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Das Long-QT-Syndrom und Sport
Jatros
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Mag. Dr. Thomas Berger
Ärztlicher Leiter<br> SKA-RZ Saalfelden<br> Ludwig Boltzmann Cluster – Institut für<br> Rehabilitation interner Erkrankungen<br> E-Mail: kardio.freistadt@gmail.com
30
Min. Lesezeit
23.02.2017
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<p class="article-intro">Bislang wurde Patienten mit Long-QT-Syndrom von sportlichen Aktivitäten abgeraten. Werden verschiedene Aspekte berücksichtigt und spielt auch die „Umgebung“ des Patienten mit – etwa durch Defibrillatorschulungen, kann von der stikten Auslegung auch abgegangen werden, wie rezente Publikationen zeigen. Wichtig dabei sind Beratung, richtige Therapie und Vermeidung von Triggerfaktoren.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die First Line-Therapie bei Patienten mit Long-QT-Syndrom sind Betablocker.</li> <li>ICD wird als Sekundärprophylaxe nach einem SCD-Ereignis bzw. trotz Arrhythmien unter Betablocker eingesetzt.</li> <li>Linksventrikuläre Denervierung (LCSD) ist die Ultima Ratio bei Long-QT-Syndrom.</li> <li>Sportliche Aktivitäten sind laut rezenten Beobachtungsstudien für Patienten mit Long-QT-Syndrom unter bestimmten Voraussetzungen möglich.</li> </ul> </div> <p>Das angeborene Long-QT-Syndrom (LQTS) ist gekennzeichnet durch eine Störung der ventrikulären Repolarisation. Klinisch finden sich häufig Palpitationen bis hin zu ventrikulären Tachyarrhythmien mit typischer Morphologie im EKG („Torsade de pointes“; Abb. 1) sowie Synkopen bzw. Ereignisse von plötzlichem Herztod (SCD). Diese Ereignisse manifestieren sich häufig bereits in der Kindheit bzw. in der Pubertät. Dafür verantwortlich ist eine hereditäre Funktionsstörung myokardialer Ionenkanäle. Es kommt dabei zu einer signifikanten Zunahme des Herzfrequenz- korrigierten QT-Intervalls (QTc). Hier gelten QTc-Intervalle =480msec für Frauen bzw. =470msec für Männer als pathologisch (Abb. 2).<br /> Es wird zwischen mehreren Subtypen des Long-QT-Syndroms, abhängig von den betroffenen Ionenkanälen, unterschieden. Die am häufigsten zu beobachtenden Subtypen sind das LQTS Typ I (KCNQ1-Gen), Typ II (KCNH2-Gen) und Typ III (SCN5AGen). Mittlerweile können pathophysiologisch in Abhängigkeit vom jeweiligen Subtyp verschiedene Trigger als Auslöser für SCD-Ereignisse definiert werden (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s26_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="357" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s26_abb2.jpg" alt="" width="1051" height="840" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s26_abb3.jpg" alt="" width="1051" height="865" /></p> <h2>Diagnose eines LQTS</h2> <p>Zur Diagnosestellung eines LQTS können verschiedene Score-Systeme herangezogen werden. In Tabelle 1 sind die Diagnosekriterien zur Beurteilung des LQTSRisikos nach Schwartz et al angeführt.<br /> Essenziell in der Abklärung eines verlängerten QT-Intervalls sind der Ausschluss reversibler Ursachen wie Elektrolytstörungen (Hypokaliämie) oder die Einnahme QTc-verlängernder Medikamente. Das Risiko für SCD-Ereignisse ist abhängig vom Ausmaß der QTc-Intervall-Verlängerung, dem Lebensalter, dem Genotyp und dem Geschlecht. Eine genetische Austestung bzw. ein Screening von Familienangehörigen kann in Erwägung gezogen werden, sollte aber immer in enger Rücksprache bzw. Betreuung in einer Rhythmusambulanz erfolgen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s26_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1743" /></p> <h2>Triggervermeidung und therapeutische Maßnahmen</h2> <p>Bei betroffenen Patienten sind essenzielle Maßnahmen das Vermeiden potenzieller