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16 European Heart Failure Congress 2016

Natriuretische Peptide

<p class="article-intro">Natriuretische Peptide sind unverzichtbare Diagnosemarker bei Atemnot in der Notaufnahme und bei Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion bei Kardiopathie unklarer Ursache.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die natriuretischen Peptide bestimmen!&raquo; Das forderte Prof. Dr. med. Piotr Ponikowski, Kardiologe an der Universit&auml;t Wroclaw in Polen, am internationalen Herzinsuffizienz-Kongress 2016 im ersten seiner &laquo;zehn Gebote&raquo;, in welchen er neue Leitlinien zur Herzinsuffizienz zusammenfasste. Das &laquo;erste Gebot&raquo; beschreibt den &uuml;berarbeiteten diagnostischen Algorithmus: Bei Patienten mit Symptomen, die auf eine Herzinsuffizienz weisen, wird die Wahrscheinlichkeit daf&uuml;r anhand von Anamnese, k&ouml;rperlicher Untersuchung und Ruhe-EKG ermittelt. Findet man eine oder mehr Auff&auml;lligkeiten, etwa eine koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, bilaterale &Ouml;deme oder ein pathologisches EKG, werden die natriuretischen Peptide bestimmt. Ist NT-proBNP &ge;125pg/ml beziehungsweise BNP &ge;35pg/ml, empfehlen die Leitlinien-Autoren eine Echokardiografie. <br /> Natriuretische Peptide sind kardiale Hormone, die das Herz als Reaktion auf zu viel Volumen oder einen zu hohen Druck im Herzen aussch&uuml;ttet (Abb. 1). &laquo;Die natriuretischen Peptide sind wertvolle Marker, was Studien klar belegt haben&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Christian M&uuml;ller, Kardiologe am Universit&auml;tsspital Basel, im Gespr&auml;ch mit<em> LEADING OPINIONS</em> am Kongress. &laquo;Die Peptide sind ein quantitativer Marker f&uuml;r kardialen Stress und zeigen uns gut, ob eine Herzinsuffizienz vorliegt und wenn ja, wie schwer diese ist.&raquo; Beim Einsatz der natriuretischen Peptide zur Diagnostik muss man zwischen zwei klinischen Situationen unterscheiden: 1) Verdacht auf akute Herzinsuffizienz bei einem Patienten mit Atemnot in der Notaufnahme und 2) asymptomatische Patienten oder allenfalls solche mit leichten Symptomen, etwa Kurzatmigkeit bei k&ouml;rperlicher Belastung oder zunehmende M&uuml;digkeit, die sich in der Regel beim Hausarzt vorstellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite71.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>&laquo;Bei Patienten mit Atemnot auf der Notfallstation sind BNP/NT-proBNP und MR-proANP bestens dokumentierte diagnostische Hilfsmittel, um zwischen akuter Herzinsuffizienz und anderen Ursachen der Atemnot zu unterscheiden&raquo;, sagte M&uuml;ller. Man verwendet dabei einen &laquo;rule-out cut-off&raquo; und einen &laquo;rule-in cut-off&raquo;. Misst man einen Wert, der kleiner ist als der &laquo;rule-out cut-off&raquo;, also im Falle von BNP einen Wert von &lt;100pg/ml (Tab. 1), hat der Patient mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit keine akute Herzinsuffizienz, sondern ein anderes Problem, das die Atemnot verursacht, wie etwa eine Lungen- embolie oder einen akuten Asthmaanfall. Umgekehrt hat der Patient mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 % eine akute Herzinsuffizienz, wenn man einen BNP-Wert oberhalb des &laquo;rule-in cut-off&raquo; misst, bei BNP von &gt;400pg/ml. Die Sensitivit&auml;t des &laquo;Rule-out&raquo;-Wertes und die Spezifit&auml;t des &laquo;Rule-in&raquo;-Wertes liegen bei jeweils rund 90 % .<sup>1, 2</sup> &laquo;Liegt BNP zwischen 100 und 400pg/ml, hat der Patient meist eine leichte Herzinsuffizienz&raquo;, erkl&auml;rte M&uuml;ller. &laquo;Dann brauchen wir andere Untersuchungen, etwa R&ouml;ntgen, Echokardiografie oder eine Computertomografie des Thorax, um festzustellen, ob die Atemnot prim&auml;r durch die Herzinsuffizienz oder durch andere Probleme ausgel&ouml;st wird.&raquo;<sup>2, 3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite70.jpg" alt="" width="441" height="290" /></p> <p>Die neue Herzinsuffizienz-Leitlinie der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie (ESC), die auf dem Kongress in Florenz vorgestellt wurde, empfiehlt bei allen Patienten mit akuter Dyspnoe und Verdacht auf akute Herzinsuffizienz, BNP, NT-proBNP oder MR-proANP zu bestimmen (Klasse-I-Empfehlung, Evidenzlevel A).<sup>4</sup><br /> Die Peptide eignen sich aber nicht nur, um die Diagnose einer akuten Herzinsuffizienz zu stellen und das Ausmass des Herzmuskelschadens einzusch&auml;tzen, sondern sind auch wertvolle Marker f&uuml;r den klinischen Verlauf. &laquo;Wir sollten sie in der Notaufnahme nicht nur einmal messen, sondern auch noch einmal nach 24 oder 48 Stunden&raquo;, sagt M&uuml;ller. &laquo;Denn dann k&ouml;nnen wir sehen, ob unsere Behandlungsstrategie hilft und die Werte sinken.