
Arterielle Hypertonie: Bedeutung für die Neurologie
Autor:innen:
Dr. med. Mona Hirt
Prof. Dr. med. Nils Peters
Klinik für Neurologie und Stroke Center
Klinik Hirslanden, Zürich
E-Mail: mona.hirt@hirslanden.ch
E-Mail: nils.peters@hirslanden.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Über den Schlaganfall hinaus hat Bluthochdruck diverse potenzielle Auswirkungen auf das Gehirn und die hirnversorgenden Gefässe. Viele neurologische Notfälle gehen wiederum in der Akutsituation mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten einher. Prävention und Behandlung dieser Erkrankungen erfordern oft ein multidisziplinäres Vorgehen.
Keypoints
-
Arterielle Hypertonie ist einer der wichtigsten und modifizierbaren Risikofaktoren für verschiedene Subtypen von ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen sowie für vaskuläre Demenzen.
-
Akute Schlaganfälle gehen in der Akutphase oft mit hypertensiven Blutdruckwerten einher, Empfehlungen zur Blutdrucksenkung bestehen je nach Subtyp und geplanter Akuttherapie.
-
Einige weitere akut-neurologische Krankheitsbilder gehen ebenfalls mit Hypertension einher und betreffen häufig Patienten mit chronischen internistischen Erkrankungen.
-
Eine konsequente Blutdruckeinstellung ist essenziell in der Primär- und Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen.
-
Mikroangiopathische Veränderungen, die oft als Nebenbefund einer zerebralen Bildgebung beschrieben werden, beruhen oft auf chronischem Hypertonus und können zu vaskulärer Demenz und Gangstörungen führen. Über verschiedene Fachbereiche hinweg gilt es, diese Patienten nicht zu verpassen und ein konsequentes Blutdruckmanagement zu etablieren.
Die arterielle Hypertonie stellt einen der wichtigsten vaskulären Risikofaktoren dar. Neben den direkten vaskulären Auswirkungen auf das Gefässsystem führt die arterielle Hypertonie in der Folge zu diversen potenziellen Endorganschädigungen, unter anderem kardial, renal und zerebral, sodass in der Prävention und Behandlung verschiedene Fachdisziplinen involviert sind – so etwa Allgemeinmediziner, Internisten und Neurologen. Neurologische Endorganschädigungen sind dabei sehr häufig: Die aktuelle mediane Inzidenz für den Schlaganfall liegt bei etwa 250 pro 100000 Einwohnern pro Jahr.1 Auch Demenzen sind häufig mit Hypertonie assoziiert. Die Inzidenz und Prävalenz sind stark altersabhängig, mit einer Prävalenz von 13–16% bei 80- bis 84-Jährigen.2 Dies spiegelt sich auch in der Mortalität wider: In der aktuellen WHO-Statistik sind der Schlaganfall als dritthäufigste und Demenzerkrankungen als vierthäufigste Todesursache in Ländern mit hohem Einkommen aufgelistet.3 Da sowohl Schlaganfall als auch Demenz in engem Zusammenhang mit chronischem Bluthochdruck stehen, stellt die arterielle Hypertonie ein wichtiges Thema im Rahmen der Prävention und Therapie dieser Erkrankungen dar.
