Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie erkennen und behandeln
Bericht:
Reno Barth
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Mit Mavacamten steht eine medikamentöse Therapie zur Verfügung, die kausal in den Pathomechanismus der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) eingreift. Wichtig ist die korrekte Diagnose mittels EKG und Echokardiografie und die Phänotypisierung der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) anhand des Druckgradienten im linksventrikulären (LV) Ausflusstrakt.
Die HCM ist eine Erkrankung des Sarkomers mit Fibrose zwischen den Kardiomyozyten, die zu Hyperkontraktilität und in der Folge zu einer asymmetrischen Hypertrophie führt. Die HCM äußert sich in Belastungsdyspnoe, Synkopen, Vorhofflimmern und Angina pectoris. In ungünstigen Fällen kommt es zu Schlaganfällen oder zum plötzlichen Herztod, so OA Priv.-Doz. DDr. Martin Grübler vom Landeskrankenhaus Wiener Neustadt. Während eine stabile HCM mit normaler Lebenserwartung verbunden ist, kann es, abgesehen von den genannten Komplikationen, auch zur Entwicklung einer progredienten Herzinsuffizienz kommen, so Grübler. Studien zeigen eine Prävalenz zwischen 1:200 und 1:500.1,2 Die HCM hat häufig einen genetischen, bei 20–30% der Fälle einen monogenetischen Hintergrund. In rund 70% der Fälle liegt eine HOCM vor.
EKG und Echokardiografie weisen den Weg zur Diagnose
Bei klinischem Verdacht auf eine HCM steht an erster Stelle des diagnostischen Work-ups die Anamnese mit Bestimmung des Status, gefolgt von EKG und Echokardiografie. Der MRT und CT kommen in der Diagnostik aber immer größere Bedeutung zu. Das EKG ist meist auffällig mit hohen präkordialen QRS-Amplituden, sekundären Repolarisationsstörungen (ST-Senkungen, T-Inversion), einer Abweichung der Herzachse nach links sowie tiefen, schmalen Q-Zacken in den Ableitungen I, aVL, V5 und V6. Grübler betont, dass dieses Bild nicht spezifisch ist, oft aber auf die Erkrankung hinweist. In der Echokardiografie sind zusätzlich zum Standardprotokoll drei Faktoren abzuklären: die Struktur des linken Ventrikels, die Mitralklappe, wobei auf ein „systolic anterior movement“ des anterioren und seltener des posterioren Mitralklappensegels zu achten ist, sowie der LV Ausflusstrakt. Letzterer ist für die Phänotypisierung einer HCM von Bedeutung. Von einer HCM kann ausgegangen werden, wenn die Septumdicke ≥15 mm (bzw. ≥13 mm bei entsprechender Familienanamnese) aufweist, und das Verhältnis von Septum zu Hinterwand größer als 1,3:1 ist. Bei Kindern gelten altersangepasste Standards. Grübler betont, dass dieses Bild nicht pathognomonisch ist und Messfehler in Betracht gezogen werden müssen. Wichtig ist die Differenzialdiagnostik, da eine Hypertrophie des Herzmuskels z.B. auch eine Folge einer lange bestehenden Hypertonie sein kann.3 Grübler weist auf Unterschiede zwischen den amerikanischen und europäischen Leitlinien hin. Während in den USA ein typisches Echo für die Diagnose ausreicht, wird in Europa verstärkt Wert auf das MRT gelegt.
Wird in der Bildgebung der Verdacht auf eine HCM bestätigt, ist der nächste Schritt die Bestimmung des Phänotyps. Dieser ist für das therapeutische Vorgehen ausschlaggebend. Dies bedeutet insbesondere die Differenzierung zwischen HOCM und hypertropher nichtobstruktiver Kardiomyopathie (HNOCM). Die Diagnose der Obstruktion erfolgt durch Bestimmung des LV Druckgradienten. Von einer Obstruktion spricht man ab einem Gradienten von 30mmHg. Dabei zählt nicht der mittlere Gradient, sondern der Spitzengradient, wie Grübler betont. Zunächst ist auf Obstruktion in Ruhe abzuklären. Wird diese bestätigt, so liegt eine HOCM vor. Wird diese nicht bestätigt, so ist mittels Stress-Echo unter Valsalvamanöver auf Obstruktion bei Belastung zu untersuchen. Eine Obstruktion unter Belastung bedeutet ebenfalls die Diagnose einer HOCM.4 Setzt man auf das MRT, ist die Qualität der Befundung wichtig, die durch Spezialisten erfolgen sollte, so Grübler. Die Endomyokardbiopsie gilt als diagnostischer Goldstandard, hat aber Limitationen, etwa wenn es um Abgrenzung gegenüber einer Mitochondriopathie oder Speichererkrankungen geht.
