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Amyloidosediagnostik

Amyloidose: bioptische Diagnosesicherung noch zeitgemäß?

Derzeit unterscheiden wir 42 Formen der Amyloidosen. Aufgrund unterschiedlicher Ursprünge und Pathomechanismen ergeben sich gänzlich unterschiedliche Therapien dieser 42 Amyloidoseformen. Eine exakte Charakterisierung des abgelagerten Amyloids ist insofern eine zwingende Voraussetzung für zielgerichtete Therapie. Welchen Stellenwert hat hier nach wie vor die bioptische Diagnosesicherung?

Keypoints

  • Das Amyloid-bildende Protein muss eindeutig charakterisiert werden, bevor mit einer Therapie gestartet werden darf.

  • Bei jeder ATTR muss das gleichzeitige Vorliegen eines Paraproteins ausgeschlossen werden.

  • Bei den hereditären ATTRmut gibt es Mutationen, die nicht im DPD-Scan anreichern und ein negatives Ergebnis liefern.

  • Risikoarme Biopsien sind die tiefe Duodenal- oder tiefe Rektumbiopsie, Biopsien der kleinen Speicheldrüsen und die Knochenmarkhistologie.

  • Bei hoher Dringlichkeit für den Beginn mit einer adäquaten Therapie ist eine rasche Biopsie des betroffenen Organs empfohlen.

  • Parameter zur Paraproteinabklärung sind die Serumelektrophorese, quantitative IgG, IgA und IgM, die Immunfixation in Serum und Harn und eine freie Leichtkettenbestimmung im Serum (wenn möglich mit „Binding Site Free Lite“-Test).

Bei den Erkrankungen aus dem Formenkreis der Amyloidosen werden fehlgefaltete Proteine gebildet und in verschiedenen Geweben und Organen abgelagert. Diese Ablagerungen zerstören die Struktur der betroffenen Organe, beeinträchtigen die Funktion bis zum völligen Verlust der Organfunktion und führen zum Tod des gesamten Organismus. Je nachdem, welches Protein fehlerhaft gebildet wird und welche Zellen diese pathogenen Proteine bilden, werden verschiedene Formen von Amyloidosen unterschieden. Die 2 häufigsten Formen sind die Leichtketten-Amyloidosen (AL) und Transthyretin-Amyloidosen (ATTR).

Die exakte Diagnose, welches Protein fehlgebildet wird und sich in den Geweben ablagert, ist, bis auf eine Ausnahme, nur mit einer Gewebebiopsie möglich. Das Gewebe wird dabei zuerst auf Kongorot gefärbt als Nachweis, dass es sich um Amyloid handelt. Anschließend muss eine exakte Typisierung erfolgen, entweder durch eine immunhistochemische Färbung oder mittels Massenspektrometrie. Nur wenn ganz klar definiert ist, welches Protein für die Ablagerungen ursächlich verantwortlich ist, darf mit einer entsprechenden Therapie gestartet werden.1

Wildtyp-ATTR und monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz

Die einzige Ausnahme bildet die kardiale Transthyretin-Amyloidose (ATTR). Bei dieser speziellen Form der Amyloidablagerungen kommt es zu einer typischen Anreicherung im Myokard mit dem 99mTechnetium(DPD)-Tracer, der bei nuklearmedizinischen Knochen-Scans verwendet wird. Von einer gesicherten ATTR-Diagnose spricht man nur dann, wenn die Positivität der Tracer-Anreicherung einer Intensität Grad III nach Perugini-Score entspricht und gleichzeitig kein Paraprotein nachweisbar ist. Eine schwächere Tracer-Anreicherung (Perugini-Score I bzw. II) gilt nicht als Diagnosesischerung und in diesen Fällen muss die Diagnose wiederum bioptisch gesichert werden. Selbiges gilt für den Fall, dass gleichzeitig Paraprotein vorliegt. Paraprotein muss jedenfalls ausgeschlossen werden, um ganz klar die Diagnose ATTR zu sichern. Dieses Vorgehen wird auch in den rezenten Algorithmen (2023) des ACC-Expertenkonsensus in „Decision pathway on comprehensive multidisciplinary care for the patient with cardiac amyloidosis“ festgelegt.2 Dieses Vorgehen ist vor allem für die Wildtyp-ATTR (ATTRwt) von großer Wichtigkeit, da sowohl ATTRwt als auch eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) Veränderungen sind, deren Inzidenz mit zunehmendem Alter ansteigt. Es gibt mittlerweile einige Publikationen zu diesem komplexen Thema. Es handelt sich derzeit ausschließlich um retrospektive Datenauswertungen. Es konnte mehrfach gezeigt werden, dass sich unter den Patient:innen mit ATTRwt ein unverhältnismäßig großer Anteil an Patient:innen mit einem Paraprotein findet,3 im Vergleich zu den bereits früher publizierten MGUS-Inzidenzen.4 Sobald eine Kombination aus Perugini-Grad-III-positivem DPD-Scan und einem Paraprotein vorliegt, besteht eine klare Indikation für eine Endomyokardbiopsie, um eine kombinierte ATTRwt + Leichtketten-Amyloidose (AL) zu bestätigen oder auszuschließen. Im Falle einer Kombination aus ATTR und AL sollte eine massenspektroskopische Auftrennung durchgeführt werden, um eine entsprechende kombinierte Therapie einleiten zu können.