Hypertonie und Demenz
So geht Bluthochdruck im mittleren Lebensalter mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz einher.4–9 Dies gilt vor allem für die vaskuläre Demenz, die neben der Alzheimerdemenz die zweithäufigste Form der Demenzen darstellt. Eine vaskuläre Demenz kann etwa nach einem ersten Schlaganfall in einem strategischen Hirnareal oder nach mehreren Schlaganfällen (Multi-Infarkt-Demenz) entstehen.6 Die Prävalenz für Demenz nach einem ersten erlittenen Schlaganfall wird dabei bereits mit 10% angegeben.10 Neben dieser akut beginnenden Form einer vaskulären Demenz finden sich auch schleichende, teils chronisch progrediente Formen, die oftmals mit einer zerebralen Mikroangiopathie vergesellschaftet sind.6 Ein Hauptrisikofaktor für die zerebrale Mikroangiopathie und die vaskuläre Demenz ist die arterielle Hypertonie.4,6,11,12 Im klinischen Alltag begegnet eine Mikroangiopathie nicht nur Neurologen, sondern oft auch Vertretern anderer Disziplinen. Sie wird nicht selten als «Zufallsbefund» einer ambulant veranlassten Magnetresonanztomografie beschrieben, die oft aufgrund unspezifisch anmutender Symptome wie Gangverschlechterung oder subjektiver kognitiver Einschränkungen durchgeführt wird. Der scheinbare Zufallsbefund kann die Symptome aber oft gut erklären: Je nach Ausmass der mikroangiopathischen Hirnschädigung können sich die Patienten mit progredienten neurokognitiven Defiziten präsentieren (bis hin zur Ausbildung einer vaskulären Demenz), wobei hier z.B. Störungen der Exekutivfunktionen, psychomotorische Verlangsamung und Persönlichkeits- bzw. Stimmungsveränderungen charakteristisch sind.13 Neben kognitiven Störungen kann eine Mikroangiopathie auch mit Gangstörungen (z.B. kleinschrittiger oder parkinsonähnlicher Gang) vergesellschaftet sein.13 Dies ist klinisch auch insofern relevant, als eine eingeschränkte Mobilität zu erhöhter Sturzgefahr und funktioneller Abhängigkeit sowie einer schlechteren Lebensqualität beiträgt.
Pathophysiologisch kommt es zu Schädigungen der kleinen perforierenden zerebralen Gefässe mit konsekutiver Schädigung der weissen und der tiefen grauen Hirnsubstanz.11 Hierbei spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle, wie z.B. eine endotheliale Dysfunktion mit Störung der Blut-Hirn-Schranke und des zerebralen Blutflusses.11 Als bildmorphologisches Korrelat dieser chronischen Veränderung finden sich in der MR-Bildgebung unter anderem Lakunen (subkortikale, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume als möglicher Hinweis auf einen abgelaufenen Infarkt), perivaskuläre Räume (flüssigkeitsgefüllte Räume um die kleinen perforierenden Gefässe), zerebrale Mikroblutungen und eine Leukenzephalopathie («white matter hyperintensities» in den T2-/FLAIR-gewichteten Sequenzen).14 Abbildung 1 zeigt den typischen Befund einer Leukenzephalopathie auf dem Boden einer hypertonieassoziierten Mikroangiopathie mit beginnenden konfluierenden «white matter hyperintensities» in der FLAIR-Sequenz der MRT. Die oben beschriebenen Läsionen können individuell primär asymptomatisch sein und akkumulieren in der Regel im zeitlichen Verlauf, sodass auch der klinische Verlauf oftmals langsam progredient ist.
Abb. 1: Kernspintomografie (FLAIR-Sequenz) eines 56-jährigen Patienten mit einer langjährigen arteriellen Hypertonie und einer zerebralen Leukenzephalopathie als Zeichen einer hypertonieassoziierten zerebralen Mikroangiopathie mit bihemisphärischen beginnenden konfluierenden hyperintensen Marklagerläsionen («white matter hyperintensities»)
Hypertonie und Schlaganfall
Neben diesen chronischen Veränderungen im Gehirn lassen sich auch circa 25% aller akuten ischämischen Schlaganfälle auf das Vorliegen einer Mikroangiopathie zurückführen.11,14 Klassische Symptome mikroangiopathischer Schlaganfälle sind aufgrund der Lokalisation, die meist primäre motorische und/oder sensorische Bahnen betrifft, z.B. ein motorisches bzw. sensorisches Hemisyndrom oder eine ataktische Hemiparese.14 Diese mikroangiopathisch bedingten Schlaganfälle befinden sich periventrikulär, subkortikal in der weissen Substanz, in den Basalganglien und ggf. auch im Bereich des Hirnstamms und sind auf den Verschluss der kleinen perforierenden Arterien zurückzuführen. Die zerebrale Mikroangiopathie – als eine Ursache ischämischer Schlaganfälle – unterscheidet sich vor dem Hintergrund der direkten Schädigung der Gehirngefässe daher pathomechanistisch von anderen Schlaganfallursachen (atherosklerotische Makroangiopathie, kardioembolische Ischämien), bei denen der akute thrombotische bzw. thromboembolische Verschluss im Vordergrund steht.
