Larynxtuberkulose: Differenzialdiagnose des ulzerierenden Epiglottistumors
Autor:innen:
Ass. Dr. Caroline Mostbeck
Prim. Univ.-Prof. Dr. Georg Mathias Sprinzl
Klinische Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten
Universitätsklinikum St. Pölten
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
In diesem Artikel wird das Fallbeispiel einer seltenen Larynxtuberkulose vorgestellt. Wegen der Verwechslungsgefahr mit einem Karzinom und des Risikos der Entwicklung multiresistenter Tuberkulosekeime ist es wichtig, die Larynxtuberkulose möglichst rasch zu diagnostizieren und zu behandeln.
Keypoints
-
Die extrapulmonale Manifestation der Tuberkulose im Larynx ist mit einer Inzidenz von ca. 1% sehr selten.
-
Das Erscheinungsbild kann von einer Monochorditis bis hin zu einer ödematösen, granulomatös aufgetriebenen Larynxschleimhaut reichen.
-
Bei positivem Nachweis müssen auch andere Organe, insbesondere die Lunge, auf eine Beteiligung abgeklärt werden.
-
Die Diagnostik umfasst eine Panendoskopie mit Biopsieentnahme und histologischem Nachweis verkäsender epitheloidzelliger Granulome und säurefester Stäbchen sowie eine PCR-Analyse des Sputums mit dem kulturellen Nachweis von Mycobacterium tuberculosis.
Die Larynxtuberkulose ist eine seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose unklarer Larynxläsionen. Symptome wie Odynophagie, Heiserkeit, Husten und Gewichtsverlust begleiten die betroffenen Patient:innen.
Klinisch zeigt sich zu Beginn eine verdickte Stimmlippe mit Ulzerationen bis hin zu einer aufgetriebenen granulomatös veränderten Schleimhaut im kompletten Larynx. Sie ist oft mit einer offenen Lungentuberkulose assoziiert, weshalb ein hohes Infektionsrisiko für das medizinische Personal sowie Mitpatient:innen besteht.
Eine Diagnosestellung kann mittels PCR-Analyse des Sputums sowie Quantiferontest und auch durch eine Biopsie mit histopathologischer und mikrobiologischer Untersuchung erfolgen. Die medikamentöse Vierfachtherapie erfolgt nach Isolation der Patient:innen durch die Kolleg:innen der internen Abteilung.
In der folgenden Kasuistik wird der Fall eines 39-jährigen aus Rumänien stammenden Patienten beschrieben.
Fallbericht
Anamnese
Ein 39-jähriger aus Rumänien stammender Patient wurde unserer Klinik mit einer seit zwei Monaten bestehenden Odynophagie, Heiserkeit, Gewichtsverlust von 15kg und Nachtschweiß zugewiesen. Aufgrund der Sprachbarriere war die Anamnese erschwert und nur mithilfe der Ehefrau möglich.
Ein Therapieversuch durch den betreuenden Hausarzt mit verschiedenen Antibiotika über einige Wochen brachte keine Besserung der Beschwerden. Bei Progredienz der Dysphagie erfolgte eine Konsultierung unserer HNO-Ambulanz.
Diagnostik
Abb. 1: Zirkumferente Schwellung im Pharynx
In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine zirkumferente Schwellung im Pharynx (Abb. 1). Die Epiglottis war deutlich granulomatös und ödematös aufgetrieben, mit einigen Ulzerationen bei diskreter Einengung der Glottis. Die Stimmbänder konnten nur teils eingesehen werden und präsentierten sich verdickt. Der sonstige Spiegelbefund war neben einem sanierungsbedürftigen Zahnstatus altersgerecht unauffällig.
