ATTR-Kardiomyopathie: Gene Silencer wirksam und sicher
Bericht: Reno Barth
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Im Rahmen des diesjährigen Kongresses der European Society of Cardiology (ESC) wurden Phase-III-Studiendaten zum Einsatz der „small interfering RNA“ (siRNA) Vutrisiran bei Transthyretin-Amyloidose(ATTR)-Kardiomyopathie vorgestellt. Sie zeigen eine substanzielle Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse sowie der Gesamtmortalität.
Keypoints
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Ergebnisse der HELIOS-B-Studie zeigen: Vutrisiran kann zu einer Reduktion der Gesamtmortalität und von kardiovaskulären Ereignissen bei hATTR oder wt-ATTR beitragen.
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Bei gleichzeitiger Therapie mit Tafamidis konnte die Gesamtmortalität mit Vutrisiran um 41% gesenkt werden.
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Die Studienpopulation von HELIOS-B entspricht weitgehend den Patienten im klinischen Alltag.
Bei der kardialen Verlaufsform der ATTR-Kardiomyopathie kommt es durch Aggregation fehlgefalteter Monomere des Transportproteins Transthyretin zur Bildung unlöslicher Amyloidfibrillen, die sich in unterschiedlichen Organen ablagern können. Eine häufige Manifestation ist die Kardiomyopathie (CM) mit restriktiver Herzinsuffizienz. Eine ATTR kann einen genetischen Hintergrund haben (hATTR) oder als „Wild-type“-TTR-Amyloidose (wt-ATTR) sporadisch vor allem bei Männern über 60 Jahre auftreten. „Eine ATTR-Kardiomyopathie führt zu progredienter Herzinsuffizienz, Arrhythmien, Verschlechterungen von funktionellem Körperstatus und Lebensqualität, Hospitalisierungen sowie zu einer erhöhten Mortalität“, so Prof. Dr. Marianna Fontana, University College London, die im Rahmen des ESC-Kongresses 2024 die Ergebnisse der Phase-III-Studie HELIOS-B präsentierte.
Diese untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit der „small interfering RNA“ (siRNA) Vutrisiran in der Behandlung der ATTR-CM. Unbehandelt ist die Prognose einer ATTR-CM mit einem geschätzten Überleben von zwei bis sechs Jahren ungünstig.1 „Die Prognose der Erkrankung konnte in den vergangenen Jahren durch neue therapeutische Optionen wie den Transthyretinstabilisator Tafamidis verbessert werden, es bleibt jedoch noch viel Potenzial für weitere Entwicklungen“, so Fontana.
Im Vergleich unterbindet Vutrisiran die Transthyretinsynthese in der Leber und wurde bereits auf Basis der Studie HELIOS-A für die Behandlung der hATTR-Polyneuropathie zugelassen.2
HELIOS-B: Studiendesign & -population
HELIOS-B ist eine randomisierte, doppelt verblindete Studie, für die an 87 Zentren in 26 Ländern 655 Patienten mit hereditärer oder „Wild-type“-ATTR-CM eingeschlossen und im Verhältnis 1:1 in Gruppen mit Vutrisiran 25mg oder Placebo subkutan alle drei Monate randomisiert wurden. Der primäre Endpunkt ist eine Kombination aus Gesamtmortalität und wiederkehrenden kardiovaskulären Ereignissen. Fontana weist darauf hin, dass in der HELIOS-B-Studie eine realistische, dem aktuellen Versorgungsstand entsprechende Population untersucht wurde. Das heißt, die Patienten befanden sich im Vergleich zu früheren Studien in einem weniger fortgeschrittenen Stadium der ATTR-CM und konnten unter verschiedenen Hintergrundtherapien wie SGLT2-Inhibitoren oder Tafamidis stehen. So befanden sich mehr als 3/4 der Patienten (77,6%) in einem NYHA-II-Stadium und 40% nahmen bei Einschluss Tafamidis. Die Population mit Monotherapie und die Gesamtpopulation wurden getrennt ausgewertet. Nach dem Ende der doppelblinden Studie (nach 33–36 Monaten) wurden die Patienten eingeladen, an einer offenen Verlängerungsstudie teilzunehmen.
Primäre & sekundäre Endpunkte erreicht
HELIOS-B erreichte alle primären und sekundären Endpunkte in beiden Studienpopulationen. Vutrisiran reduzierte das Risiko von Gesamtmortalität und kardiovaskulären Ereignissen um 28% in der Gesamtpopulation (HR: 0,72; 95%CI: 0,56–0,93; p=0,01; Abb. 1) sowie um 33% in der Population unter Monotherapie (HR: 0,67; 95% CI: 0,49–0,93; p=0,016). Fontana unterstreicht, dass beide Komponenten des primären Endpunkts in gleichem Maße zu diesem Ergebnis beitrugen. Eine präspezifizierte Subgruppenanalyse zeigte, dass Vutrisiran bei Patienten, die Tafamidis als Hintergrundtherapie erhielten, den primären Endpunkt um mehr als 20% sowie die Gesamtmortalität um 41% reduzierte. „Die Studie hatte allerdings nicht genügend Power, um in dieser Subgruppe Signifikanz zu erreichen“, so die Expertin.
