CMV – Virologie und Bedeutung bei Immunsuppression
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Das Zytomegalievirus (CMV) ist ein Vertreter der Familie der humanen Herpesviren. Es kann beim Menschen multiple Organe befallen und latent im Knochenmark überleben. Besonders immunkompromittierte Patienten, wie Transplantatempfänger, aber auch HIV- und ICU-Patienten sowie medikamentös Immunsupprimierte sind dem Risiko für eine CMV-Infektion ausgesetzt.
Virologie
„Das humane Zytomegalievirus (CMV) heißt eigentlich humanes Herpesvirus 5 (HHV-5) und gehört zur Subfamilie der Betaherpesvirinae“,erläuterte Priv.-Doz. Dr. Irene Görzer, Zentrum für Virologie, MedUni Wien. Es handelt sich dabei um ein großes, umhülltes doppelsträngiges DNA-Virus mit breitem Zelltropismus. „Wie alle Herpesviren kann auch CMV in eine Latenzphase mit sporadischen Reaktivierungen gehen, und auch eine Reinfektion mit einem anderen Stamm ist möglich“, so Görzer.
CMV ist weltweit verbreitet und seine Seroprävalenz in der Bevölkerung ist hoch. In Europa besitzen ca. 60% der Allgemeinbevölkerung Antikörper gegen CMV. „Das Virus ist ein Meister der Immunevasion“, fuhr die Expertin fort. „Allein ein Viertel aller CMV-Gene dient auf die eine oder andere Art diesem Zweck.“ Mischinfektionen mit verschiedenen CMV-Stämmen sind möglich – es gibt um die 200 unterschiedliche Stämme, soweit heute bekannt.
Viraler Lebenszyklus
Die Hülle des Virus ist mit einer Reihe unterschiedlicher Glykoproteine besetzt, die verschiedene funktionelle Aufgaben erfüllen (und deren genaue Ausprägung auch den Unterschied zwischen verschiedenen Virusstämmen ausmacht). „Das ist der Grund, warum CMV imstande ist, unterschiedliche Zelltypen zu infizieren“, erklärte die Virologin. So besitzt CMV z.B. einen pentameren Glykoproteinkomplex, der über entsprechende Rezeptoren an myeloide Zellen binden kann. Aber auch Fibroblasten, Langerhans-Zellen, Endothel- und Epithelzellen können von CMV befallen werden.
Nach Bindung des Virus an den Rezeptor kommt es entweder an der Zellmembran oder in einem Endosom zur Fusion mit der Zelle. Über Mikrotubuli der Zelle gelangt das Kapsid an die Kernmembran, wo die DNA in den Zellkern geschleust wird. Dort beginnen nach einer ziemlich exakt regulierten Abfolge die Produktion verschiedener Proteine und in weiterer Folge die Replikation des viralen Genoms. Das Kapsid wird im Zellkern zusammengebaut und mit der viralen DNA befüllt. Im Golgi-Apparat erfolgt die restliche Virussynthese und schließlich die Ausschleusung. „Allerdings geht man davon aus, dass die Viren oft gar nicht in den extrazellulären Raum kommen, sondern eher von Zelle zu Zelle direkt weitergegeben werden“, berichtete Görzer. „Das ist eigentlich schon der erste Schritt der Immunevasion, weil das Virus so nicht von neutralisierenden Antikörpern erkannt werden kann.“
Übertragungsweg und Virusnachweis
Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgt über verschiedene Körperflüssigkeiten, wie Speichel, Harn, Vaginalsekret, Samenflüssigkeit und auch Muttermilch. Man vermutet, dass die erste infizierte Zelle die Epithelzelle der betroffenen Schleimhaut ist. Über benachbarte Zellen gelangt das Virus in die Blutbahn und weiter ins Knochenmark. Dort infiziert es myeloide Progenitorzellen (CD34+), womit das Virus sein Latenzstadium erreicht hat. „In diesen Zellen bleibt die virale DNA in einer Art Ruhestadium“, erklärte Görzer. Wenn sich diese Zellen aber zu Monozyten und Makrophagen differenzieren, kann es immer wieder zur Reaktivierung der CMV-Infektion kommen. Über diese Zellen kann es in viele Körpergewebe gelangen, auch in Epithelien, von wo aus es an andere Menschen weitergegeben werden kann. Eine Reinfektion mit einem anderen Stamm durchläuft genau den gleichen Prozess wie die Primärinfektion. Alle drei Infektionsformen, also die Primärinfektion, die Reaktivierung und die Reinfektion, können eine Erkrankung auslösen, wobei ca. 90% der Infektionen asymptomatisch sind.
