilie-Behandlung in Österreich ist 2015 erschienen. Sie wurde von Behandelnden in Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Selbsthilfegruppen für Hämophilie und der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft erstellt, also dem wissenschaftlichen Beirat der Organisation. Die Idee zur Leitlinie war, einen allgemeinen Leitfaden für das Management der Hämophilie zu erstellen. Nun wurde ein Update veröffentlicht.

National und international

Die Leitlinie muss im internationalen Kontext gesehen werden. Die Welthämophiliegesellschaft hat schon 2020 eine neue Fassung ihrer Leitlinie herausgegeben, an der sich die österreichische Version der Leitlinie auch orientiert.

Die österreichische Leitlinie enthält landesspezifische Informationen und soll für alle, die sie lesen, verständlich sein – für die Betroffenen, die Behandelnden und auch für medizinisches Personal, das nur selten mit Hämophilie in Kontakt kommt. Für letztere Personen soll die Leitlinie auch ein Nachschlagewerk sein.

Kontinuierliche Entwicklung

Eine Leitlinie ist immer ein „moving target“ – drei Monate nach Redaktionsschluss für die Hämophilieleitlinie gab es bereits wieder Neuerungen, die eigentlich inkludiert werden hätten können. Bei dieser kontinuierlichen Entwicklung ist es schwer, einen inhaltlichen Schlussstrich zu ziehen. Da dieses erste Update der Leitlinie erst nach fast zehn Jahren erschienen ist, wird das nächste Update nicht so bald erstellt werden.

Zur kurzfristigen Ergänzung werden die Konsensusdokumente des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft dienen, die mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden.

Was gibt es Neues?

Im Fokus des Leitlinien-Updates steht natürlich die Therapie. Da sich gerade in diesem Bereich seit 2015 sehr viel geändert hat, soll die aktualisierte Version der Leitlinie diesen Entwicklungen gerecht werden. In der aktuellen Leitlinie gibt es strukturell eine ganze Reihe von Ergänzungen. Das Kapitel Therapie wurde grundlegend überarbeitet. Es wurden neue Daten inkludiert, aber auch alte Daten wieder aufgegriffen, die inzwischen noch besser fundiert sind.

Bei den Therapieoptionen finden die muskuloskelettalen Auswirkungen der Hämophilie nun mehr Raum, ebenso physikalische und orthopädische Behandlungen sowie Schmerztherapien. Auch zu Müttern, deren ungeborene Kinder Hämophilie haben, und zur Behandlung Neugeborener mit Hämophilie gibt es jetzt ein eigenes Kapitel; ebenso zu psychosozialen Aspekten.

Bei den medikamentösen Therapieoptionen gibt es bei der klassischen Therapie der Substitution fehlender Gerinnungsfaktoren ebenfalls substanzielle Neuigkeiten mit solider Datengrundlage: „Extended half-life“-Produkte bleiben viel länger im Körper wirksam. Für Betroffene bedeutet das, dass sie nur alle sieben bis zehn Tage das Medikament bekommen müssen und dennoch viel höhere Wirkspiegel haben als zuvor.

Auch wenn eine Halbwertszeitverlängerung dieses Ausmaßes bislang vor allem für Hämophilie B möglich war, gibt es nun auch für Hämophilie A ein ebenso lang wirkendes Produkt, das in der Leitlinie erwähnt wird, aber zur Leitlinienerstellung noch nicht am Markt war.

Durch die Entwicklung von Nicht-Faktor-Produkten kam es zu einem Paradigmenwechsel. Nicht-Faktor-Produkte beeinflussen über Einwirkung auf das Gerinnungssystem die Blutgerinnung positiv. Sie sind überwiegend subkutan zu verabreichen und haben eine lange Wirkzeit. Besonders in der Pädiatrie sind diese Eigenschaften von Vorteil.

Eine letzte wichtige Neuerung ist die Gentherapie für Hämophilie A und B, die in Europa bereits zugelassen ist. In Kürze sollen auch weitere Produkte auf den Markt kommen. International gibt es bereits viele Studien zu Gentherapieprodukten, in Österreich fehlen praktische Erfahrungen mit Gentherapie noch. Dennoch wird sie in der Leitlinie bereits vorgestellt, trotz des Mangels an konkreten Informationen zu Ablauf und Finanzierungen.

Eine starke Zusammenarbeit

Im Bereich der Hämophilie sind die Prozesse der Informationssammlung und -vermittlung und der zugehörigen Diskussionen etwas Besonderes. Nicht nur Forschende und Behandelnde sind dafür zuständig, was in Leitlinien und Konsensusdokumenten veröffentlicht wird, sondern auch Patient:innen und Selbsthilfegruppen.

Zusammenarbeit ist enorm wichtig, nicht nur um einen umfassenden, österreichweiten Blick auf alle relevanten Aspekte der Erkrankung zu gewährleisten, sondern auch um die Akzeptanz der Leitlinie und ihrer Inhalte zu sichern.

Male C et al.: Hämophilie-Behandlung in Österreich. Wien Klin Wochenschr 2024; 136: 75-102

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