Mutationen von SARS-CoV-2
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die inzwischen aufgetauchten Mutationen des SARS-CoV-2 geben Anlass zur Sorge. Der aus Österreich stammende Vakzinologe Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, der in New York lebt und forscht, beantwortet wichtige Fragen zu diesem Thema.
Keypoints
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Die britische Variante (B.1.1.7) hat wenig Einfluss auf die Effizienz von Impfungen und therapeutischen Antikörpern.
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Die südafrikanische Variante (B.1.351) bewirkt einen moderaten, aber im Einzelnen vom Impfstoff abhängigen Verlust der Wirksamkeit, einen moderaten bis starken Abfall der neutralisierenden Aktivität von Rekonvaleszentenseren und einen starken Abfall der Wirksamkeit therapeutischer Antikörper. Die Abschwächung des Impfschutzes könnte zu einer erhöhten Rate an Reinfektionen führen.
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Für die brasilianische Variante (P.1) gilt Ähnliches wie für die südafrikanische.
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Insgesamt kann man sagen, dass Impfstoffe nach wie vor eine Schutzwirkung entfalten werden, aber mit mehr oder weniger Abschwächung der Effizienz.
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Wenn man die Gelegenheithat, sollte man sich unbedingt mit einem der drei vorhandenen Impfstoffe impfen lassen und nicht auf einen „besseren“ Impfstoff warten.
Was bedeutet Immunität gegen SARS-CoV-2?“, fragte Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA, und gab folgende Antwort: Antikörper werden gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2, dessen Rezeptorbindungsdomäne, aber auch gegen das Nukleoprotein und andere Virusproteine gebildet. Während jedoch Antikörper gegen das Spike-Protein das Virus neutralisieren und mit einem Schutz vor Infektion korrelieren, ist das bei Antikörpern gegen andere Virusproteine, z.B. das Nukleoprotein, nicht der Fall – diese Antikörper neutralisieren das Virus nicht. Die ebenfalls entstehende T-Zell-Antwort richtet sich gegen viele virale Proteine, wobei im Fall von SARS-CoV-2 eine starke CD4-Immunantwort, aber nur eine relativ schwache CD8-Immunantwort entsteht.
Pandemie und Mutationen
Die Coronavirus-Pandemie ist nun seit etwas mehr als einem Jahr im Gange und es gibt (per 28.2.2021) weltweit offiziell über 113 Millionen Fälle mit 2,5 Millionen Toten. „Die tatsächlichen Zahlen dürften jedoch um ein Vielfaches höher liegen“, ergänzte Krammer.
Somit gab es sehr viel Virusreplikation– und je mehr Replikation stattfindet, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Mutationen auftreten. „Allerdings besitzen Coronaviren einen Korrekturlesemechanismus und mutieren somit langsamer als andere Viren“, schränkte Krammer ein. „Und man hat gesehen, dass es in Patienten mit teilweise unterdrücktem Immunsystem zu einer beschleunigten Virusevolution kommt.“
Man vermutet nun aufgrund von Mutationsdaten, dass bestimmte Virusvarianten in persistent mit SARS-CoV-2 infizierten, immunsupprimierten Patienten entstanden sind und sich von dort ausgebreitet haben.
Die erste Variante, D614G, ist anscheinend auf dem Weg des Virus von China nach Europa entstanden. Während in China bis Februar 2020 noch nahezu ausschließlich D614 im Umlauf war, breitete sich in Europa bis etwa Mai 2020 die G614-Mutation aus, die etwas infektiöser sein dürfte. „Die Konsequenzen dieser Mutation waren aber eher gering“, kommentierte Krammer.
Die erfolgreichsten Varianten
In Großbritannien, wo im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel sequenziert wird, tauchte im Herbst 2020 die Variante B.1.1.7 auf, umgangssprachlich, wenn auch inkorrekt, als „britische Variante“ bezeichnet. Bis Jänner 2021 machte diese Variante in Großbritannien bereits ca. 80% aller Fälle von Covid-19 aus. „Man musste also davon ausgehen, dass diese Virusvariante einen Selektionsvorteil besitzt“, erklärte der Experte.
Auch B.1.351, die sogenannte „südafrikanische Variante“, ist erstmals im frühen Herbst 2020 sequenziert worden und hat sich innerhalb der folgenden zwei Monate sehr stark ausgebreitet. „In Südafrika und angrenzenden Ländern macht diese Variante inzwischen 95% aller SARS-CoV-2-Infektionen aus“, sagte Krammer.
Ganz ähnlich auch die Ausbreitung von P.1, der „brasilianischen Variante“ – auch sie ist im Spätherbst 2020 aufgetaucht und war schon im Jänner 2021 für 93% aller Infektionen in Manaus/Brasilien verantwortlich.
Was man bisher über diese drei Varianten weiß, ist, dass sie vermutlich infektiöser sind als der Wildtyp von SARS-CoV-2 (bei B.1.1.7 etwa um 35%), es ist aber noch nicht ganz klar, ob sie zu schwereren Verläufen führen als der Wildtyp. Und auch die Prävalenz in den verschiedenen Altersgruppen scheint nicht anders zu sein als beim Wildtyp.