&raquo; Und es helfe bei der Entscheidung, ob ein Patient entlassen werden k&ouml;nne oder nicht: Je h&ouml;her n&auml;mlich der Wert ist, desto gr&ouml;sser ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient nach der Entlassung erneut hospitalisiert werden muss oder dass er an der akuten Herzinsuffizienz stirbt.<sup>3</sup> &laquo;Welche Erg&auml;nzung der Therapie bei dem individuellen Patienten dann sinnvoll ist, um das schlechte Outcome zu verhindern, kann der Wert nat&uuml;rlich nicht anzeigen. Diese Frage kl&auml;rt nur die detaillierte Zusammenschau aller kardialen Befunde&raquo;, so M&uuml;ller. Der ACE-Hemmer oder das Diuretikum k&ouml;nnten h&ouml;her dosiert, Spironolacton hinzugef&uuml;gt werden oder bei ausgew&auml;hlten Patienten ein Herzschrittmacher zur Synchronisierung der Herzkontraktion implantiert werden. &laquo;Abgesehen davon fehlt uns noch der Beweis, dass wir durch die ge&auml;nderte und intensivierte Therapie solche Ereignisse dann auch verhindern k&ouml;nnen. Hierzu laufen aber derzeit Studien.&raquo; <br /> Die zweite Situation, in der natriuretische Peptide wertvolle Informationen liefern k&ouml;nnen, ist die bei Patienten mit wenigen bis keinen Symptomen bei einer Kardiopathie unklarer Ursache. Zum Beispiel in F&auml;llen wie bei der 73-j&auml;hrigen Patientin, die M&uuml;ller k&uuml;rzlich um eine Zweitmeinung bat. Der niedergelassene Kollege hatte bei ihr intermittierendes Vorhofflimmern diagnostiziert, ausserdem eine Dyspnoe zweiten Grades gem&auml;ss NYHA-Klassifikation bei linksventrikul&auml;rer Compliance-St&ouml;rung. Als Ursache vermutete der Kollege entweder eine prim&auml;re oder sekund&auml;re Kardiomyopathie, eine koronare Herzkrankheit oder eine Myokarditis. In der Echokardiografie hatte er eine Ejektionsfraktion von 72 % gemessen. &laquo;Er hat als Fazit in seinem Arztbrief nur Vorhofflimmern geschrieben und eine Antikoagulation empfohlen&raquo;, erz&auml;hlte M&uuml;ller. &laquo;Mithilfe von BNP k&ouml;nnten wir jedoch feststellen, ob die Ursache der Atemnot, wegen welcher die Patientin ja zum Kardiologen &uuml;berwiesen wurde, tats&auml;chlich die Kardiopathie ist, also eine Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikul&auml;rer Ejektionsfraktion vorliegt.&raquo; Bei einem BNP &lt;50pg/ml (&laquo;Rule-out cut-off&raquo;-Wert)<sup>5</sup> hat die Frau mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit keine Herzinsuffizienz und es muss dringend nach einer anderen Ursache der Dyspnoe gesucht werden, zum Beispiel nach einer obstruktiven Lungenerkrankung. Betr&auml;gt das BNP &gt;50pg/ml, hat die Frau eine Herzinsuffizienz. &laquo;Eine gute Frequenzkontrolle oder gegebenenfalls Rhythmisierung mit den entsprechenden Medikamenten und eine optimale Einstellung der arteriellen Hypertonie werden die Symptome mit grosser Sicherheit bessern&raquo;, sagte M&uuml;ller. &laquo;Damit k&ouml;nnten wir dann hoffentlich auch das Fortschreiten der Herzinsuffizienz bremsen. Das scheint gem&auml;ss Studien so zu sein.&raquo;<sup>6</sup> M&uuml;ller ist wie einige Kollegen daf&uuml;r, jede Erh&ouml;hung von BNP als Herzinsuffizienz zu definieren. &laquo;Das Herz sezerniert nur dann BNP und NT-proBNP, wenn das Volumen zu gross ist und/oder im Herzen ein zu hoher Druck herrscht&raquo;, sagt er. &laquo;Eine Neudefinition der Diagnose Herzinsuffizienz anhand der Spiegel der natriuretischen Peptide w&auml;re daher nur konsequent. Je genauer und fr&uuml;her wir die Diagnose stellen, desto besser k&ouml;nnen wir den Patienten helfen.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Maisel AS et al: Rapid measurement of B-type natriuretic peptide in the emergency diagnosis of heart failure. N Engl J Med 2002; 347: 161-7 <br /><strong>2</strong> Thygesen K et al: Recommendations for the use of natriuretic peptides in acute cardiac care: a position statement from the Study Group on Biomarkers in Cardiology of the ESC Working Group on Acute Cardiac Care. Eur Heart J 2012; 33: 2001-6 <br /><strong>3</strong> Maisel A et al: State of the art: using natriuretic peptide levels in clinical practice. Eur J Heart Fail 2008; 10: 824-39 <br /><strong>4</strong> Ponikowski P et al: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016 [epub ahead of print] <br /><strong>5</strong> Aspromonte N et al: Rapid brain natriuretic peptide test and Doppler echocardiography for early diagnosis of mild heart failure. Clin Chem 2006; 52: 1802-8 <br /><strong>6</strong> Ledwidge M et al: Natriuretic peptide&ndash;based screening and collaborative care for heart failure. The STOP-HF randomized trial. JAMA 2013; 310: 66-74</p> </div> </p>
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