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Prävention und Rehabilitation

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: „Sex and gender matter!“

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Österreich die häufigste Todesursache sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Männer haben jedoch tendenziell ein höheres Risiko, in jüngeren Jahren Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen. In beiden Geschlechtern sind Sekundärpräventionsmaßnahmen nach einem Herz-Kreislauf-Ereignis generell empfohlen.

Keypoints

  • Die Zuweisung zur HKL-Rehabilitation ist eine Klasse-1A-Empfehlung.

  • Sowohl für Frauen als auch Männer ist der richtige Zeitpunkt für die Rehabilitation von entscheidender Bedeutung für den Erfolg.

  • Frauen werden signifikant weniger oft zur HKL-Rehabilitation zugewiesen.

In welchem Alter eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (HKE) auftritt,hängt unter anderem von genetischen Faktoren, aber auch von unterschiedlichen Lebensstilfaktoren wie Rauchen, ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel ab. Das Risiko für Frauen,eineHKE zu bekommen, steigt jedoch signifikant nach der Menopause (Abb. 1).1

Abb. 1: Herzinfarktsterblichkeit in den Jahren 2020 und 2011 nach Altersgruppen (nach der Deutschen Herzstiftung e.V., 2021)1

Bezogen auf die Anzahl interventioneller und chirurgischer Eingriffe zeigt sich allerdings, dass Frauen in Deutschland 2020 weniger häufig mittels Koronarangiografie bzw. Koronarchirurgie versorgt wurden als Männer (Abb. 2 und 3).1

Abb. 2: Zahl der stationären Patient:innen mit Linksherzkatheteruntersuchung nach Geschlecht im Jahr 2020 (nach der Deutschen Herzstiftung e.V., 2021)1

Indikationen zur HKL-Rehabilitation

Abb. 3: Koronarchirurgie – Anzahl & Anteil der Eingriffe 2020 (nach der Deutschen Herzstiftung e.V., 2021)1

Die Zuweisung zur HKL-Rehabilitation ist laut der European Society of Cardiology (ESC) eine Klasse-1A-Empfehlung.2 Diese Empfehlung gilt in folgenden Indikationen:

  • nach Bypassoperation

  • St.p. Myokardinfarkt (MCI) <12 Monate

  • St.p. perkutaner transluminaler Koronarangioplastie (PTCA)/Stentimplantation

  • chronische stabile Angina pectoris (AP)

  • St.p. Klappenersatz/-rekonstruktion

  • Herzinsuffizienz (HFrEF/HEFpEF)

  • St.p. Herz- oder Lebertransplantation

  • periphere arterielle Verschlusskrankheit

Obwohl es derzeit keine Leitlinien dafür gibt, hat sich gezeigt, dass im Rehabilitationsalltag auch Patient:innen mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie und myokardialen Speicherkrankheiten (bspw. Amyloidose) von einer HKL-Rehabilitation sehr profitieren.

Idealer Zeitpunkt für eine HKL-Rehabilitation

Von großer Bedeutung für den Beginn der Rehabilitation ist der richtige Zeitpunkt. Es kommt sehr häufig vor, dass Patient:innen nach akuten koronaren Ereignissen oder operativen Eingriffen erst nach 4–6 Monaten mit der Rehabilitation beginnen, mit der Information, dass sie erst fit genug sein müssen ― das Gegenteil ist aber der Fall. Gerade in den ersten Wochen nach einem Herzinfarkt oder in der frühen postoperativen Phase sind Patient:innen verunsichert und benötigen Unterstützung hinsichtlich ihrer Aktivität und Teilhabe an ihrem Leben. Bei älteren Personen geht es auch um Kräftigung und diätologische Maßnahmen, wie z.B. den Ausgleich eines Eiweißmangels. Zu erwähnen ist auch, dass körperlich aktive Therapien an die Leistungsfähigkeit der Patient:innen angepasst sein müssen und speziell für geschwächte Personen aktivierende Therapien auch im Sitzen oder motorgestützt möglich sind. Psychologische Einzelgespräche sind für die Krankheitsbewältigung hilfreich. Ideale Zeitpunkte für den Beginn einer HKL-Rehabilitation sind:

  • 14 Tage nach dem Ereignis bei St.p. MCI, PTCA (bei Patient:innen mit normaler bis mittelgradig reduzierter LVEF)

  • innerhalb von 4 Wochen nach minimalinvasiven herzchirurgischen Interventionen

  • 6 Wochen nach herzchirurgischem Eingriff mit Sternotomie

Zuweisung zur HKL-Rehabilitation

Bereits vor der Corona-Pandemie zeigt sich eine sinkende Zuweisungsrate zur HKL-Rehabilitation. Waren es 2019 noch 32500 Patient:innen, so ist die Anzahl 2021 auf 27256 gesunken (Tab. 1).3 Mögliche Ursachen können ein sinkendes Bewusstsein für die Bedeutung von Sekundärpräventionsmaßnahmen sein, oder oftmals ist es der Eindruck, dass nach einem Stent ohnehin wieder alles in Ordnung sei.

