Sekundäre Hypertonie: Formen, Diagnostik & Therapiemöglichkeiten
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Christian Koppelstätter
Universitätsklinik für Innere Medizin IV Nephrologie und Hypertensiologie
Innsbruck
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Die Häufigkeit einer sekundären Ursache für eine arterielle Hypertonie liegt bei 10%. Bei Verdacht auf eine sekundäre Hypertonie sollte eine gezielte Abklärung erfolgen, um idealerweise die Ursache erfolgreich behandeln zu können und damit eine lebenslange Einnahme antihypertensivwirksamer Medikamente zu vermeiden.
Keypoints
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Vor allem bei jüngeren Patient:innen mit therapieresistenter Hypertonie sollte man an eine sekundäre Ursache denken.
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Eine Abklärung auf eine sekundäre Hypertonie sollte erst nach ausführlicher Anamnese und Abwägung der Wahrscheinlichkeit erfolgen.
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In der Abklärung sollte das Hauptaugenmerk auf die häufigeren Ursachen gelegt werden: OSAS, renoparenchymatöse bzw. renovaskuläre Erkrankungen sowie primärer Hyperaldosteronismus.
Eine sekundäre Hypertonie ist definiertdurch dauerhaft erhöhte Blutdruckwerte über den Grenzwerten (in Selbstmessungen >135/85mmHg, 24-Stunden-Blutdruckmessung >130/80mmHg), die aufgrund einer Primärerkrankung oder anderer spezifischer Ursachen bestehen, und ist von der essenziellen/primären Hypertonie abzugrenzen. Das Verhältnis von primärerund sekundärer Hypertonie beträgt 9:1.
Erste Schritte und Erstmanifestation
Die Frage nach Abklärung einer sekundären Hypertonie tritt häufig im Rahmen der Erstmanifestation einer arteriellen Hypertonie auf. Nicht selten steht der Patientenwunsch nach Abklärung auf sekundäre Ursachen im Vordergrund. Häufig besteht die Hoffnung, im Falle einer sekundären Hypertonie einer lebenslangen Einnahme von antihypertensivwirksamen Medikamenten entgehen zu können. Abklärungen einer sekundären Hypertonie sollen bei jeder Patientin/jedem Patienten individuell durch eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung initiiert werden. Eine andere häufige Indikation zur Abklärung besteht im Rahmen einer therapieresistenten Hypertonie, die sich durch anhaltend erhöhte Blutdruckwerte unter einer ausdosierten Dreifachkombination antihypertensiv wirksamer Medikamente inklusive Diuretikum äußert.
Formen & Diagnostik der sekundären Hypertonie
Unterschieden wird zwischen häufigeren und selteneren Formen einer sekundären Hypertonie. Als häufigere Formen werden die renoparenchymatöse Erkrankung, die renovaskuläre Erkrankung, der primäre Hyperaldosteronismus sowie das Schlafapnoesyndrom (OSAS) gesehen. Zu den selteneren Formen zählen das Phäochromozytom, das Cushing-Syndrom, die Aortenisthmusstenose, der Hyperparathyreoidismus, sowohl die Hyper- als auch die Hypothyreose und als selten beschriebene Ursache auch das PICA-Loop-Syndrom. Es bestehen unterschiedliche Prävalenzen der Ursachen bei normaler und therapieresistenter Hypertonie (Tab.1), insbesondere beim Hyperaldosteronismus, der bei therapieresistenter Hypertonie deutlich häufiger als Ursache zu finden ist.
Tab. 1: Prävalenzen der Ursachen für sekundäre Hypertonie bei arteriellervs. therapieresistente Hypertonie (nach Ott C et al. 2013)
Im Rahmen der Abklärung sollte außerdem eine medikamentöse Anamnese hinsichtlich blutdrucksteigender Co-Medikation erfolgen. Als Beispiele zu erwähnen sind Cortison, NSAR, Hormonpräparate (Antikonzeption) wie auch Immunsuppressiva. Im Rahmen onkologischer Therapien sind insbesondere die VEGF-Inhibitoren und die Tyrosinkinase-Inhibitoren als mögliche Ursachen hervorzuheben. Vonseiten der psychiatrischen Medikation stechen hier vor allem die Noradrenalin-Reuptake-Hemmer hervor, wie beispielsweise Venlafaxin. Bei Verdacht auf ein OSAS sollte mittels Schlaflabor abgeklärt werden, ob eine CPAP-Therapie indiziert ist.
In weiterer Folge erfolgt die Abklärung einer renoparenchymatösen Erkrankung über die Bestimmung der Nierenfunktionsparameter im Serum (Serum-Kreatinin, Harnstoff) und im Harn (Kreatinin-Albumin-Quotient). Eine renovaskuläre Hypertonie ist eine seltenere Ursache bei milder Hypertonie. Sie kann jedoch bei resistenter Hypertonie mit entsprechender Risikokonstellation eine Prävalenz bis zu 40% erzielen. Zur Abklärung einer Nierenarterienstenose gibt es als Screening den Doppler-gesteuerten Ultraschall, eine niederschwellig verfügbare Möglichkeit, die jedoch eine hohe Expertise benötigt. Hinsichtlich Sensitivität und Spezifität wäre hierbei die Computertomografie der Magnetresonanzangiografie vorzuziehen.
