Bakterielle Resistenzmechanismen
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Der Wiener Infektiologe Mag. Dr. Mario Karolyi führte seine Zuhörer bei einem Workshop am Österreichischen Infektionskongress durch den Dschungel bakterieller Resistenzmechanismen.
Unter Resistenz versteht man eine erhöhte MHK – minimale Hemmkonzentration –, wobei eine Vermehrung des Bakteriums trotz Antibiotikum möglich ist“, erklärte Mag. Dr. Mario Karolyi, 4. Medizinische Abteilung, Klinik Favoriten, Wien, am Beginn seines Workshops.
Heteroresistenz und Antibiotikatoleranz
Der Begriff der „Heteroresistenz“ bedeutet, dass eine Subpopulation eines Bakterienstamms mit resistentem Phänotyp existiert. Diese kann durch eine antibiotische Therapie selektiert werden, wobei nach Wegfall des Selektionsdrucks, also des Antibiotikums, meist eine Rückkehr zum empfindlichen Phänotyp zu beobachten ist.
Davon zu unterscheiden ist das Phänomen der Antibiotikatoleranz. Hier handelt es sich um eine Subpopulation von Bakterien, die zwar nicht vermehrungsfähig sind, jedoch das Antibiotikum – teils bei einem Vielfachen der MHK (minimale Hemmkonzentration) – überleben. Man spricht hier von „Persistierern“. „Das Problem ist, dass man diese Persistierer im klassischen Antibiogramm nicht detektieren kann“, sagte Karolyi. Dieses Phänomen beruht auf einer spezifischen Downregulation des bakteriellen Stoffwechsels.„Identifizieren kann man die Persistierer, indem man zunächst ein klassisches Antibiogramm macht und dann, in einem zweiten Schritt, das Antibiotikaplättchen durch ein Nährstoffplättchen ersetzt. Wenn dann innerhalb des Hemmhofs einzelne Kolonien wachsen, sind das Persistierer. Dies wird jedoch nicht standardmäßig durchgeführt“, erklärte der Experte. „Wenn man bei eigentlich empfindlichem Keim ein klinisches Therapieversagen sieht, sollte man unter anderem auch an Persistierer denken.“
Terminologie
Resistenz gegen Carbapeneme
Nachdem die Resistenz gegen Carbapeneme einen ganz wichtigen Aspekt des gesamten Resistenzproblems darstellt, ist gerade dort auch eine exakte Terminologie wichtig, soKarolyi: „Und hier gilt es, zwei Begriffe auseinanderzuhalten, die oft, aber fälschlicherweise synonym, verwendet werden: Carbapenem-resistente und Carbapenemase-produzierende Enterobakterien. Es kann nämlich sein, dass Enterobakterien gegen Carbapeneme resistent sind, ohne Carbapenemasen zu produzieren; umgekehrt muss die Produktion einer Carbapenemase nicht unbedingt Carbapenemresistenz bedeuten.“
Karolyis Vorschlag: Es wäre sinnvoll, von Carbapenemase-produzierenden Carbapenem-resistenten Enterobakterien, kurz CP-CRE, und nichtCarbapenemase-produzierenden Carbapenem-resistenten Enterobakterien, kurz NCP-CRE, zu sprechen, wie das in der Literatur teilweise schon gemacht wird. Jedenfalls sind sowohl der Phäno- als auch der Genotyp relevant.
3MRGN und 4MRGN
Ein anderer Aspekt der Terminologie sind 3MRGN und 4MRGN – eigentlich aus der Krankenhaushygiene stammende Bezeichnungen. Die vier hier angesprochenen Antibiotikaklassen sind: Acylureidopenicilline (Leitsubstanz: Piperacillin), Cephalosporine 3/4 (Leitsubstanzen Cefotaxim und/oder Ceftazidim), Carbapeneme (Leitsubstanzen Imi- und/oder Meropenem) und Fluorchinolone (Leitsubstanz: Ciprofloxacin). 3MRGN bedeutet dann multiresistente, gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen drei der vier Gruppen, 4MRGN Resistenz gegen alle vier. „Von Bedeutung ist hier, dass bei Nachweis einer Carbapenemase der Erreger automatisch als 4MRGN klassifiziert wird, unabhängig davon, ob phänotypisch auch eine Carbapenemresistenz vorliegt“, berichtete Karolyi.
„Die EUCAST definiert nun sogenannte Screening-Cut-off-Werte für die MHK, das sind solche, bei deren Überschreiten man auf die Suche nach einem Carbapenemasegen gehen muss“, erklärte der Experte.
Resistenzmechanismen
Ein wichtiger Mechanismus, der bei gramnegativen Erregern vorkommt, ist der Porinverlust. Porine sind, wie der Name schon sagt, porenformende Transmembranproteine in der äußeren Membran von gramnegativen Bakterien und dienen dem Stoffaustausch (Abb. 1). Durch sie können aber auch viele Antibiotika in das Bakterium eindringen, der Porinverlust bedeutet somit Resistenz gegen eine Reihe von Antibiotika. Allerdings nicht gegen alle: Gewisse amphiphile (also sowohl lipo- als auch hydrophile) Antibiotika, wie Cefepim oder Ceftolozan, benötigen keine Porine, um in die Bakterienzelle zu gelangen.
Abb. 1: Antibiotika passieren eine Bakterienwand durch einen Porinkanal
Ein anderer Mechanismus sind Effluxpumpen. Hier gibt es einerseits solche, die nur auf eine bestimmte Klasse von Antibiotika wirken, etwa nur auf Betalaktame, oder auch auf mehrere Klassen.
