Covid-19 – quo vadis?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Der aus Österreich stammende Infektiologe Univ.-Prof. Dr. Emil Reisinger, der heute in Deutschland wirkt, spannte einen Bogen von der heutigen Situation der Pandemie zu möglichen zukünftigen Szenarien. Denn eines ist klar: SARS-CoV-2 wird uns erhalten bleiben.
SARS-CoV-2 ist undbleibt unberechenbar“, begann Univ.-Prof. Dr. Emil Reisinger, Infektiologe und Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock, Deutschland, seinen Eröffnungsvortrag beim 14. Österreichischen Infektionskongress in Saalfelden. Per 7. Mai 2022 waren weltweit mehr als 516 Millionen Fälle von Covid-19 aufgetreten, die zu mehr als sechs Millionen Todesfällen führten. Mehr als elf Milliarden Impfdosen wurden bereits verabreicht. „In Relation zu den weltweit weiter ansteigenden Fallzahlen ist aber erfreulicherweise die Zahl der Todesfälle in den letzten Monaten weltweit zurückgegangen.“
Für Österreich wurden über vier Millionen bestätigte Fälle und 18228 Tote vermeldet. In Deutschland, wie wohl auch in Österreich, ist inzwischen Omikron mit 99% die dominierende Variante, wobei 98% auf die Sublinie BA.2 entfallen, wie der Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts zeigt. Gleichzeitig ist der Höhepunkt der Omikron-Welle bereits überschritten. In Deutschland wie auch in Österreich sinkt die 7-Tages-Inzidenz. In Österreich betrug sie am 7. Mai 416/100000 Einwohner.
Von der Pandemie zur Endemie
„Wir werden irgendwann von der zurzeit noch vorhandenen Pandemie- in eine Endemiesituation übergehen“, prognostizierte Reisinger. „Das wird dann z.B. bedeuten, dass wir Covid-19-Patienten ganz normal im Krankenhaus auf den Stationen liegen haben werden, wobei dann natürlich schon vermehrte Hygienemaßnahmen notwendig sein werden.“
Interessanterweise gingen – jedenfalls am Anfang der Omikron-Welle – die Hospitalisierungszahlen in Deutschland sehr wohl nach oben, und zwar vor allem bei den älteren und alten Patienten. „Hätten wir doch alle über 60-Jährigen rechtzeitig geboostert“, mahnte der Experte, „dann wäre uns das erspart geblieben.“ Selbstverständlich betrafen die Krankenhausaufnahmen in erster Linie ungeimpfte Patienten, etwa im Verhältnis 6:1. Ein zusätzliches Problem stellt die Tatsache dar, dass die Ansteckungsraten in der Omikron-Welle so hoch waren, dass zahlreiche Krankenhausmitarbeiter ausfielen, was dazu führte, dass viele Spitals- und vor allem Intensivbetten wegen Mitarbeitermangels nicht zur Verfügung standen. Allerdings ging die Zahl der intensivpflichtigen Covid-19-Patienten in Deutschland schon im Jänner 2022 nach unten. Und auch in Österreich war ein ähnliches Phänomen zu beobachten: Per 8. Mai 2022 waren in Österreich 946 Personen wegen Covid-19 hospitalisiert und nur 81 benötigten eine Versorgung auf der Intensivstation. Ähnliche Tendenzen gibt es auch in anderen europäischen Ländern.
Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Fälle von an Covid-19 Verstorbenen in Österreich für die gesamte Pandemiezeit, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen.
Abb. 1: In Österreich an Covid-19 Gestorbene nach Altersgruppen seit Beginn der Pandemie (Quelle: ORF/AGES)
„Wenn man sich in dieser Abbildung die Personen über 65 wegdenkt, dann erkennt man, um wie viel geringer die Gesamtmortalität für die jüngere Bevölkerung im Vergleich zu den Älteren war“, kommentierte Reisinger.
Omikron – die mildere Variante?