Neben dem Risiko für akute ischämische Infarkte sind die durch Hypertonie bedingten mikroangiopathischen Schädigungen auch mit einem Grossteil der spontanen intrazerebralen Blutungen assoziiert.11,14,15 Hypertensiv bedingte intrazerebrale Blutungen finden sich ebenfalls vor allem in subkortikalen Hirnarealen (Stammganglien, Thalamus) als Ausdruck der Schädigung der tiefen Perforatoren oder in infratentorieller Lokalisation (Pons, Zerebellum). Man spricht im klinischen Alltag von sogenannten «intrazerebralen Blutungen loco typico» (Abb. 2).
Abb. 2: (a) Native Computertomografie eines 65-jährigen Mannes mit einer akuten hypertensiven Thalamusblutung links (Pfeil). Klinisch bestanden eine im Verlauf rückläufige Parese rechts sowie eine Aphasie. Als Zeichen einer chronischen arteriellen Hypertonie zeigen sich beidseits hypodense Marklagerveränderungen im Sinne einer zerebralen Mikroangiopathie (Sterne), korrespondierend zu «white matter hyperintensities» in der Kernspintomografie (vgl. Abb. 1). (b) Als Ausdruck der arteriellen Hypertonie finden sich intrakraniell zudem deutlich elongierte und ektatisch erweiterte hirnversorgende Arterien (Kreis)
Chronischer, nicht ausreichend kontrollierter Bluthochdruck wirkt sich jedoch nicht nur auf die kleinen, sondern auch auf die grossen hirnversorgenden Gefässe aus (Makroangiopathie, siehe auch Abb.2b). Dabei ist die arterielle Hypertonie zudem mit dem Risiko für die Bildung sogenannter instabiler Plaques assoziiert.16
Zudem erhöht Bluthochdruck indirekt auch das Risiko für kardioembolische Schlaganfälle. Eine Herzinsuffizienz, die bekanntermassen unter anderem als Folge einer hypertensiven Kardiomyopathie entstehen kann, kann zu thromboembolischen (z.B. durch das erhöhte Risiko für Vorhofflimmern) sowie bei eingeschränkter kardialer Auswurffraktion auch zu hämodynamischen Schlaganfällen führen.17
Blutdruck bei akutneurologischen Krankheitsbildern
Nicht nur ist die chronische arterielle Hypertonie ein Risikofaktor für einen Schlaganfall, Patienten mit einem ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall sind in der Akutsituation oft auch deutlich hypertensiv. Eine Metaanalyse von 2023 ergab, dass unter den Patienten, die sich mit einem hypertensiven Notfall auf einer Notfallstation vorstellten, neurologische Endorganschädigungen am häufigsten vertreten waren.18 Bei 25,5% dieser Patienten in Europa wurden ein ischämischer, bei 7,1% ein hämorrhagischer Schlaganfall diagnostiziert.18 Dem Blutdruckmanagement der oftmals akut hypertensiven Patienten kommt in der Akutphase des Schlaganfalls eine wichtige Rolle zu.
So ist das Ziel der akuten Therapiemassnahmen beim ischämischen Schlaganfall die Aufrechterhaltung der Durchblutung der Penumbra. Bei der Penumbra handelt es sich um das Hirngewebe, das noch lebensfähige Zellen erhält, durch die vorliegende Gewebsischämie im Falle einer fehlenden Reperfusion jedoch zu infarzieren droht. Die zerebrale Autoregulation, die unter physiologischen Bedingungen eine weitgehend konstante Durchblutung des Hirngewebes über einen weiten Blutdruckbereich hinweg gewährleistet, ist bei einem akuten Gefässverschluss oftmals gestört, sodass die Perfusion der Penumbra dann vom systemischen Blutdruck abhängen kann.19 Für die notärztlich tätigen Kollegen ist insbesondere die Empfehlung der European Stroke Organisation (ESO) relevant, dass bei Verdacht auf Schlaganfall keine präklinische Blutdrucksenkung vorgenommen werden soll.20 Eine kürzlich erschienene Studie zeigte, dass eine intensive präklinische Blutdrucksenkung (also vor Durchführung einer zerebralen Bildgebung zur Differenzierung zwischen ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall) nicht zu einem besseren funktionellen Outcome führt, wenn alle Schlaganfallpatienten betrachtet werden.21 Für hämorrhagische Schlaganfälle (nach erfolgter Bildgebung) ergeben sich Hinweise auf einen Vorteil einer frühen Blutdrucksenkung, bei ischämischen Schlaganfällen scheint sich dies sogar negativ auszuwirken.21 Da allein aufgrund der klinischen Symptomatik nicht zwischen Hämorrhagie und Ischämie unterschieden werden kann und ischämische Schlaganfälle prozentual deutlich häufiger sind, sollte die aggressive antihypertensive Therapie im Rettungswagen daher weitgehend unterlassen werden.