Tab. 1: Rehabilitationen 2019, 2020 und 2021 (nach Statisik Austria)2

Sieht man sich die Zuweisungsrate unter geschlechtsspezifischen Aspekten an, so ist es offensichtlich, dass Frauen signifikant weniger oft zur HKL-Rehabilitation zugewiesen werden. Ein Trend, der sich schon seit Jahren abzeichnet. 2023 wurden im Reha-Zentrum Bad Tatzmannsdorf der Pensionsversicherung (PV) 67% Männer und 33% Frauen aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme sind Frauen älter und haben mehr Komorbiditäten im Vergleich zu Männern. Frauen sind durch Schmerzen und aufgrund einer geringeren Muskelmasse und längerer Phasen von körperlicher Inaktivität hinsichtlich ihrer Aktivität und Teilhabe mehr beeinträchtigt als Männer und weisen eine geringere Lebensqualität auf.

In einer aktuellen Publikation kann dieser Trend bestätigt werden.4 Geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen sowohl hinsichtlich der Zuweisung als auch der Absolvierung rehabilitativer Maßnahmen. Bei der Teilnahme an medizinischen Trainingstherapien zeigt sich bei Frauen ein geringerer Erfolg als bei Männernund zwar,wie bereits zuvor erwähnt,aufgrund vonvermehrten Schmerzen bei geringerer Muskelkraft. Zu den Barrieren für Frauen, an rehabilitativen Maßnahmen teilzunehmen, zählen familiäre Verpflichtungen, komplexe Komorbiditäten, Schmerzen, das Alter und ein niedriger Bildungsgrad.

Wichtige Informationen über die HKL-Rehabilitation

Die moderne medizinische Rehabilitation ist personalisiert und orientiert sich am bio-psycho-sozialen ICF-Modell (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit –Modell der Weltgesundheitsorganisation,WHO). Das Modell betrachtet Gesundheitsprobleme bzw. Funktionseinschränkungen (Behinderungen) im Kontext mit Umwelt- und personenbezogenen Faktoren. Es ermöglicht somit ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit und versteht sich als dynamischer und individueller Prozess. Gerade das ICF-Modell bietet auch eine gute Basis, um geschlechtsspezifische Aspekte in die Therapie und Behandlung einfließen zu lassen.

Jede Reha ist individuell und passt sich gezielt an die Bedürfnisse in Bezug auf Teilhabe und Aktivität an. Je nach Bedarf ergeben sich vielfältige Interventionsansätze, wie etwa die Behandlung des Gesundheitsproblems bzw. der Funktionseinschränkungen, die Förderung verbliebener Fertigkeiten oder die Verbesserung von beeinträchtigten Aktivitäten und Teilhabe.

Gemeinsam mit den behandelnden Ärzt:innen werden individuelle Rehabilitationsziele mit den Patient:innen festgelegt, die darauf abzielen, die persönliche Teilhabe am (Berufs-)Leben wiederzuerlangen. Auf dieser Grundlage wird ein persönlicher Therapieplan erstellt, der speziell auf die Bedürfnisse sowie die körperliche und psychische Verfassung abgestimmt ist. Dieser Plan wird, entsprechend den Fortschritten,laufend angepasst. Die verschiedenen Berufsgruppen des Rehateams – Ärzt:innen, Therapeut:innen und Pflegende – arbeiten dabei eng zusammen.

1 Deutsche Herzstiftung e.V.: Deutscher Herzbericht 2021. https://herzstiftung.de/system/files/2022-09/DHB21-Herzbericht-2021.pdf ; zuletzt aufgerufen am 15.7.2024 2 Simon M et al.: Cardiac rehabilitation: a class 1 recommendation. Cleve Clin J Med 2018; 85(7): 551-8 3 Statistik Austria: Zahl der stationären Spitalsaufenthalte 2021 leicht gestiegen. Erneut weniger stationäre Aufenthalte als vor der Pandemie. https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2022/11/20221115Spitalsentlassungen2021.pdf ; zuletzt aufgerufen am 18.7.2024 4 Smith JR et al.: Sex differences in cardiac rehabilitation outcomes. Circ Res 2022; 130(4): 552-65

Weitere Literatur bei der Verfasserin

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