Wenn eine Virämie besteht, kann ein direkter Virusnachweis, zumeist mittels PCR, erfolgen. Ist dies gelungen, kann auch eine Resistenzbestimmung durchgeführt werden. Ob es sich dabei um aktive Viren handelt, kann – z.B. aus Harn oder Bronchiallavat – durch Bestimmung eines bestimmten Virusproteins, das in der Zelle nach Infektion synthetisiert wird, geklärt werden.„Allerdings wird bei einem immunkompetenten Wirt das Virus durch eine ausgeprägte immunologische Kontrolle, die sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem umfasst, in Schach gehalten“, so die Expertin. Die dabei gebildeten Antikörper gegen CMV dienen dem indirekten, serologischen Virusnachweis, der auch außerhalb einer virämischen Phase möglich ist.
„Mischinfektionen kommen relativ häufig vor; sie machen, je nach Studie, zwischen 20% und 85% aller CMV-Infektionen aus“, berichtete Görzer. Bei kongenitalen und postnatalen Infektionen liegt die Rate der Mischinfektionen zwischen 0% und 40%, nach Organtransplantationen bei ca. 90%. „Mischinfektionen haben oft zur Folge, dass die Virämie unter Therapie länger dauert, ein erhöhtes Abstoßungsrisiko nach Organtransplantation besteht und die Wahrscheinlichkeit einer symptomatischen Infektion höher ist“, so die Virologin.
CMV-Infektion bei Immunkompromittierten
„Die Patientengruppen, um die es hier geht, sind Patienten nach Stammzelltransplantationen (HSCT) sowie Transplantationen solider Organe (SOT), Patienten mit HIV-Infektion, Patienten auf der ICU und Patienten mit medikamentöser Immunsuppression – z.B. durch Ibrutinib, Daratumumab, Alemtuzumab und andere Biologika bzw. small molecules“, berichtete Univ.-Prof. Dr. Robert Krause, Klinische Abteilung für Infektiologie, MedUni Graz.
Reaktivierung und Erkrankungen
„Aufgrund der hohen Seroprävalenzraten kommt es durch Immunsuppression häufig zu CMV-Reaktivierungen; dies ist nach HSCT bei ca. 50%, nach SOT bei ca. 30% und bei ICU-Patienten ab der dritten Aufenthaltswoche bei ca. 35% der Fall“, fuhr Krause fort. Eine Studie zeigte, dass bei HSCT bei CMV-positivem Empfänger nahezu unabhängig vom Spenderstatus etwas über 30% Reaktivierungen auftraten, bei negativem Empfänger lag die Rate an CMV-Infektionen bei 11%, wenn der Spender positiv war. Waren beide negativ, betrug die Rate an CMV-Infektionen nur 4%. „98% aller CMV-Reaktivierungen erfolgen in den ersten 100 Tagen nach HSCT“, ergänzte Krause. Die CMV-Viruslast ist ein zeitabhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit nach HSCT. „Deshalb sollten CMV-Infektionen entweder frühzeitig diagnostiziert oder, noch besser, durch eine Prophylaxe verhindert werden“, forderte der Infektiologe.