Blutdruckzielwerte im Rahmen der innerklinischen Versorgung sind abhängig von der Art der Akuttherapie (systemische Thrombolyse und mechanische Thrombektomie). Sollte keine Akuttherapie erfolgen, ist Zurückhaltung geboten. Hier sollte in den ersten 24 Stunden keine Blutdrucksenkung erfolgen, solange dieser nicht 220/110mmHg überschreitet.20 Anders sieht die Situation bei hämorrhagischen Schlaganfällen aus: Um eine Zunahme des Hämatoms zu vermeiden, sollte der Blutdruck auf systolische Werte von 110–140mmHg gesenkt werden, wobei eine zu starke Blutdruckreduktion (>90mmHg) ebenfalls unterlassen werden sollte.20
Neben dem ischämischen und dem hämorrhagischen Schlaganfall finden sich weitere akutneurologische Krankheitsbilder, die mit hypertensiven Blutdruckwerten einhergehen können. Die notfallmässige Abklärung und Therapie dieser Patienten erfordert oft ein interdisziplinäres Handeln von Notfallmedizinern/Internisten und Neurologen. Eines dieser akutneurologischen Krankheitsbilder, die mit hypertensiven Blutdruckwerten assoziiert sind, ist das posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom (PRES). Das PRES findet sich unter anderem bei Patienten mit Nierenversagen oder Autoimmunerkrankungen, unter immunsuppressiver bzw. zytotoxischer Medikation sowie bei Schwangeren mit Präeklampsie/Eklampsie.22 Diese Patienten werden entsprechend häufig primär von Internisten (Nephrologen, Onkologen oder Rheumatologen) betreut. Patienten mit PRES präsentieren sich meist mit akut bzw. subakut beginnenden Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen, visuellen Störungen oder quantitativer bzw. qualitativer Bewusstseinsstörung.22 Hier kommt es typischerweise zum Auftreten bilateraler okzipitaler (posteriorer) bzw. parietaler Hirnödeme, die pathophysiologisch wahrscheinlich auf einer Hyperperfusion mit folgender Blut-Hirn-Schranken-Störung durch einen Blutdruckanstieg über das obere Maximum der zerebralen Autoregulationsgrenze beruhen.22 Im Verlauf kann es komplikativ zu ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen kommen.23
Eine weitere wichtige neurologische Diagnose, bei der sich die Patienten oftmals mit hohen Blutdruckwerten auf einer Notfallstation vorstellen, ist die transiente globale Amnesie (TGA).24 Bei der TGA kommt es zu einer akut beginnenden anterograden und retrograden Amnesie, die bis zu 24 Stunden andauern kann.25 Da circa 60% der Patienten mit einer TGA eine vorbekannte arterielle Hypertonie aufweisen, ist unklar, ob es hier einen kausalen Zusammenhang mit dem Krankheitsbild gibt oder ob es sich um ein Epiphänomen handelt.24
Zusammengefasst existiert ein breites Spektrum neurologischer Krankheitsbilder, die mit Hypertonie assoziiert sind. Es gibt jedoch auch neurologische Erkrankungen, bei denen die Hypotonie im Vordergrund steht. Eine neurodegenerative Erkrankung, die im Rahmen der Mitbeteiligung multipler Systeme, inkl. des autonomen Nervensystems, mit orthostatischer Hypotonie durch eine gestörte autonome Regulation einhergeht, ist die Multisystematrophie. In der Behandlung der resultierenden Synkopen konnte vor Kurzem ein Erfolg mit einer implantierten epiduralen elektrischen Stimulation erzielt werden.26 Für den klinischen Alltag verschiedener Fachdisziplinen ist zudem wichtig zu wissen, dass Patienten mit chronischem Hypertonus bei Auftreten einer akuten Hypotonie (z.B. bei Sepsis, hämodynamisch relevanten Blutungen oder intraoperativ bei Blutdruckschwankungen) gefährdeter für eine mangelnde zerebrale Perfusion mit ischämischer Hirnschädigung sein können.27 Grund dafür sind die bei Bluthochdruck zu höheren Werten verschobenen Grenzen der zerebralen Autoregulation,28 die normalerweise eine weitgehend konstante Durchblutung des Hirngewebes über einen grossen Blutdruckbereich hinweg gewährleistet.