Aus dieser Konstellation ergibt sich die Notwendigkeit, bei allen ATTRwt-Patient:innen eine Paraproteinbestimmung durchzuführen und auch vice versa bei allen MGUS-Patient:innen mit einem Alter >60 Jahre einen DPD-Scan durchzuführen.

DPD-negative Transthyretin-Mutationen (ATTRmut)

Zusätzlich muss das Bewusstsein geschaffen werden, dass es bei hereditären Amyloidoseformen, die von angeborenen Mutationen im Transthyretin-Gen hervorgerufen werden, einige Mutationen gibt, die sich nicht mit einem DPD-Scan nachweisen lassen.4 Wenn ein hochgradiger Verdacht auf das Vorliegen einer Amyloidose besteht und alle nicht invasiven Befunde ebenfalls das Vorliegen einer Amyloidose nahelegen, dann sollte unbedingt eine Biopsie durchgeführt werden, um einen validen Befund zu bekommen.5

Biopsielokalisation & -technik

Sollte eine Gewebebiospie notwendig werden, stellt sich immer wieder die Frage: Welches Gewebe soll biopsiert werden? In einigen Zentren ist es möglich, das Amyloid aus einer tiefen Fettgewebsaspiration zu bestimmen. Diese Entnahmetechnik birgt keine großen Risiken für die Patient:innen. Das Prozedere dieser Entnahmemethodik kann man webbasiert erlernen. Es gibt anschauliche Videos dazu im Internet. Der Nachteil dieser Methode ist, dass diese Fettgewebsaspirationen nicht für eine immunhistochemische Aufarbeitung geeignet sind. Diese Präparate können auch nicht eingedeckt werden und somit kann die gesetzlich vorgeschriebene Lagerung nicht eingehalten werden. Diese Methode ist nur anwendbar in Zentren, denen für die Amyloidcharakterisierung eine Massenspektrografie zur Verfügung steht. Für jene Zentren, die mit immunhistochemischen Methoden arbeiten, gibt es Gewebe mit niedrigem Biopsierisiko. Dazu gehören: eine tiefe Rektum- oder tiefe Duodenalbiopsie, eine Biopsie der kleinen Speicheldrüsen kombiniert mit einer Knochenmarkbiopsie. Wenn durch all diese Biopsien keine schlüssige Diagnose erstellt werden kann, der Verdacht auf das Vorliegen einer Amyloidose aber weiterhin sehr hoch ist, dann muss eine Biopsie des betroffenen Organs in Angriff genommen werden. Es gibt einige Zentren, die hauptsächlich und rasch das betroffene Organ biopsieren, um Zeit zu sparen und die Diagnosefindung nicht unnötig hinauszuzögern.6

1 Merlini GP et al.: Molecular mechanisms in amyloidosis. N Engl J Med 2003; 349(6): 583-96 2 Kittleson MM et al.: 2023 ACC Expert consensus decision pathway on comprehensive multidisciplinary care for the patient with cardiac amyloidosis: a report of the American College of Cardiology Solution Set Oversight Committee. J Am Coll Cardiol 2023; 81(11): 1076-1126 3 Lewis E et al.: Monoclonal gammopathy of undetermined significance in patients with transthyretin amyloidosis (ATTR): analysis using the iStopMM criteria. Clin Lymphoma Myeloma Leu 2023; 23(3): 211-7 4 Kyle RA, Rajkumar SV: Monoclonal gammopathy of undetermined significance. Br J Haematol 2006; 134(6): 573-89 5 Yiu Ming Khor et al.: 99mTc bone-avid tracer cardiac scintigraphy: Role in noninvasive diagnosis of transthyretin cardiac amyloidosis. Radiology 2023; 306(2): e221082 6 Hegenbart U et al.: Amyloidose (Leichtketten[AL]-Amyloidose). https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/amyloidose-leichtketten-al-amyloidose/@@guideline/html/index.html Onkopedia; zuletzt aufgerufen am 10.4.2024

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