Abb. 1: Primärer Endpunkt der HELIOS-B-Studie: statistisch signifikante Reduktion der Kombination Gesamtmortalität und wiederkehrende kardiovaskuläre Ereignisse (präsentiert am ESC-Kongress 2024)
Die Ergebnisse waren durch alle präspezifizierten Subgruppen konsistent. Über 42 Monate wurde die Gesamtmortalität um 36% in der Gesamtpopulation sowie um 35% in der Monotherapiepopulation gesenkt. Sowohl in der Gesamtpopulation als auch in der Monotherapiepopulation kam es in den Placebogruppen über die Dauer der Studie zu einem konstanten Anstieg des NT-proBNP, während dieser wichtige Biomarker unter Vutrisiran weitgehend stabil blieb. Die Auswertung der Daten lieferte auch Hinweise auf einen besonders deutlichen Vorteil bei frühem Einsatz von Vutrisiran. „Wir fanden einen Trend zu besseren Ergebnissen bei Patienten mit einem Alter unter 75 Jahren sowie bei Patienten mit einem NT-proBNP unter 2000ng/l“, ergänzt die Expertin.
Die Behandlung mit Vutrisiran wurde generell gut vertragen, das Nebenwirkungsspektrum entsprach den Erfahrungen aus früheren Studien. Nebenwirkungen waren mehrheitlich mild oder moderat. Unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, traten bei 3% der Verum- und bei 4% der Placebogruppe auf.3
„Vutrisiran erwies sich in HELIOS-B als hochwirksam und gut verträglich in einer Studienpopulation, die weitgehend den Patienten im klinischen Alltag entspricht. Die Vorteile von Vutrisiran waren unabhängig von einer Hintergrundtherapie mit Tafamidis. Die Ergebnisse zeigen, dass Vutrisiran das Potenzial hat, die neue Standardtherapie für ATTR-CM zu werden. Die Studie ist auch insofern von Bedeutung, als sie erstmals bei einem GeneSilencer einen Benefit in der Behandlung einer Kardiomyopathie zeigte“, so Fontana.
Nach Myokardinfarkt: Betablocker nicht absetzen
Die ABYSS-Studie widmete sich einer Frage, die sich im klinischen Alltag häufig stellt: Können bei Patienten nach Myokardinfarkt nach einer gewissen Zeit die von den Leitlinien empfohlenen Betablocker abgesetzt werden? In der randomisierten, nicht verblindeten Studie wurden Patienten mit Myokardinfarkt in der Anamnese eingeschlossen, die innerhalb der vergangenen sechs Monate kein kardiovaskuläres Ereignis durchgemacht hatten und eine linksventrikuläre Auswurffraktion von mindestens 40% aufwiesen. Diese Patienten wurden im Verhältnis 1:1 in Gruppen randomisiert, die den Betablocker absetzten oder weiter einnahmen. Primärer Endpunkt der Studie war eine Kombination aus Tod, nichttödlichem Myokardinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall oder Hospitalisierung aufgrund einer kardiovaskulären Ursache. Wichtigster sekundärer Endpunkt war die Veränderung der Lebensqualität, gemessen mit dem European Quality of Life–5 Dimensions Questionnaire.
Insgesamt wurden 3698 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 64 Jahren in 49 Zentren in Frankreich randomisiert. Der Männeranteil war mit 83% hoch. Die mediane Zeit zwischen dem letzten Myokardinfarkt und der Randomisierung betrug 2,9 Jahre. Über ein medianes Follow-up von 3 Jahren war das Absetzen der Betablocker der weiteren Einnahme nicht unterlegen. Mit anderen Worten: Patienten, die ihre Betablocker weiterhin einnahmen, hatten einen geringen, aber statistisch signifikanten Benefit. Ereignisse im Sinne des primären Endpunkts traten bei 23,8% der Patienten mit abgesetztem Betablocker vs. 21,1% der Patienten mit weiterer Betablockereinnahme auf (HR: 1,16; 95%CI: 1,01–1,33; p=0,44).Hinsichtlich sämtlicher Komponenten des primären Endpunkts zeigten sich geringe numerische Vorteile für die fortgesetzte Einnahme der Betablocker hinsichtlich Gesamtmortalität (4,0% vs. 4,1%), Myokardinfarkt (2,4% vs. 2,5%) sowie Hospitalisierungen aufgrund kardiovaskulärer Ursachen (16,6% vs. 18,9%). Das Absetzen der Betablocker hatte auch nachteilige Auswirkungen auf den systolischen Blutdruck sowie die Herzfrequenz und führte nicht zu einer Verbesserung der Lebensqualität.4
„Die ABYSS-Studie legt nahe, dass eine langfristige Therapie mit Betablockern nach einem Myokardinfarkt ratsam ist, auch wenn Patienten nicht unter Herzinsuffizienz, Arrhythmien oder unkontrollierter Hypertonie leiden“, so Studienautor Prof. Dr. Johanne Silvain, Sorbonne-Universität, Paris.
