
Die Rolle der diastolischen (Dys)Funktion beim plötzlichen Herztod
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Der steife linke Ventrikel wird seit Längerem mit Komorbiditäten wie Hypertonie, Adipositas, koronarer Herzkrankheit, Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus assoziiert. Neu ist der Zusammenhang der Ausprägung der diastolischen Dysfunktion mit der Häufigkeit des plötzlichen (arrhythmischen) Herztodes.
Keypoints
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Achten Sie bei der Risikobeurteilung neben der Pumpfunktion auf die Ausprägung der diastolischen Dysfunktion.
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Lebensbedrohliche Arrhythmien können auch bei Patienten mit nur gering reduzierter linksventrikulärer Funktion, jedoch ausgeprägter diastolischer Dysfunktion auftreten.
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Neben der medikamentösen Therapie können Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität zur Risikoreduktion beitragen.
Die diastolische Dysfunktion wird als führende Pathophysiologie bei der diastolischen Herzinsuffizienz angenommen. Während bei der systolischen Herzinsuffizienz primär die Auswurfphase betroffen ist, steht bei der diastolischen Herzinsuffizienz eine Störung der Kammerfüllung im Vordergrund. Charakteristisch für die diastolische Herzinsuffizienz ist ein Anstieg der linksventrikulären Steifigkeit. Diese führt dazu, dass erheblich höhere Füllungsdrücke notwendig sind, um das linksventrikuläre Volumen zu steigern (z.B. unter Belastung). Somit kann das Schlagvolumen unter Belastung nur eingeschränkt bis gar nicht gesteigert werden. Beinahe die Hälfte aller Fälle von chronischer Herzinsuffizienz ist der diastolischen Herzinsuffizienz zuzuordnen.1, 2 In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur findet sich häufig der Begriff „heart failure with preserved ejection fraction“ (HFpEF, Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion).3
Epidemiologie
Die diastolische Funktionsstörung ist eine Erkrankung des älteren Menschen (durchschnittliches Alter ca. 75 Jahre), Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer und ca. drei Viertel der Betroffenen haben einen arteriellen Hypertonus. Eine koronare Herzkrankheit liegt dagegen bei weniger als 30% der Patienten vor.4 Wichtige andere Ursachen sind Diabetes, Adipositas und eine Aortenstenose. Seltener ist die Störung durch myokardiale Erkrankungen wie hypertrophe Kardiomyopathie, Speicherkrankheiten und Amyloidose oder Sarkoidose oder durch eine Erkrankung des Perikards bedingt. Im Gegensatz zur systolischen kann die diastolische Herzinsuffizienz isoliert auftreten.
Diagnostik
Klinik: Sofern fortgeschritten, kann sich jede Herzinsuffizienz durch Müdigkeit, Belastungsdyspnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, Orthopnoe, Halsvenenstauung, Rasselgeräusche, Tachykardien, Hepatomegalie und Ödeme manifestieren.
Echo: Die Doppler-Echokardiografie hatim Zusammenhang mitdem diastolischen transmitralen und pulmonalvenösen Blutfluss in der Diagnostik große Bedeutung: Hier entspricht die Spitzengeschwindigkeit des Blutflusses durch die Mitralklappe in der frühdiastolischen Füllungsphase der E-Welle. Die Vorhofkontraktion entspricht der A-Welle. Aus diesen Werten wird der E/A-Quotient errechnet. Normalerweise ist E größer als A, und der E/A-Quotient beträgt etwa 1,5. Bei der diastolischen Dysfunktion (Grad I) im Frühstadium ist die Relaxation gestört, und der E/A-Quotient sinkt bei kräftiger Vorhofkontraktion auf unter 1,0. Bei fortschreitender Erkrankung (Grad II) nimmt die linksventrikuläre Compliance ab, was den Druck im linken Vorhof und die frühe linksventrikuläre Füllung trotz gestörter Relaxation erhöht. Diese paradoxe Normalisierung des E/A-Quotienten heißt „Pseudonormalisierung“. Bei Patienten mit schwerer oder restriktiver diastolischer Dysfunktion (Grad III) kommt es insbesondere in der frühen Diastole zur Füllung des linken Ventrikels, was zu einem E/A-Quotienten über 2,0 führt. Bei unklarem Verhältnis kann die Messung der Pulmonalvenengeschwindigkeit weiterhelfen, sie ist aber technisch anspruchsvoll und kann nicht immer durchgeführt werden. Gewebedoppler (TDI) und Farbdoppler-M-Mode sind zusätzliche echokardiografische Techniken, die bei der Diagnose unterstützend eingesetzt werden.
