Kardiale Amyloidose: rasche Diagnose, frühzeitige Behandlung
Autoren:
Priv.-Doz. Dr. Bernhard Jäger
Dr. Christoph Clemens Kaufmann
3. Med. Abteilung mit Kardiologie und internistischer Intensivmedizin
Klinik Ottakring, Wien
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Bei Krankheiten wie der kardialen Amyloidose ist es besonders wichtig, diese früh zu erkennen und den Patienten schnell zu behandeln. Welche Anzeichen, die Sie aufhorchen lassen sollten, um die Abklärung und Therapie rasch voranzutreiben, erklärt unser folgender Artikel.
Keypoints
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Die kardiale Amyloidose ist eine infiltrative Kardiomyopathie mit rascher Krankheitsprogredienz.
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Die wichtigsten Formen sind die Leichtketten(AL)-Amyloidose und die Transthyretin(ATTR)-Amyloidose.
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Red Flags in Anamnese, EKG und Echokardiografie erleichtern eine frühzeitige Diagnose und spezifische Therapie.
Bei der kardialen Amyloidose handelt es sich um eine progrediente infiltrative Kardiomyopathie, welche durch die Ablagerung fehlgefalteter Proteine im Interstitium des Myokards mit entsprechender Myokardhypertrophie gekennzeichnet ist. Infolgedessen kommt es zur Störung der diastolischen und später auch der systolischen Linksventrikelfunktion, welche sich klinisch als Herzinsuffizienz mit Belastungsdyspnoe, Beinödemen und rascher Erschöpfbarkeit äußert.
Galt die Amyloidose bis vor einigen Jahren noch als seltene Multiorganerkrankung, welche sich primär onkologisch und neurologisch manifestiert, so deuten neuere Daten darauf hin, dass die kardiale Amyloidose deutlich unterdiagnostiziert ist. Mittlerweile gibt es spezifische Therapien, sodass eine rasche Diagnose und eine frühzeitige Behandlung umso wichtiger sind.
Die Ablagerung fehlgefalteter Proteine im Interstitium des Myokards ist der gemeinsame Pathomechanismus der verschiedenen Formen der kardialen Amyloidose. Statt einer Alpha-Helix-Konformation kommt es zu einer Beta-Faltblatt-Struktur und zur Ausbildung unlöslicher Fibrillen. Prinzipiell kann eine Vielzahl unterschiedlicher pathologischer Proteine eine kardiale Amyloidose bedingen. In der klinischen Praxis sind zwei Formen von Bedeutung, da sie gemeinsam über 95% aller Fälle ausmachen. Diese sind die sogenannte Leichtketten(AL)-Amyloidose und die kardiale Transthyretin(ATTR)-Amyloidose (Abb. 1).
Abb. 1
Leichtketten(AL)-Amyloidose
Die Ursache der Leichtketten(AL)-Amyloidose liegt zumeist in einer Plasmazelldyskrasie mit Expression einer monoklonalen Gammopathie, d.h. einer überschüssigen Produktion an monoklonalen Leichtketten durch einen Plasmazellklon. Leichtketten können zu toxischen Amyloidfibrillen aggregieren und sich in weiterer Folge in verschiedenen Geweben wie auch dem Myokard ablagern.
Die Erkrankung betrifft meist Patienten über 50 Jahre, Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig betroffen. Die Inzidenz der AL-Amyloidose wird auf etwa 1 pro 100000 geschätzt, wobei sich mehr als die Hälfte der Fälle auch am Herzen manifestiert. Die AL-Amyloidose mit kardialer Beteiligung zeigt meist einen rasch progredienten Verlauf und hat unbehandelt eine mittlere Überlebensrate von weniger als 6 Monaten. Klinisch hinweisend auf eine AL-Amyloidose kann die pathognomonische Makroglossie mit Einkerbungen im Bereich der Zungenwand und konsekutiver Schluckstörung oder auch eine periorbitale Purpura sein. Die kardiale Mitbeteiligung manifestiert sich klinisch als Herzinsuffizienz mit Kurzatmigkeit, Beinödemen und Belastungsintoleranz.