Problematisch sind vor allem Mutationen an der Rezeptorbindungsdomäne, wie N501Y (die bei allen drei erwähnten Varianten vorkommt) sowie E484K und K417N/T, die bei der südafrikanischen und der brasilianischen Variante gefunden werden. Daneben gibt es auch Mutationen der N-terminalen Domäne (NTD), an der ebenfalls neutralisierende Antikörper angreifen, sodass Mutationen an diesem Epitop ebenfalls einen Schutz durch Antikörper negativ beeinflussen könnten.
Auswirkungen der Mutationen
Einige therapeutische, in den USA zugelassene und bereits verwendete Antikörper funktionieren zwar bei der britischen, nicht jedoch (oder nicht vollständig) bei den beiden anderen Varianten. „Es befinden sich aber viele weitere solche Antikörper, deren Wirksamkeit von den Mutationen nicht betroffen ist, in Entwicklung“, schränkte Krammer ein.
Dann erhebt sich die Frage, wie sich die Mutationen auf die neutralisierende Aktivität von Rekonvaleszentenseren bzw. Seren von Geimpften auswirken. Bei der britischen Variante scheint es da wenig Aktivitätsverlust zu geben. Bei der südafrikanischen Variante hingegen findet sich für Rekonvaleszentenseren ein starker, bei ca. 50% sogar ein kompletter Aktivitätsverlust. Hingegen zeigen Seren von Geimpften im Hinblick auf die südafrikanische Variante eine moderate Reduktion der neutralisierenden Aktivität. Bei der brasilianischen Variante dürften die Verhältnisse ähnlich wie bei der südafrikanischen sein.
Zur Auswirkung der bisher zugelassenen mRNA-Impfungen ist zu sagen: Diese Impfstoffe induzieren sehr hohe Titer an neutralisierenden Antikörpern; deshalb würde auch bei einer Reduktion um den Faktor 10 noch viel neutralisierende Aktivität übrigbleiben. Bei den beiden Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna war bereits dann eine Schutzwirkung gegeben, wenn die Titer der neutralisierenden Antikörper noch sehr niedrig waren. Zudem sind neutralisierende Antikörper nicht alles, was das Immunsystem nach der Impfung aufbietet; T-Zellen, B-Gedächtniszellen und auch nichtneutralisierende Antikörper (die über Fc-Rezeptoren wirken) können auch dann eine Schutzwirkung ausüben, wenn die Titer an neutralisierenden Antikörpern niedrig sind. „Ähnliche Daten gibt es inzwischen auch für Vektorimpfstoffe“, ergänzte Krammer.
Es gibt konkrete Daten zu einigen Impfstoffen für einige der Virusvarianten. So hat die in den USA und seit kurzem auch in der EU bereits zugelassene Impfung von Johnson & Johnson beim Wildtyp eine Effektivität von 72% gezeigt, bei der südafrikanischen Variante waren es 57%. Der Subunit-Impfstoff (rekombinantes Spike-Protein) von Novavax war gegen den Wildtyp zu 96%, gegen die britische Variante zu 86% und gegen die südafrikanische zu 60% wirksam. Der Vektorimpfstoff von AstraZeneca zeigte eine Effektivität von 84% gegen den Wildtyp und von 74% gegen die britische Variante. Gegen die südafrikanische Variante scheint die Wirksamkeit aber deutlich schlechter zu sein (angeblich nur etwa 10%). Dies hat dazu geführt, dass Südafrika sich Anfang Februar 2021 entschlossen hat, den AstraZeneca-Impfstoff nicht zu verwenden. „Hier herrscht eine gewisse Verwirrung, weil die WHO diesen Impfstoff nach wie vor auch gegen die südafrikanische Variante empfohlen hat“, bemerkte Krammer. „Da brauchen wir sicher noch mehr Daten.“
Für die beiden mRNA-Impfstoffe gibt es noch keine klinischen Daten zu den Virusvarianten. „Dabei muss man sagen, dass der Schutz gegen schwere Verläufe vermutlich aufrechtbleibt, wenngleich das oft schwer feststellbar ist, weil in den Impfstoffstudien die Zahl schwerer Fälle generell sehr gering ist“, so Krammer. Keine Daten gibt es derzeit zur brasilianischen Variante.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Frage, ob man bezüglich Impfungen auf etwas „Besseres“ warten soll, beantwortet Krammer sehr eindeutig: „Wenn man kann, soll man sich mit den vorhandenen Impfstoffen impfen lassen. Das Warten auf einen ,besseren‘ Impfstoff ergibt meiner Meinung nach keinen Sinn. Alle drei derzeit in Österreich verwendeten Impfstoffe schützen gegen den Großteil der zirkulierenden Viren sehr gut.“
Wie sich SARS-CoV-2 im Hinblick auf Mutationen zukünftig entwickeln wird, ist noch nicht abzusehen. „Wir haben derzeit noch keinen Antigen-Drift, wie wir es vom Grippevirus kennen“, erläuterte der Experte. „Aber was wir sicher brauchen, ist ein System, wie wir in Zukunft verfahren, wenn es notwendig wird, einen Impfstoff anzupassen bzw. auszutauschen. Das sollte man sich jetzt schon überlegen, um dann im Notfall schnell handeln zu können.“
Quelle:
„Mutationen des Covid-19-Virus“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Professor für Vakzinologie, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA,
im Rahmen des ÖGIT-Webinars „Covid-19-Mutationen und Impf-Update“ am 11. Februar 2021
Literatur:
beim Vortragenden
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