MRT: Neuerdings gibt es Bemühungen, auch die MRT als diagnostisches Werkzeug zu normieren.5
Herzkatheter: Bei fortgeschrittenen Fällen können sich eine postkapilläre pulmonale Hypertension und daraus resultierend eine rechtsventrikuläre Funktionseinschränkung entwickeln.
Labor: Plasma-NT-proBNP-Werte über 220pg/ml beziehungsweise Plasma-BNP über 200pg/ml bei Patienten mit normaler systolischer Linksventrikelfunktion, diastolischer Funktionsstörung in der Echokardiografie und Herzinsuffizienzzeichen können zusätzlich wertvolle Informationen geben.
Medikamentöse Behandlung
Bei diastolischer Funktionsstörung ist es wichtig, die Herzfrequenz zu kontrollieren und eine Tachykardie zu verhindern, um die diastolische Füllungsperiode zu maximieren. Betablocker sind zu diesem Zweck besonders nützlich, doch sie beeinflussen die myokardiale Relaxation nicht direkt. Eine Optimierung der Hämodynamik wird durch eine Senkung der kardialen Vorlast und Nachlast erreicht. ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker beeinflussen die myokardiale Relaxation und Compliance direkt, indem sie die Bildung von Angiotensin II hemmen oder Angiotensin-II-Rezeptoren blockieren und so die interstitielle Kollagenablagerung und Fibrose verhindern. Zuletzt zeigte sich auch, dass die Kombination aus Sacubitril und Valsertan (Entresto®) Symptome lindern kann. Das Hormon Aldosteron fördert die kardiale Fibrose. Der Aldosteronantagonist Spironolacton (Aldactone® oder Generika) wurde in klinischen Studie bei Patienten mit systolischer und zuletzt auch diastolischer Herzinsuffizienz untersucht: Es kam zu einer Reduktion der Herzinsuffizienz-assoziierten Mortalität.6, 7 Kalziumantagonisten bessern die diastolische Funktion direkt durch eine Myokardrelaxation und indirekt durch Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz und Minderung der myokardialen Ischämie. Doch sollten Kalziumantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ wie Verapamil (Isoptin® oder Generika) und Diltiazem (Dilzem® oder Generika) bei Patienten mit linksventrikulärer Funktionsstörung nicht verwendet werden. Vasodilatatoren wie Nitrate und Hydralazin können aufgrund ihrer antiischämischen und vorlastsenkenden Wirkungen hilfreich sein, jedoch ist Vorsicht geboten bei reduzierter systolischer Funktion.