In der Labordiagnostik konnten ein diskret erhöhter CRP-Wert (4,6mg/l) und normwertige Leukozyten (7,19G/l) festgestellt werden. Bis auf einen Folsäure- und Vitamin-D-Mangel waren die übrigen Laborwerte unauffällig. In der Computertomografie (CT) der Halsweichteile mit Kontrastmittel zeigte sich als auffallender Befund eine deutlich zirkulär sowie paramedian rechtsseitige Verdickung der Schleimhaut (knapp 1cm) mit diskreter Engstellung der residuären Luftsäule auf Höhe der Aryknorpel und Epiglottis auf einer Länge von in etwa knapp 4cm kraniokaudal. Assoziiert fanden sich etwas vermehrte akzentuierte Lymphknoten beidseits zervikal (Abb. 2). Daraufhin wurde die Verdachtsdiagnoseulzerierender Epiglottistumor gestellt.
Abb. 2a–c: CT der Halsweichteile mit Kontrastmittel
Therapie und Verlauf
Nach stationärer Aufnahme erfolgten eine intravenöse Analgesie sowie eine inhalative Therapie mit Cortison. Bei Verdacht auf Larynxkarzinom wurde die Indikation zur Panendoskopie gestellt. In Allgemeinanästhesie zeigte sich die Pharynxschleimhaut zirkulär sowie die Epiglottis insbesondere im Bereich der laryngealen Seite aufgetrieben und granulomatös verändert. Einige Proben wurden zur histopathologischen und mikrobiologischen Untersuchung entnommen (Abb. 3).
Abb. 3: Pharynxschleimhaut sowie Epiglottis sind aufgetrieben und granulomatös verändert
Die histopathologischen Ergebnisse zeigten eine reaktiv-hyperplastische Plattenepithelschleimhaut mit hyperorthokeratotischer und parakeratotischer Verhornung und ein fibrosiertes chronisch-entzündlich infiltriertes Stroma mit einzelnen, nicht nekrotisierenden Epitheloidzellgranulomen mit assoziierten Riesenzellen.
Bei hochgradigem Verdacht auf Larynxtuberkulose wurde eine PCR-Analyse des Sputums durchgeführt, hierbei konnte Mycobacterium tuberculosis nachgewiesen werden. Der durchgeführte Quantiferontest zeigte sich positiv. In der Folge zeigte die Staging-CT ein Bild einer pulmonalen Tuberkulose mit zusätzlicher Darmwandverdickung im Bereich der Ileocoecalregion. Aufgrund dieser Erkenntnisse konnte die Diagnose „pulmonale Tuberkulose mit extrapulmonaler Manifestation im Bereich des Larynx“ gestellt werden.
Weiterer Verlauf
Zur weiteren Therapie wurde der Patient in die infektiologische Abteilung transferiert. Eine antituberkulöse Vierfachtherapie wurde etabliert, worunter sich eine Regredienz der Beschwerdesymptomatik zeigte. Der Patient konnte nach 1,5-monatigem stationärem Aufenthalt nach erfolgter Sputumabgabe und nach Oralisierung der tuberkulösen Therapie in die häusliche Pflege entlassen werden. Vereinbart wurden eine Follow-up-Untersuchung in unserer HNO-Ambulanz und ein Termin zur Koloskopie in der Endoskopieambulanz der internen Abteilung zum zusätzlichen Ausschluss einer Mitbeteiligung der Ileocoecalregion bei Darmverdickung in diesem Bereich. Die Kontrolltermine wurden jedoch von unserem Patienten nicht in Anspruch genommen.
Diskussion
Eine Tuberkulose (TBC) manifestiert sich in der Regel primär in der Lunge, ein extrapulmonales Auftreten ist möglich und bei zwei Dritteln der Patient:innen zu beobachten. Im Hals-Nasen-Ohren-Bereich sind multiple Manifestationen beschrieben: Die wohl häufigste ist die Lymphknotentuberkulose. In seltenen Fällen ist der Larynx betroffen.
Die Larynxtuberkulose präsentiert sich oft mit einem unspezifischen Erscheinungsbild. Typisch ist eine Verdickung eines Stimmbandes, das sich mit kleinen Ulzerationen und Rötungen präsentieren kann, im Sinne einer Monochorditis. Aufgrund von Sputumretentionen werden die Aryknorpel sowie die Postkrikoidalregion als Prädispositionsstelle angesehen. Bei fortgeschrittenen Stadien kann die gesamte Larynxschleimhaut ödematös und granulomatös verändert sein. Nicht selten ist aufgrund des Erscheinungsbildes mit tumorösen Schleimhautveränderungen eine Verwechslung mit einem Larynxkarzinom möglich.