Bei Verdacht auf AL-Amyloidose werden eine Elektrophorese mit Bestimmung des M-Gradienten sowie eine Immunfixationselektrophorese in Serum und Urin durchgeführt. Eine fehlende monoklonale Gammabande schließt eine AL-Amyloidose praktisch aus. Beim Nachweis einer Gammopathie wird in weiterer Folge der Kappa-Lambda-Quotient durch eine Bestimmung der freien Leichtketten ermittelt. In etwa 80% der Fälle ist das Paraprotein Lambda-positiv, seltener ist die Kappa-positive Form.
Transthyretin(ATTR)-Amyloidose
Bei der Transthyretin(ATTR)-Amyloidose kommt es zu Fehlfaltungen und Gewebsakkumulation von Transthyretin (TTR). TTR wird vor allem in der Leber synthetisiert und fungiert als Transportprotein für Retinol und Schilddrüsenhormon. Das TTR ist ein sogenanntes Homotetramer, also ein aus vier identischen Protein-Untereinheiten bestehender Protein-Komplex. Während der Dissoziation in TTR-Monomere zeigt es eine Tendenz zur Bildung von Amyloidfibrillen, welche in der Folge pathogen wirken. Die Neigung zur Akkumulation von TTR-Monomeren kann einerseits einer genetischen Mutation im Transthyretin-Gen geschuldet sein (ATTRv), andererseits scheinen auch altersabhängige, degenerative Prozesse eine Rolle zu spielen (ATTRwt). Die genetisch bedingte ATTRv ist deutlich seltener als die ATTRwt und betrifft in Österreich, nach derzeitigem Wissensstand, 10 Mutationen in weniger als 30 Familien mit teils neurologischer, teils kardiologischer Prädominanz.
Im Gegensatz zur genetischen Variante ist die „senile“ ATTRwt eine vermutlich weit verbreitete und deutlich unterdiagnostizierte Erkrankung. So wurden in histopathologischen Untersuchungen bei bis zu 25% der über 80-Jährigen Amyloidablagerungen nachgewiesen. Auch vermutet man bei etwa 10% aller Fälle von Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Linksventrikelfunktion (HFpEF) und ebenso vielen Patienten mit kalzifizierender Aortenklappenstenose über 75 Jahre eine ATTRwt im Hintergrund. Die ATTRwt zeigt eine im Alter stark steigende Prävalenz, wobei überwiegend Männer betroffen sind. Gerade in diesem Kollektiv ist es wichtig, die allgemeine Aufmerksamkeit für diese Erkrankung zu erhöhen, um eine frühzeitige Diagnose bzw. Zuweisung ins Zentrum zu ermöglichen. Bei Patienten mit Zeichen der Herzinsuffizienz können zahlreiche klinische und anamnestische Hinweise frühzeitig den Verdacht auf eine ATTR-Amyloidose lenken: So findet sich häufig (bis zu 70%) ein Karpaltunnelsyndrom in der Vorgeschichte, welches im Mittel 5–7 Jahre vor der kardialen Manifestation auftritt. Besonders ein bilaterales Karpaltunnelsyndrom beim älteren Mann mit Belastungsdyspnoe sollte an eine ATTR-Amyloidose denken lassen. Weitere Red Flags in der Anamnese sind die Spinalkanalstenose, eine atraumatische Bizepssehnenruptur oder eine periphere Polyneuropathie. Tabelle 1 listet die wichtigsten klinischen Hinweise auf eine kardiale Amyloidose.