Nierenarterienstenose
Nierenarterienstenosen sind zu 95% arteriosklerotisch bedingt und treten gehäuft bei Männern beziehungsweise im Bereich der proximalen Gefäßabschnitte auf. Nierenarterienstenosen bei jüngeren Frauen liegen häufig einer fibromuskulären Dysplasie zugrunde, die vor allem distale Gefäßabschnitte betrifft. Die Richtlinien empfehlen eine interventionelle Therapie bei symptomatischer fibromuskulärer Dysplasie (hier ist eine Ballonangioplastie einer PTA-Stentanlage vorzuziehen). Bei arteriosklerotischer Ursache einer Nierenarterienstenose sind vor allem ein rascher Blutdruckanstieg bei zuvor gut wirksamer antihypertensiver Therapie in Kombination mit einer Verschlechterung der Nierenfunktionswerte eine mögliche Indikation zur Intervention.
Primärer Hyperaldosteronismus
Zur Abklärung eines primären Hyperaldosteronismus dient die serologische Untersuchung auf Renin und Aldosteron. Ein Absetzen der antihypertensiven Medikation wird zunehmend kontroversiell diskutiert und ein erstes Screening scheint auch unter Fortsetzung der antihypertensiven Therapie möglich. Ein positiver Befund unter Einnahme von Substanzen, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS-System) beeinflussen, wäre bereits wegweisend.
Als Hinweis auf einen Hyperaldosteronismus kann eine hohe Plasma-Aldosteronkonzentration bei niedriger Plasma-Reninaktivität (oder Reninkonzentration) gewertet werden (Abb.1). Im Speziellen weist die Konstellation einer erhöhten Aldosteron-Renin-Ratio von über 20 auf einen primären Hyperaldosteronismus hin, der in weiterer Folge mit einem Kochsalzbelastungstest verifiziert werden sollte. Dabei ist die intravenöse Gabe der oralen vorzuziehen und im Falle einer kardialen Belastungsmöglichkeiten eine Gabe von 2 Litern 0,9%iger Natriumchloridlösung erforderlich. Sollte es zu keinem Absenken des Aldosteronspiegels kommen, wäre in weiterer Folge die Darstellung der Nebennieren mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomografie empfehlenswert.
Abb. 1: Diagnostikalgorithmus eines Hyperaldosteronismus
Zur Differenzierung bei einem bildgebend bilateralen Befund ist in weiterer Folge ein „sampling“ der Nebennierenvenen zur Detektion der Aldosteron-überproduzierenden Seite indiziert. Die Entscheidung, ob einer operativen oder konservativen Therapie mit Aldosteron-Inhibitoren der Vorzug zugeben ist, wird individuell von Fall zu Fall entschieden.
Ursachen betreffend Schilddrüse
Seltenere Ursachen wie eine Hyperparathyreoidismus sowie eine Schilddrüsenüber- und -unterfunktion können auf einfachem Wege über die Serum-Bestimmung der entsprechenden Hormone abgeklärt werden. Ein Phäochromozytom zeigt sich bei 2–50 Patient:innen pro einer Million Hypertoniker:innen. Klinisch präsentieren sich diese Patient:innen häufig mit einer Trias aus episodischem Kopfschmerz, Schweißausbrüchen und Tachykardien. Als Trigger dieser Symptomatik können diagnostische Eingriffe, Operationen oder Narkosen gesehen werden. Die Abklärung erfolgt mittels Bestimmung der Metanephrine im Plasma, die einen hohen negativen Prädiktionswert haben. Die bildgebende Darstellung sollte mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomografie stattfinden. Therapeutisch erfolgt die operative Entfernung des Phäochromozytoms undfalls notwendig wird eine onkologische Begleitmedikation etabliert.
Zusammenfassung
Zusammengefasst ist eine sekundäre Hypertonie eher selten. Insbesondere das OSAS, eine Nierenarterienstenose, ein Hyperaldosteronismus bzw. blutdrucksteigernde Medikamente sollten jedoch jederzeit bedacht werden.
Nicht zu vergessen ist, dass eine therapieresistente Hypertonie auch einer mangelnden Adhärenz oder insuffizienter Blutdruckmessungzugrunde liegen kann. Diese Pseudoresistenz sollte vor umfangreichen diagnostischen Abklärungen ausgeschlossen werden.
Literatur:
● Dreyfus I et al.: Therapy for renal artery stenosis: a call for change. J Endovasc Ther 2024; 31(4): 522-32 ● Mancia G et al.: 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens 2023; 41(12): 1874-2071 ● Ott C et al.: Ruling out secondary causes of hypertension. EuroIntervention 2013; doi: 10.4244/EIJV9SRA5 ●Pilz S et al.: Primary aldosteronism 2.0: an update for clinicians on diagnosis and treatment. Pol Arch Intern Med 2023; 133(10): 16585
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