Auch wenn die Larynxtuberkulose eine seltene Erkrankung in Mitteleuropa darstellt und die Inzidenz nach dem Zweiten Weltkrieg durch verbesserte Hygienemaßnahmen abgenommen hat, zeigt sich weiterhin bei langsamer Diagnosestellung und inadäquater Behandlung die Gefahr der Entwicklung multiresistenter Tuberkulosefälle und folglich ein Anstieg der Inzidenz.
In den letzten Jahren konnte trotz vermehrter Migrationsbewegungen eine relativ stabile Fallzahl aufgezeigt werden. Im Jahr 2023 wurden 422 Tuberkulosefälle österreichweit gemeldet. Dies entspricht einer Inzidenz von 4,6 Fällen je 100000 Einwohner:innen. Im Jahr 2022 wurden 372 Fälle gemeldet. Hier lag die Inzidenz bei 4,1 Fällen je 100000 Einwohner:innen. Insgesamt zeigt sich jedoch eine deutliche Regredienz, denn zur Jahrtausendwende waren es noch mehr als 1000 Erkrankungsfälle pro Jahr. Diese Verbesserung konnte durch die Einführung eines Therapieregimes erzielt werden.
Essenziell für eine erfolgreiche Tuberkulosekontrolle sind eine schnelle Diagnosestellung und eine adäquate Behandlung. Die Larynxtuberkulose darf somit als wichtige Differenzialdiagnose bei unklaren Larynxläsionen nicht in Vergessenheit geraten. Insbesondere bei Patient:innen mit Herkunft aus Risikoländern und entsprechender Symptomatik ist ein rasches Screening vorzusehen, um das medizinische Personal und auch Mitpatient:innen bei potenziell erhöhtem Infektionsrisiko zu schützen.
Literatur:
● Strutz J, Mann W (Hrsg.): Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. 4. Auflage. Stuttgart: Thieme, 2023 ● Guntinas-Lichius O et al. (Hrsg.): Referenz HNO-Heilkunde. Stuttgart: Thieme, 2021 ● Agarwal R et al.: Primary laryngeal tuberculosis: a series of 15 cases. Head Neck Pathol 2019; 13(3): 339-43 ● Hackenberg S et al.: Seltene Erkrankungen des Larynx, der Trachea und der Schilddrüse. Laryngorhinootologie 2021; 100(S01): 1-36 ● Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose e.V.: Tuberkulose im Erwachsenenalter – S2k-Leitlinie 2023. Online unter https://www.ogp.at/wp-content/uploads/S2k-Leitlinie-Tuberkulose-im-Erwachsenenalter_2023-09_IC.pdf ; zuletzt aufgerufen am 13.10.2024 ● Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK): Nationale Referenzzentrale für Tuberkulose. Jahresbericht 2021 ● Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES): Nationale Referenzzentrale für Tuberkulose. Jahresbericht 2022
Das könnte Sie auch interessieren:
Das juvenile Angiofibrom – eine seltene Ursache von Nasenatmungsbehinderung
Die Nasenatmungsbehinderung bei Kindern und Jugendlichen ist durchaus ein häufiges Problem, das HNO-Ärzte oder Pädiater nahezu täglich in irgendeiner Form begegnet. Die möglichen ...
Lärmschwerhörigkeit und Berufskrankheitsmeldung
Die Lärmschwerhörigkeit ist eine häufige Berufserkrankung in Österreich und muss unverzüglich der entsprechenden Unfallversicherung gemeldet werden. Das medizinische Procedere dafür ist ...
Erste Erfahrungswerte mit der atmungsgesteuerten Hypoglossusnervstimulation
In Österreich wurde 2015 der erste Zungenschrittmacher zur Therapie des obstruktiven Schlafapnoesyndroms an der Universitätsklinik Innsbruck implantiert. Mittlerweile wird die ...