Tab. 1: Klinische und echokardiografische Hinweise auf kardiale Amyloidose
Diagnose der kardialen Amyloidose
Das EKG hat im Bereich der kardialen Bildgebung weiterhin einen relevanten Stellenwert in der initialen Abklärung bei Verdacht auf Amyloidose. So findet sich oft eine (relative) Niedervoltage im EKG bei gleichzeitig im Echo dokumentierter linksventrikulärer Hypertrophie (da bei der kardialen Amyloidose eine interstitielle Proteinablagerung und nicht eine Hypertrophie der Kardiomyozyten im histologischen Sinn vorliegt). Regelmäßig kommt es auch zu einer Verlängerung der QT-Zeit, welche laut einigen Autoren bei gleichzeitig erniedrigtem Sokolow-Lyon-Index von <1,5mV eine hohe Spezifität für die Diagnose der kardialen Amyloidose hat. Weitere häufige EKG-Veränderungen sind Pseudoinfarkt-Konstellation sowie sämtliche Rhythmusstörungen wie AV-Leitungsstörungen, Vorhofflimmern, Schenkelblockbilder oder ventrikuläre Arrhythmien.
Der Echokardiografie kommt bei der Diagnose der kardialen Amyloidose eine besondere Bedeutung zu. Die Untersuchung ist breit verfügbar, kostengünstig, frei von ionisierender Strahlung und kann entscheidende Hinweise auf das Vorliegen einer Amyloidose liefern. Im Frühstadium ist die diastolische Funktion gestört, später auch die systolische Linksventrikelfunktion. Im Spätstadium imponiert eine restriktive Kardiomyopathie mit deutlicher Linksventrikelhypertrophie (meist >15mm), typischerweise septal betonter Myokardgranulierung („Granular sparkling“-Phänomen“) und biatrialer Dilatation. Zudem finden sich häufig verdickte AV-Klappen (als Zeichen einer Amyloidablagerung in diesem Bereich) und ein geringer Perikarderguss. Ein weiteres typisches Muster ist das „apical sparing“ in der Strain-Analyse, ein weitgehend erhaltener longitudinaler Strain im Bereich des Apex bei deutlich reduziertem Strain im Bereich der Herzbasis. MRT- und Autopsie-Studien lassen vermuten, dass der vom Apex zur Herzbasis graduell abnehmende longitudinale Strain die regional unterschiedliche Amyloidablagerung widerspiegelt.
Wurde aufgrund der genannten klinischen und echokardiografischen Befunde – nach Ausschluss einer monoklonalen Gammopathie – der Verdacht auf eine ATTR-Amyloidose gestellt, sollte als nächster Schritt eine Ganzkörperszintigrafie veranlasst werden. Diese wird in Europa üblicherweise als Technetium-DPD-Scan durchgeführt und kann eine kardiale Tracer-Aufnahme im Myokard als hochsensitives Kriterium bei Patienten mit ATTR-Amyloidose nachweisen. Der exakte Mechanismus, welcher zur kardialen Akkumulation der auf Phosphat-Verbindungen basierenden Radionuklide führt, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem gesteigerten Kalziumgehalt des TTR-Amyloids. Bei Patienten mit AL-Amyloidose oder nicht Amyloid-basierter hypertropher Kardiomyopathie kommt es zu keiner kardialen Technetium-DPD-Anreicherung, sodass hiermit die ATTR-Amyloidose hochsensitiv diagnostiziert werden kann.
Sobald die Diagnose einer ATTR-Amyloidose gestellt ist, muss mittels Genanalyse eine genetisch bedingte Form (ATTRv) ausgeschlossen werden, was Auswirkungen auf ein Familien-Screening hätte. Als ergänzende Untersuchung ist an Zentren mit entsprechender Expertise auch eine kardiale Magnetresonanzuntersuchung (MRT) angezeigt. Diese zeigt typischerweise eine subendokardiale, diffuse Kontrastmittelanreicherung, eine verlängerte T1-Relaxationszeit sowie ein erhöhtes Extrazellularvolumen (als Ausdruck der interstitiellen Amyloidablagerung). Gerade in frühen Stadien hat die MRT einen relevanten Stellenwert mit passabler bis guter Sensitivität und Spezifität, allerdings lässt sie keine ätiologische Zuordnung zu ATTR- bzw. AL-Amyloidose zu.