Blutdruckeinstellung im neurologischen Kontext
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die arterielle Hypertonie ein wichtiger und modifizierbarer vaskulärer Risikofaktor ist. Im Kontext neurologischer Erkrankungen ist ein schlecht eingestellter Blutdruck wie oben ausgeführt für einen grossen Teil aller ischämischen, aber auch hämorrhagischen Schlaganfälle verantwortlich. Im Rahmen der Sekundärprävention nach Schlaganfall ist die Etablierung einer suffizienten antihypertensiven Therapie ein entscheidender Faktor. Die aktuell empfohlenen Blutdruckzielwerte liegen dabei bei <130 bzw. 140mmHg systolisch und <80 bzw. 90mmHg diastolisch.29,30 Eine aktuelle Studie aus China legt nahe, dass eine intensivere Blutdruckreduktion auf systolische Werte unter 120mmHg bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko – die z.B. bereits einen Schlaganfall erlitten haben – sicher sein könnte und zu einer Reduktion weiterer vaskulärer Ereignisse führen kann.31 Im Rahmen einer intensiveren Blutdrucksenkung müssen jedoch immer auch die Verträglichkeit und patientenindividuelle Faktoren (z.B. Risiko für Hypotonie, Sturzgefahr) in Betracht gezogen werden, insbesondere bei betagten Patienten. Um eine nachhaltige Blutdruckkontrolle zu erreichen, kann – sofern keine Kontraindikationen bestehen – eine Zweifachtherapie angestrebt werden.30 Um die Compliance zu erhöhen, können Single-Pill-Kombinationspräparate ratsam sein. Auch wird in der Sekundärprophylaxe hämorrhagischer Schlaganfälle eine strikte Blutdruckeinstellung empfohlen.32,33
Insbesondere müssen aber die Bemühungen in der Primärprophylaxe weiter intensiviert werden. So sollten z.B. bildgebende «Zufallsbefunde» einer zerebralen Mikroangiopathie, die ambulant tätigen Kollegen im klinischen Alltag potenziell begegnen, weiterführende diagnostische Schritte bezüglich einer möglichen bisher nicht bekannten arteriellen Hypertonie nach sich ziehen und die Patienten sollten hinsichtlich weiterer vorliegender vaskulärer Risikofaktoren untersucht werden, welche dann leitliniengerecht behandelt werden. Somit können Folgeerkrankungen – wie z.B. Schlaganfälle und Demenzen – vermieden werden.
Literatur:
1 https://actionplan.eso-stroke.org/stroke-incidence ; letzter Zugriff 18.12.2024 2 DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.): S3-Leitlinie Demenzen. 4.0, 28.11.2023. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013 ; letzter Zugriff 18.12.2024 3 World Health Organization: The top 10 causes of death. 2024. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/the-top-10-causes-of-death ; letzter Zugriff 6.12.2024 4 Dichgans M, Zietemann V: Prevention of vascular cognitive impairment. Stroke 2012; 43: 3137-46 5 Emdin CA et al.: Blood pressure and risk of vascular dementia: evidence from a primary care registry and a cohort study of transient ischemic attack and stroke. Stroke 2016; 47: 1429-35 6 Dichgans M, Leys D: Vascular cognitive impairment. Circ Res 2017; 120: 573-91 7 McGrath ER et al.: Blood pressure from mid- to late life and risk of incident dementia. Neurology 2017; 89: 2447-54 8 Abell JG et al.: Association between systolic blood pressure and dementia in the Whitehall II cohort study: role of age, duration, and threshold used to define hypertension. Eur Heart J 2018; 39: 3119-25 9 Livingston G et al.: Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet 2020; 396: 413-46 10 Pendlebury ST, Rothwell PM: Prevalence, incidence, and factors associated with pre-stroke and post-stroke dementia: a systematic review and meta-analysis. Lancet Neurol 2009; 8: 1006-18 11 Wardlaw JM et al.: Small vessel disease: mechanisms and clinical implications. Lancet Neurol 2019; 18: 684-96 12 Hainsworth AH et al.: Cerebral small vessel disease, hypertension, and vascular contributions to cognitive impairment and dementia. Hypertension 2024; 81: 75-86 13 Sachdev P et al.: Diagnostic