Diastolische Funktion und der plötzliche Herztod
Bisher wurde in der Bewertung des Riskos für den plötzlichen Herztod ein Unterschied zwischen diastolischer und systolischer Funktion gemacht. Einerseits wurde bei Patientinnen und Patienten mit nichtsystolischer Herzmuskelschwäche dasRisiko für plötzlichen Herztod als geringerbeurteilt und sie erhielten daher seltener einen primärprophylaktischen Defibrillator. Andererseits war die Datenlage mangels vorhandener Studien bislang einfach zu dünn. Dass auch die diastolische Dysfunktion gefährlich ist, konnte nun im Rahmen einer Studie an 210 Risikopatientinnen und -patienten mit bislang nicht vorhandenen oder ungefährlichen Herzrhythmusstörungen über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren untersucht werden.8 Die Anzahl der potenziell arrhythmisch tödlich verlaufenden Fälle war viel höher als erwartet, und der Zusammenhang mit der Ausprägung der diastolischen Funktionsstörung ist frappant (Abb. 1). Leider betrifft der plötzliche Herztod auch Patienten mit nur gering reduzierter Linksventrikelfunktion bzw. ist von dieser relativ unabhängig.8 Diese Publikation ist aus einer Kooperation der MedUni Wien (Klinische Abteilung für Kardiologie, Studienleiter Thomas Pezawas) und der Vanderbilt University (Departments of Medicine and Autonomic Dysfunction Center, Nashville, TN, USA) entstanden und wurde vom National Institute for Advancing Translational Science of the National Institute of Health (NIH), USA, unterstützt.
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Abb. 1: Die diastolische Dysfunktion ist mit einem signifikant erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod verbunden – unabhängig von der systolischen Pumpfunktion. Studiendesign: prospektiv, Untersucher-geblindet. 180 Patienten: ischämische oder dilatative Kardiomyopathie, 30 Patienten: normale LVEF. Primärer Endpunkt: arrhythmischer Tod oder überlebter plötzlicher Herztod. Die diastolische Funktion wurde in normal (N) or Dysfunktion Grad I–III eingeteilt (Dia_I-III).8
Prävention
Zur Primärprävention der diastolischen Herzinsuffizienz zählen die aggressive Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes, Hypercholesterinämie und koronarer Herzkrankheit. Änderungen des Lebensstils wie Gewichtsabnahme, Einstellung des Rauchens, Ernährungsumstellung, Einschränkung des Alkoholkonsums und körperliche Aktivität dienen der Prävention der diastolischen und der systolischen Herzinsuffizienz. In wieweit Antidiabetika (SGLT2-Inhibitoren) eine günstige Wirkung entfalten, wird derzeit im Rahmen klinischer Studien untersucht. Die diastolische Dysfunktion kann jahrelang asymptomatisch bleiben. Eine frühzeitige Diagnosestellung und Behandlung sind wichtig, um irreversible strukturelle Veränderungen und Folgeschäden zu verhindern.
Autor:
Assoc. Prof. PD Dr. Thomas Pezawas
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Klinische Abteilung für Kardiologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: thomas.pezawas@meduniwien.ac.at
Literatur:
1 Bhatia RS et al. Outcome of heart failure with preserved ejection fraction in a population-based study. N Engl J Med 2006; 355(3): 260-9 2 Owan TE et al.: Trends in prevalence and outcome of heart failure with preserved ejection fraction. N Engl J Med 2006; 355(3): 251-9 3 O‘Meara E et al.: CCS/CHFS Heart Failure Guidelines: Clinical trial update on functional mitral regurgitation, SGLT2 inhibitors, ARNI in HFpEF, and tafamidis in amyloidosis. Can J Cardiol 2020; 36(2): 159-69 4 Tribouilloy C et al.: Prognosis of heart failure with preserved ejection fraction: a 5 year prospective population-based study. Eur Heart J 2008; 29(3): 339-47 5 Kermer J et al.: Assessment of diastolic dysfunction: comparison of different cardiovascular magnetic resonance techniques. ESC Heart Fail 2020 6 Edelmann F et al.: Effect of spironolactone on diastolic function and exercise capacity in patients with heart failure with preserved ejection fraction: the Aldo-DHF randomized controlled trial. JAMA 2013; 309(8): 781-91 7 Pfeffer MA, Pitt B, McKinlay SM. Spironolactone for heart failure with preserved ejection fraction. N Engl J Med 2014; 371(2): 181-2 8 Pezawas T et al.: Importance of diastolic function for the prediction of arrhythmic death: A prospective, observer-blinded, long-term study. Circ Arrhythm Electrophysiol 2020; 13(2): e007757
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