Sind die Ergebnisse der oben beschriebenen Untersuchungen inkonklusiv, bleibt letztlich die Endomyokardbiopsie mit histologischer Aufarbeitung als diagnostischer Goldstandard. Beispielsweise ist eine Biopsie indiziert, wenn sowohl erhöhte freie Leichtketten im Serum/Harn wie auch ein positiver DPD-Knochenscan vorliegen. Es konnte gezeigt werden, dass die Endomyokardbiopsie in erfahrenen Händen ein Komplikationsrisiko von weniger als 1% hat.
Therapie der kardialen Amyloidose
Diuretika stellen eine wichtige Säule der Therapie bei kardialer Amyloidose dar, allerdings sollte eine Hypovolämie vermieden werden, da der hypertrophierte, steife linke Ventrikel einen adäquaten Füllungsdruck benötigt. Betablocker oder RAAS-Inhibitoren, wie sie bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion verschrieben werden, sind bei der kardialen Amyloidose derzeit nicht generell empfohlen und sollten im Einzelfall mit Vorsicht eingesetzt werden. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium besteht häufig Vorhofflimmern, welches mittels Betablocker und Amiodaron frequenzkontrolliert werden sollte und eine Indikation zur Antikoagulation darstellt.
Die Therapie der kardialen AL-Amyloidose besteht in der zeitnahen Behandlung der zugrunde liegenden Knochenmarkserkrankung. Je nach Anzahl der beteiligten Organe und Ausmaß der Organbeteiligung kann eine Hochdosis-Melphalan-Therapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation angestrebt werden. Bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium kommen eher konventionelle Therapieansätze mit z.B. Melphalan + Dexamethason oder diverse Kombinationstherapien mit Immunmodulatoren oder Proteasomen-Inhibitoren zum Einsatz.
Zur spezifischen Therapie der (kardialen) ATTR-Amyloidose werden derzeit zwei mögliche Therapiekonzepte verfolgt:erstens die pharmakologische Hemmung der TTR-Synthese in der Leber. Hierzu laufen derzeit Phase-2- bzw. Phase-3-Studien mit dem subkutan verabreichten Inotersen und dem intravenös verabreichtem Patisiran. Zweitens kann mittels sogenannter TTR-Stabilizer die Dissoziation des TTR in Monomere verhindert werden, was bereits seit einigen Jahren klinische Anwendung findet. Für den TTR-Stabilizer Tafamidis konnte im viel beachteten ATTR-ACT Trial ein signifikanter Überlebensvorteil mit Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zu Placebo gezeigt werden, wobei ein Einsatz besonders in frühen Krankheitsstadien vorteilhaft scheint.
Conclusio
Die kardiale Amyloidose ist eine unterdiagnostizierte Erkrankung und hat – nicht zuletzt aufgrund neuer spezifischer Behandlungsmöglichkeiten – in den letzten Jahren vermehrte Aufmerksamkeit erhalten. Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, um betroffene Patienten zeitnahe einer effektiven Therapie zuführen zu können.
Literatur:
• Auer-Grumbach M et al.: J Clin Med 2020; 9(7): 2234 • Bonderman D et al.: Wien Klin Wochenschr 2020; 132(23-24): 742-61 • Griffin JM et al.: JACC CardioOncol 2021; 3(4): 488-505 • Maurer MS et al.: NEJM 2018; 380(2): 196-7 • Perugini E et al.: J Am Coll Cardiol 2005; 46(6): 1076-84 • Vaxman I et al.: Acta Haematol 2019; 141 (2): 93-106 • Zhang KW et al.: J Am Coll Cardiol Basic Transl Sci 2019; 4(3): 438-48
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