Absetzen von Renin-Angiotensin-Inhibitoren vor Operationen?
Die StudieSTOP-or-NOT untersuchtedie Auswirkungen des Absetzens von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RASI) vor nicht kardialen chirurgischen Eingriffen. In die an 40 französischen Zentren durchgeführte Studie wurden mehr als 2000 Patienten aufgenommen, die seit mindestens 3 Monaten RASI (ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker) einnahmen und elektive, größere Operationen vor sich hatten. Studienteilnehmende wurden 1:1 in Gruppen randomisiert, die 48 Stunden vor dem Eingriff RASI absetzten bzw. weiterhin einnahmen. Beiden Gruppen wurde empfohlen, nach der Operation so bald wie möglich wieder mit der RASI-Einnahme zu beginnen. Der primäre Endpunkt war eine Kombination von Gesamtmortalität und schweren postoperativen Komplikationen in den ersten 28 Tagen nach der Operation. Darunter fällt eine große Gruppe unerwünschter Ereignisse, die vom Bedarf einer Reoperation über venöse Thrombosen, Sepsis, hypertensive Krisen oder respiratorische Probleme bis hin zum Myokardinfarkt reicht.
Die Studie zeigte keinen Vorteil für die eine oder die andere Strategie. Der primäre Endpunkt trat in beiden Gruppen bei jeweils 22% der Patienten ein (RR: 1,02; 95%CI: 0,87–1,19; p=0,85). Dieses Ergebnis war durch alle Subgruppen konsistent. Intraoperative Episoden von Hypotonie traten unter fortgesetzter RASI-Therapie etwas häufiger auf (RR: 1,31; 95% CI: 1,19–1,44). Bei fortgesetzter RASI-Einnahme waren hypotensive Episoden während der Operation auch geringfügig länger als bei Patienten, die RASI abgesetzt hatten. Dies hatte jedoch offenbar keinen Effekt auf die klinischen Endpunkte.5
„Die Ergebnisse von STOP-or-NOT sind angesichts schwacher Empfehlungen in den Leitlinien klinisch relevant. Sie zeigen, dass beide Strategien akzeptabel sind, was Raum für individuelle Entscheidungen gibt“, so Studienautor Prof. Dr. Matthieu Legrand, University of California, San Francisco (USA). Man könne sich für das Absetzen entscheiden, wenn man Sorge hat, dass ein Patient mit dem Blutdruck zu weit abfallen könnte. Umgekehrt kann die Therapie aber auch weitergeführt werden, was insbesondere dann relevant ist, wenn Patienten ihre Medikamenteneinnahme nicht verändern wollen.
Quelle:
Hotline 1: „HELIOS-B - primary results from phase 3 study of Vutrisiran in patients with transthyretin amyloidosis with cardiomyopathy“, Vortrag von Dr. Marianna Fontana; „Beta blocker interruption in patients with prior myocardial infarction: results of the ABYSS trial and effect on blood pressure and heart rate control“, Vortrag von Dr. Johanne Silvain; „STOP-or-NOT - impact of renin-angiotensin system inhibitors continuation versus discontinuation on postoperative complications: a multicenter randomised, controlled trial“, Vortrag von Dr. Matthieu Legrand; präsentiert im Rahmen des ESC-Kongresses am 30.August 2024 in London
Literatur:
1 Gillmore JD et al.: A new staging system for cardiac transthyretin amyloidosis. Eur Heart J 2018; 39(30): 2799-806 2 Adams D et al.: Efficacy and safety of vutrisiran for patients with hereditary transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy: a randomized clinical trial. Amyloid 2023; 30(1): 18-26 3 Fontana M et al.: Vutrisiran in patients with transthyretin amyloidosis with cardiomyopathy. N Engl J Med 2024 4 Silvain J et al.: Beta-blocker interruption or continuation after myocardial infarction. N Engl J Med 2024 5 Legrand M et al.: Continuation vs discontinuation of renin-angiotensin system inhibitors before major noncardiac surgery: the Stop-or-Not randomized clinical trial. JAMA 2024; e2417123
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