Weiters gibt es Gene, die eine Modifikation der Bakterienwand bewirken, was ebenfalls zu Resistenzen führen kann. Auch die Bildung von Enzymen, die bestimmte Antibiotika modifizieren und ihnen damit die Bindung an das Bakterium erschweren, ist ein beschriebener Resistenzmechanismus. Dies kann z.B. Aminoglykoside oder Chinolone betreffen.
Einer der wichtigsten Mechanismen ist die Bildung von Betalaktamasen. Diese können ein schmales Substratspektrum haben (wie z.B. Penicillinasen) oder auch ein sehr breites, nahezu die gesamte Palette an Betalaktamantibiotika umfassendes Spektrum, wie es z.B. bei KPC (Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemasen) der Fall ist.
„Häufig sind mehrere Mechanismen gleichzeitig vorhanden“, warnte der Infektiologe. Dies ist auch der Grund, warum ein Bakterium auch ohne Carbapenemaseproduktion resistent gegen Carbapeneme sein kann. Es liegt dann eben ein anderer Resistenzmechanismus vor. „Eine Kombination aus Porinverlust, Effluxpumpe und verschiedenen Betalaktamasen kann sehr wohl auch ohne Carbapenemase zu einer Carbapenemresistenz führen“, erklärte Karolyi.
MRSA und andere Gram-Positive
Einer der Resistenzmechanismen des Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) ist das mecA/C-Gen, das das Penicillin-bindende Protein 2a/c (PBP2a/c) verändert. Hier wirken dann keine Betalaktame, mit Ausnahme der zwei Cephalosporine der 5. Generation, Ceftarolin und Ceftobiprol. Allerdings ist die MRSA-Rate in Österreich mit unter 5% anhaltend niedrig, in anderen europäischen Ländern, z.B. Italien, ist sie wesentlich höher (um die 30%; in den USA sogar 50%). „Sehr viel höhere Methicillin-Resistenzraten weisen – auch in Österreich – die Koagulase-negativen Staphylokokken auf, nämlich 60 bis 80%“, fuhr Karolyi fort.
Daptomycin macht, umgangssprachlich ausgedrückt, Löcher in die Zellwand gram-positiver Bakterien. Auch dagegen gibt es Resistenzmechanismen. So verteilt Enterococcus faecalis das Antibiotikum so auf der Zelloberfläche, dass es nicht kumulieren und daher nicht wirken kann. E. faecium und S. aureus hingegen stoßen das positiv geladene Daptomycin elektrisch von ihrer Zelloberfläche ab.
Betalaktamasen
„Das Feld der Betalaktamasen ist nicht mehr überschaubar, inzwischen sind über 3000 verschiedene beschrieben“, so der Infektiologe. Häufig sind bei einem Erreger mehrere Betalaktamasen gleichzeitig vorhanden.
Weiterhin gültig ist die Ambler-Klassifikation (A–D), wobei Klasse A die Serinbetalaktamasen umfasst, Klasse B die Metallobetalaktamasen (MBL), Klasse C die Cephalosporinasen und Klasse D die Oxacillinasen. Allerdings sind auch die Klassen C und D zu den Serinbetalaktamasen zu zählen. Nur die MBL sind Zink-basiert.
„Eine weitere wichtige Unterscheidung besteht darin, ob eine Betalaktamase chromosomal oder Plasmid-kodiert ist. Das ist deshalb wichtig, weil chromosomale Betalaktamasen unter Umständen unter Therapie induziert und dereprimiert – und somit aktiviert – werden können“, erläuterte Karolyi. „Wichtig ist auch: Wenn ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen) vorhanden sind, dann darf man von einer Empfindlichkeit auf Meropenem nicht auf eine auf Ertapenem schließen, sondern man muss Ertapenem separat austesten“, warnte der Experte.
Carbapenemresistenz
Carbapenemresistenzen sind weltweit sehr unterschiedlich verteilt, sowohl was die Rate als auch was den verursachenden Mechanismus angeht. In Österreich wurden im Jahr 2020 bei Carbapenemase-produzierenden Enterobakterien bei 33/79 OXA-48-like, bei 23/79 NDM und nur bei 7/79 KPC detektiert.
„Allerdings gibt es, wie schon erwähnt, auch Fälle von Carbapenemresistenz ohne Carbapenemase. Das war in Österreich 2020 bei etwa einem Drittel der Carbapenemase-verdächtigen Enterobakterien-Isolate der Fall. Und meistens ist es dann eine Kombination aus Porinverlust, Effluxpumpe und anderen Betalaktamasen“, so Karolyi.
Die klinische Erfahrung, dass Patienten trotz Meropenemresistenz aufgrund von MBL manchmal gut auf Meropenem ansprechen, könnte darin begründet sein, dass MBL eben Zink-basiert sind. „Unsere Nährmedien haben viel Zink, der menschliche Körper im Infekt aber eher wenig, weshalb vielleicht die MBL in diesem zinkdepletierten Milieu dann nicht so gut funktionieren“, so Karolyi. „Das kann man auch im Labor mit zinkarmen Nährmedien nachweisen, wo dann plötzlich doch wieder eine Meropenemempfindlichkeit herauskommt. Ob das für alle MBL gilt oder nur für bestimmte, ist allerdings derzeit noch nicht klar.“
Quelle:
„Bakterielle Resistenzmechanismen“; Workshop mit Mag. Dr. Mario Karolyi, Wien, am 23. März 2023 beim 15. Österreichischen Infektionskongress in Saalfelden
Literatur:
beim Vortragenden
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