Es wird allgemein angenommen, dass die Omikron-Infektion milder verläuft als z.B. die Infektion mit der Delta-Variante. „Man muss dazu allerdings festhalten, dass die tatsächliche ‚Case Fatality Rate‘ (CFR) auch bei Omikron extrem von der Durchimpfungsrate abhängt“, warnte Reisinger. Dies zeige etwa ein Vergleich der Zahlen aus Hongkong und Neuseeland. In Hongkong waren zu Beginn der Omikron-Welle 66% der über80-Jährigen ungeimpft – die CFR betrug 4,7%. Im Gegensatz dazu waren im gleichen Zeitraum in Neuseeland nur 2% der Gesamtbevölkerung ungeimpft – die CFR lag hier bei lediglich 0,1%. „Omikron ist also gar nicht so mild im Verlauf, wie wir glauben. Es ist die relativ hohe Impfrate, die vor Todesfällen schützt“, stellte der Experte klar.
Zum Thema Tests äußerte sich Reisinger eher kritisch. „Man kann gegen das Virus impfen, auch das Tragen von Masken bietet einen gewissen Schutz, aber die in Österreich gefahrene Strategie, so viel wie möglich zu testen, hat wohl doch keinen entscheidenden Erfolg gebracht.“ So sind bis zum Frühjahr 2022 in Österreich beachtliche 171 Millionen Tests auf Infektion mit SARS-CoV-2 durchgeführt worden. „Was man ebenfalls anmerken muss – und das gilt für Deutschland genauso wie für Österreich –, ist die Tatsache, dass die angeordneten Schutzmaßnahmen, die sehr oft verändert wurden und noch dazu in jedem Bundesland anders waren, viel zur Verwirrung der Bevölkerung beigetragen haben“, kritisierte Reisinger.
Omikron – ein eigener Serotyp?
Vor Kurzem wurde publiziert, dass sich die Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 antigenetisch von anderen SARS-CoV-2-Varianten unterscheiden. Dies wirkt sich natürlich auf die neutralisierende Wirkung von Impfungen aus, die ja nicht anhand der Omikron-Variante erstellt wurden. „Allerdings hat man auch gesehen, dass die Wirksamkeit z.B. der Biontech-Pfizer-Impfung nach der dritten Impfung auch gegen Omikron weitgehend wiederhergestellt werden konnte“, so Reisinger. „Man sieht nach dem Booster einen deutlichen Anstieg der neutralisierenden Antikörper, der sogar noch besser ausfällt, wenn man heterolog, also mit einem anderen Impfstoff, boostert. Übrigens steigt auch die zelluläre Immunität durch den Booster deutlich an.“
Was die genetische Evolution von SARS-CoV-2 angeht, ist noch vieles unklar. „Wenn man das mit dem Influenzavirus vergleicht, sieht man, dass dieses sich relativ linear in eine bestimmte Richtung entwickelt“, berichtete der Experte. „Das hat mit dem Evolutionsdruck durch geimpfte und genesene Personen zu tun. Bei SARS-CoV-2 sieht das noch ganz anders aus. Hier ist die Entwicklung zur Delta-Variante quasi als eine Richtung zu sehen, während Omikron in eine ganz andere Richtung geht. Es gibt bereits Wissenschaftler, die vorgeschlagen haben, Omikron als einen eigenen Serotyp 2 zu bezeichnen, der den anderen Varianten (Serotyp 1) gegenübersteht (Abb. 2).“
Abb. 2: Phylogenetische Abstammung der SARS-CoV-2-Varianten (modifiziert nach Simon-Loriere E, Schwartz O: Nat Rev Microbiol 2022; 20: 187-8)
Quo vadis?
„Man kann also sagen, dass SARS-CoV-2 derzeit noch keine Antigendrift zeigt, sondern zufällige evolutionäre Sprünge macht“, erklärte Reisinger. Aber auch den „Serotyp 1“ soll man keineswegs abschreiben. Dieser kann, etwa als Delta-Variante, in ineffizient geimpften Populationen wiederaufflammen, und es kann auch zu einer anthropozoonotischen Rückübertragung dieses Serotyps auf den Menschen nach Zwischenevolution in Tieren, z.B. Fleischfressern wie Katzen, kommen. Und schließlich ist auch eine Rekombination, z.B. als „Deltakron“ möglich. „Spätestens im Herbst 2022 ist eine neue Variante zu erwarten“, schloss Reisinger.
Quelle:
„Covid-19 – quo vadis?“, Eröffnungsvortrag des ÖIK am 22. März 2022, Saalfelden
Literatur:
beim Vortragenden
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