Auslösetrigger wie z.B. Schwimmen/ Wassersport bei Patienten mit LQT1-Syndrom bzw. das Vermeiden von akuten Lärmbelastungen (Wecker, lauter Klingelton, ...) für Patienten mit LQT2-Syndrom. Therapeutisch im Vordergrund stehen das Vermeiden jeglicher QTc-verlängernder Substanzen (www.qtdrugs.org) sowie eine (medikamentöse oder chirurgische) Sympathektomie. Medikamentös sollte bei LQTS-Patienten mit einem QTc-Intervall =470msec die Gabe eines nicht kardioselektiven Betablocker begonnen werden. Auch nach einem synkopalen Ereignis bzw. einer dokumentierten ventrikulären Tachyarrhythmie sollte mit einer Betablockertherapie begonnen werden. Laut aktuellen Studienergebnissen (bei allerdings kleinem Patienten-Sample) wird Propranolol in einer Dosierung von 3–4mg/kg Körpergewicht pro Tag empfohlen (Chokalingam et al, JACC 2012). Bei Patienten nach SCD-Ereignis bzw. Patienten mit Ereignissen während der Betablockertherapie wird die Implantation eines implantierbaren Cardioverter/Defibrillator(ICD)- Systems empfohlen. Sollte eine medikamentöse Therapie aufgrund von Nebenwirkungen nicht möglich sein oder es zu vermehrten ICD-Therapien trotz bestmöglicher medikamentöser Therapie kommen, kann eine chirurgische linksventrikuläre Denervierung („left cardiac sympathetic denervation“, LCSD) angedacht werden (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s26_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1084" /></p> <h2>Ist Sport mit LQTS möglich?</h2> <p>Im klinischen Alltag stellt sich meistens auch sehr rasch die Frage, was den Betroffenen hinsichtlich ihrer körperlichen Belastbarkeit zumutbar ist. Bis vor Kurzem wurde für LQTS-Patienten in den entsprechenden Leitlinien (36th Bethesda Conference Guidelines 2005) empfohlen, jegliche Sportausübung aufgrund des erhöhten Tachyarrhythmie-Risikos strikt zu vermeiden. Dies ist allerdings gerade bei Kindern/Jugendlichen im Alltag nicht leicht durchführbar. Aktuell zeigte allerdings eine rezente retrospektive Beobachtungsstudie hinsichtlich des Freizeit-/Sportverhaltens von 103 Betroffenen mit LQTS über einen Beobachtungszeitraum von 7,3 Jahren ein relativ geringes SCD-Risiko. Während des Beobachtungszeitraums wurden bei allen Betroffenen keine SCDEreignisse während ihrer Freizeitsportaktivitäten verzeichnet. Eine Subgruppe von 23 Betroffenen war auch in sportlichen Wettkämpfen aktiv. Es zeigte sich in dieser Beobachtungsstudie insgesamt eine sehr geringe Gesamtereignisrate (5 „appropriate“ ICD-Schockabgaben bei 2 Patienten). Die beobachteten Ereignisse traten allerdings in keinem der Fälle während sportlicher Aktivitäten auf. Eine Betablockertherapie erfolgte bei 101 der 103 Patienten, 6 Patienten hatten einen ICD und 36 Patienten einen externen automatischen Defibrillator (EAD).<br /><br /> Die Resultate dieser Beobachtungsstudie legen nahe, dass eine strikte Vermeidung jeglicher sportlicher Aktivitäten durch Patienten mit LQTS nicht unbedingt notwendig ist. Betroffenen Patienten kann eine Teilnahme an Freizeitsportaktivitäten unter Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen erlaubt werden. Dazu zählen eine ausführliche Aufklärung über die etwaigen Risiken, eine medikamentöse Therapie mit Betablocker sowie die unmittelbare Verfügbarkeit eines automatischen externen Defibrillators mit entsprechender Schulung der Angehörigen bzw. der Betreuer bzgl. dessen Handhabung (inkl. Basic-Life-Support-Maßnahmen). Die Aufklärung von Patienten mit LQTS hinsichtlich der Partizipation an sportlichen Wettbewerben sowie die individuelle Betreuung sollten am besten in Zentren mit ausreichender Expertise erfolgen (Tab. 2).</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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