Triage – kein Tabuthema
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Notwendigkeit einer Triage während der Covid-19-Pandemie wurde in der Öffentlichkeit oft geleugnet, obwohl klar war, dass ein gewisses Ausmaß an Ressourcenverschiebungen notwendig war und durchgeführt wurde. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Zams in Tirol, sprach über Triage und was man dabei beachten muss.
Keypoints
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In der Pandemie ist (oder war) ein gewisses Ausmaß an Triage notwendig.
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Diese ist jedoch wenig evidenzbasiert (prospektive Studien sind nicht möglich), sie erfordert große klinische Erfahrung und kann zu Kollateralschäden (Verschiebung notwendiger Eingriffe in anderen Bereichen) führen.
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Die Erhebung eigener Outcome-Daten ist empfehlenswert.
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Für den Behandler kann die Notwendigkeit einer Triage problematisch sein.
Die Hauptrolle bei der Behandlung von Patienten zur Kriegszeit und im Katastrophenfall ist nicht der Medizin oder gar der Chirurgie, sondern einer tüchtigen Organisation zuzuweisen“, so zitierte Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin Krankenhaus St. Vinzenz, Zams, den russischen Chirurgen des 19. Jahrhunderts Nikolai Pirogow. „Pirogow hat ein System entwickelt, in dem verwundete Soldaten in fünf Kategorien eingeteilt und je nach Dringlichkeit behandelt wurden“, fuhr der Intensivmediziner fort. Grundsätzlich erfolgt eine Triage immer dann, wenn die notwendigen Ressourcen zur Patientenversorgung die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten übersteigen.
Tabelle 1 zeigt die heute gültigen Kategorien der Triage. Komponenten der Triage sind Sortierung, Priorisierung und Zuteilung ungenügend vorhandener Ressourcen. Ist die Belastung eines Krankenhauses gering, so genügt die Sortierung. Bei mäßiger Belastung kommt die Priorisierung dazu. „Das bedeutet eine Reihung von Patienten, z.B. für bestimmte diagnostische oder therapeutische Maßnahmen. Hier kommt aber noch jeder Patient dran“, erklärte der Intensivmediziner. Bei massiver Belastung müssen die nicht mehr zur Genüge vorhandenen Ressourcen zugeteilt werden. „Das ist die schwierigste Situation, in der nicht mehr alle Patienten gleichermaßen versorgt werden können.“
Tab. 1: Kategorien der Triage (Quelle: Hasibeder)
Dies sind oft bittere Entscheidungen, da häufig gerade jene Patienten, die rein medizinisch am meisten behandlungsbedürftig sind, nicht therapiert werden können, weil dazu die Ressourcen fehlen.
Kaum belastbare Daten in Österreich
Zwar ist die härteste Form der Triage in Österreich im Zuge der Covid-19-Pandemie nicht notwendig geworden. „Es kam aber zeitweise sehr wohl zu einer zunehmenden Ressourcenknappheit, insbesondere im Bereich der Intensivstationen. Das führte zu einem Ausweichen in Aufwachräume und Notaufnahmen, dann zum Transfer von Patienten in andere Krankenhäuser und schließlich doch auch zu einer Zuordnung der vorhandenen Ressourcen nach dem maximal zu erzielenden Nutzen“, sagte Hasibeder.
„Man muss dazu sagen, dass es gerade zur Ressourcenallokation wenig gute und belastbare Daten gibt“, fuhr der Experte fort. „Wir haben das auch nicht in unseren Köpfen, weil es in Österreich kaum jemals notwendig war. Wir gehen von der individuellen Behandlung – und Behandelbarkeit – jedes Patienten aus. Somit fehlt uns die Erfahrung, was zu einer Über- oder Untertriage führen kann. Und man braucht als Arzt eine gewisse psychische Stabilität, um solche Entscheidungen treffen zu können.“
Deshalb sollten nur Ärzte/Ärztinnen mit großer Erfahrung, starker Leadership, ausgeprägter Kommunikationsfähigkeit und klinischer Flexibilität Triageentscheidungen treffen. „Man muss dann eben damit leben, dass manche Patienten, die in Nicht-Krisensituationen sofort auf die Intensivstation kommen würden, jetzt in anderen Bereichen untergebracht werden müssen“, so Hasibeder.
SOP zur Triage
Grundsätzliche Kriterien, nach denen triagiert wird, sind der Patientenwille, die Schwere der aktuellen Erkrankung, die Schwere der Vorerkrankungen, funktionelle Leistungsreserven und (in manchen Triagesystemen) das Lebensalter.
In einer österreichischen SOP zur Triage heißt es:
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Im Rahmen einer Triage ist nur für diejenigen Patienten eine maximale Therapie (z.B. ICU, ECMO) indiziert, die im Rahmen einer Schaden/Nutzen-Abwägung durch eine technisch machbare medizinische Behandlung prognostisch eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit haben.
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Gleichwertig zum Ziel der Lebenserhaltung muss die Frage nach der künftigen Lebensperspektive und der Vermeidung einer „chronisch-kritischen Erkrankung“ die Indikationsstellung begründen.
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Intensivtherapie darf in der Triage-Situation nur nach Ausschöpfung aller möglichen Alternativen (z.B. Transfer auf eine andere ICU) vorenthalten oder beendet werden.
Quelle:
„Triage, wenn die Politik versagen sollte“, Vortrag von Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Krankenhaus St. Vinzenz, Zams, im Rahmen des Giftigen Live-Streams „Die Zuspitzung in der Covid-19-Pandemie“ am 21.12.2021
Literatur:
beim Vortragenden
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