criteria for vascular cognitive disorders: A VASCOG statement. Alzheimer Dis Assoc Disord 2014; 28: 206-18 14 Duering M et al.: Neuroimaging standards for research into small vessel disease–advances since 2013. Lancet Neurol 2023; 22: 602-18 15 Arndt P et al.: Risk factors for intracerebral hemorrhage in small-vessel disease and non-small-vessel disease etiologies–an observational proof-of-concept study. Front Neurol 2024; 15: 1322442 16 van den Bouwhuijsen QJA et al.: Determinants of magnetic resonance imaging detected carotid plaque components: the Rotterdam Study. Eur Heart J 2012; 33: 221-9 17 Doehner W et al.: Interaction of heart failure and stroke: A clinical consensus statement of the ESC Council on Stroke, the Heart Failure Association (HFA) and the ESC Working Group on Thrombosis. Eur J Heart Fail 2023; 25: 2107-29 18 Siddiqi TJ et al.: Clinical outcomes in hypertensive emergency: a systematic review and meta-analysis. J Am Heart Assoc 2023; 12: e029355 19 Bath PM et al.: Blood pressure management for ischemic stroke in the first 24 hours. Stroke 2022; 53: 1074-84 20 Sandset EC et al.: European Stroke Organisation (ESO) guidelines on blood pressure management in acute ischaemic stroke and intracerebral haemorrhage. Eur Stroke J 2021; 6: XLVIII-LXXXIX 21 Li G et al.: Intensive ambulance-delivered blood-pressure reduction in hyperacute stroke. N Engl J Med 2024; 390: 1862-72 22 Fugate JE, Rabinstein AA: Posterior reversible encephalopathy syndrome: clinical and radiological manifestations, pathophysiology, and outstanding questions. Lancet Neurol 2015; 14: 914-25 23 Kaufmann J et al.: Frequency of ischaemic stroke and intracranial haemorrhage in patients with reversible cerebral vasoconstriction syndrome (RCVS) and posterior reversible encephalopathy syndrome (PRES) – A systematic review. Eur J Neurol 2024; 31: e16246 24 Taheri S et al.: Clinical course and recurrence in transient global amnesia: a study from the TEMPiS Telestroke Network. J Clin Neurol 2023; 19: 530-8 25 Bartsch T, Deuschl G: Transient global amnesia: functional anatomy and clinical implications. Lancet Neurol 2010; 9: 205-14 26 Squair JW et al.: Implanted system for orthostatic hypotension in multiple-system atrophy. N Engl J Med 2022; 386: 1339-44 27 Cipolla MJ et al.: The importance of comorbidities in ischemic stroke: Impact of hypertension on the cerebral circulation. J Cereb Blood Flow Metab 2018; 38: 2129-49 28 Strandgaard S et al.: Autoregulation of brain circulation in severe arterial hypertension. Br Med J 1973; 1: 507-10 29 Hamann GF et al.: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke: Teil 1, S2k-Leitlinie,2022. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien; letzter Zugriff 15.10.2024 30 Dawson J et al.: European Stroke Organisation (ESO) guideline on pharmacological interventions for long-term secondary prevention after ischaemic stroke or transient ischaemic attack. Eur Stroke J 2022; 7: I-XLI 31 Liu J et al.: Lowering systolic blood pressure to less than 120mm Hg versus less than 140mm Hg in patients with high cardiovascular risk with and without diabetes or previous stroke: an open-label, blinded-outcome, randomised trial. Lancet 2024; 404: 245-55 32 Steiner T et al.: European Stroke Organisation (ESO) Guidelines for the management of spontaneous intracerebral hemorrhage. Int J Stroke 2014; 9: 840-55 33 Steiner T et al.: Behandlung von spontanen intrazerebralen Blutungen, S2k-Leitlinie, 2021. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien; letzter Zugriff 1.12.2024
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
Hypertrophe Kardiomyopathie im Fokus – verstehen und behandeln
Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste erbliche Kardiomyopathie, die oft unbemerkt bleibt. Mit einer globalen Prävalenz von 1:500 und einem erhöhten Risiko für ...
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...