Die Liste der möglichen CMV-Erkrankungen bei immunsupprimierten Patienten ist lang und reicht über Allgemeinsymptome, Retinitis, Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, Hepatitis und Pankreatitis bis hin zu Pneumonie, Nephritis und Enzephalitis. „Für viele dieser Erkrankungen gibt es genaue Definitionen, und sie werden – ähnlich wie auch Mykosen – in die Kategorien ,proven‘, ,probable‘ und ,possible‘ eingeteilt“, so Krause weiter. So gilt z.B. eine CMV-Pneumonie nur dann als bewiesen („proven“), wenn sowohl Klinik als auch Bildgebung dafürsprechen und eine Histologie samt Virusnachweis im Gewebe vorliegt.
Bei der HSCT werden Spender und Empfänger nach Möglichkeit bezüglich des CMV-Status gematcht – CMV-positive Empfänger werden vorzugsweise mit ebenfalls positiven Spendern gematcht, weil das weniger Probleme verursacht als bei negativen Spendern. Während der ersten 100 Tage nach HSCT erfolgt einmal wöchentlich – bei besonders hohem Risiko zweimal wöchentlich – ein CMV-Monitoring im Blut. „Was den Cut-off für die Einleitung einer präemptiven Therapie betrifft, so gibt es dazu keinen Konsensus. Sie sollte aber laut rezenter Literatur erfolgen, wenn sich die virale DNA innerhalb von maximal zwei Tagen verdoppelt oder wenn die Viruslast ≥103 Kopien/mL beträgt“, betonte der Experte.
Prophylaxe und Therapie
„Was die CMV-Prophylaxe angeht, muss man zwischen verschiedenen Situationen unterscheiden“, führte Krause aus. „Bei Transplantation solider Organe gibt es diesbezüglich keinen Konsens, wohl aber bei HSCT.“ Aciclovir und Valaciclovir sind in dieser Situation nicht zu verwenden, besser wirksam sind Ganciclovir und Valganciclovir. „Diese beiden Substanzen sind aber potenziell toxisch und können auch ein Nierenversagen auslösen, wenn sie längere Zeit gegeben werden. Letermovir ist für die Prophylaxe einer CMV-Reaktivierung bzw. -Erkrankung bei erwachsenen, CMV-seropositiven Empfängern einer allogenen HSCT zugelassen. In einer Studie konnte Letermovir im Vergleich zu Placebo bei 565 Patienten nach allogener HSCT die Rate an klinisch signifikanten CMV-Infektionen nach 24 Wochen signifikant von 60,6% auf 37,5% senken (Marty F et al.: N Engl J Med 2017; 377[25]: 2433-44). „Die Todesraten waren allerdings in dieser Studie nicht signifikant verschieden“, schränkte der Experte ein. Für Brincidofovir gibt es ebenfalls gute Daten zur CMV-Prophylaxe, es ist aber in Österreich noch nicht erhältlich.
In der Therapie der CMV-Infektionen können Ganciclovir und Valganciclovir eingesetzt werden, ebenso Foscarnet und Cidofovir, wobei die beiden Letzteren mit Nephrotoxizität einhergehen. Maribavir wurde im November 2021 von der FDA für Patienten mit fehlendem Ansprechen auf die Standardtherapie zugelassen. „Zu Letermovir und Brincidofovir gibt es für die Therapie derzeit nur Fallberichte.“ Die Dauer der Therapie sollte bei HSCT und SOT mindestens zwei Wochen betragen, wobei das Therapieziel eine negative PCR ist. „Bei persistierender Positivität sollte eine Resistenztestung erfolgen“, so Krause abschließend.
Quelle:
Vorträge von Priv.-Doz. Dr. Irene Görzer, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Robert Krause, Graz, im Rahmen des Giftigen LiveStreams „CMV – Virologie und Klinik“ am 23. Juni 2022
Vorträge abrufbar in der Mediathekunter https://infektiologie.co.at/
Literatur:
bei den Vortragenden
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