HOCM und HNOCM werden in der Regel nur behandelt, wenn sie Symptome verursachen. Die Behandlung erfolgt zunächst medikamentös, im Falle der HOCM mit Betablockern, Verapamil oder Disopyramid. Treten refraktär Symptome auf, so standen bis vor Kurzem lediglich zwei invasive Ansätze in spezialisierten Zentren zur Verfügung: die chirurgische Myektomie sowie die Septumablation mit Alkohol.4
Medikamentöse Zweitlinientherapie mit kausalem Wirkprinzip
Seit Kurzem besteht für die HOCM mit Mavacamten die Option einer medikamentösen Second-Line-Therapie. Es ist die einzige Therapie, die kausal in den Pathomechanismus der HOCM eingreift. Während in einem gesunden Herzmuskel 40–50% der Myosin-Köpfchen im inaktiven Zustand („off state“) sind, sind es bei HOCM lediglich 15–20%. Dies führt zu Hyperkontraktilität, eingeschränkter Beweglichkeit, unzureichender Entspannung und Fibrose des Myokards.5,6 Mavacamten ist ein allosterischer, selektiver und reversibler Inhibitor des kardialen Myosins und wurde als erste Substanz dieser Klasse 2022 in den USA und 2023 in Europa zur Behandlung der HOCM der New-York-Heart-Association(NYHA)-Klassen II–III zur Verbesserung der Funktion und Symptome zugelassen.7
Mavacamten stabilisiert Myosin in einem inaktiven, energiesparenden und „superrelaxierten“ Zustand und reduziert die für die HCM typische Hyperkontraktilität des Herzmuskels. Die Zulassung von Mavacamten beruht auf den Phase-III-Studien EXPLORER-HCM8 und VALOR-HCM.9
EXPLORER-HCM zeigt, dass Mavacamten bei Patienten mit HOCM im Vergleich zu Placebo die maximale Sauerstoffaufnahme verbessert und zu einer Verbesserung der NYHA-Klasse im Vergleich zu Placebo führt. In der Stude wurden zudem sowohl in Ruhe als auch unter Belastung relevante Reduktionen des Ausflusstrakt-Gradienten ohne signifikante Einschränkungen der Pumpfunktion beobachtet.
Die Studie VALOR-HCM zeigt, dass mit Mavacamten in vielen Fällen auf invasive und nicht risikolose chirurgische Maßnahmen verzichtet werden kann. In die Studie eingeschlossen waren Patienten mit Indikation zur Septumreduktion. Nach 16 Wochen bestand diese Indikation nur noch bei 17,9% der Verum-, jedoch bei 76,8% der Placebopatienten. Nach Umstellung auf Mavacamten besserte sich auch die Mehrheit der Placebopatienten so weit, dass eine Septumreduktion nicht mehr geboten war. Jene Patienten, die die Wahl zwischen einer Weiterbehandlung mit Mavacamten und einer Septumreduktion hatten, wählten fast alle die medikamentöse Option.
Die Verfügbarkeit von Mavacamten hat auch zu einer Anpassung der Guidelines geführt. So empfiehlt die ESC seit 2023, symptomatische Patienten mit HOCM und einem Druckgradienten von mindestens 50mmHg im Ausflusstrakt zunächst mit Betablockern zu behandeln. Wird der gewünschte Erfolg nicht erzielt, sind Verapamil oder Diltiazem indiziert. Bleibt der Patient symptomatisch, werden Disopyramid oder Mavacamten empfohlen. Die Septumreduktion bleibt als letzte Option.10
Abb. 1a: Echokardiografie eines Patienten mit HOCM vor Therapie mit Mavacamten
Abb. 1b: Echokardiografie desselben Patienten nach 8 Wochen Therapie mit Mavacamten 5 mg 1-0-0
Titration nach Genetik und individuellem Ansprechen
Mavacamten hat seinen Platz im klinischen Alltag gefunden, wie OÄ Dr. Tamara Buchacher vom Klinikum Klagenfurt berichtet, die an ihrer Abteilung bereits mehrere Patientinnen und Patienten erfolgreich mit Mavacamten behandelt hat (Abb. 1). Vor der Therapie müssen die Patienten für Cytochrom P450 CYP2C19 genotypisiert werden, so Buchacher, da Mavacamten primär über dieses Isoenzym metabolisiert wird. Die Unterscheidung zwischen langsamen, normalen und schnellen CYP2C19-Metabolisierern ist entscheidend für die Dosierung zu Therapiebeginn und für die spätere Titration.
Zu Behandlungsbeginn muss die LV Auswurffraktion (LVEF) mindestens 55% betragen. Kontraindikationen und Wechselwirkungen müssen beachtet und bei Patientinnen im gebährfähigen Alter eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Bei langsamen Metabolisierern und Patienten, bei denen der CYP-Status noch nicht bekannt ist, wird die Behandlung mit 1x2,5mg/d begonnen. Bei normalen und schnellen Metabolisierern wird eine Startdosis von 5mg/d gewählt.
Mit Kontrollen alle vier Wochen basierend auf dem Ausflussgradienten und der LVEF wird die optimale Behandlungsdosis ermittelt. Der Druckgradient sollte in der 12-wöchigen Einleitungs-, bzw. Dosisfindungsphase nicht <20mmHg fallen.Ziel nach 12 Wochen ist ein LVOT-Gradient unter 30mmHg bei einer LVEF über 55%. Ist das erreicht, wird mit der ermittelten Dosis weiterbehandelt und einmal im Quartal kontrolliert. Die Therapie ist allgemein bei einer LVEF <50% zu unterbrechen und bei einer LVEF ≥50% wieder zu beginnen und die Dosis neu zu evaluieren.6
Quelle:
ÖKG-Jahrestagung, Satellitensymposium der Firma BMS„Neue Perspektiven in der Therapie der hypertrophobstruktiven Kardiomyopathie“, 31.5., Salzburg
Literatur:
1 Maron et al.: Management of hypertrophic cardiomyopathy: JACC state-of-the-art review. J Am Coll Cardiol 2022; 79(4): 390-414 2 Nishimura et al.: Hypertrophic obstructive cardiomyopathy. NEJM 2004; 350: 1320-7 3 Yilmaz A et al.: Heart 2011; 100(8): 662-71 4 Maron BJ et al.: Diagnosis and evaluation of hypertrophic cardiomyopathy: JACC state-of-the-art review. J Am Coll Cardiol 2022; 79(4): 372-89 5 Anderson RL et al.: Deciphering the super relaxed state of human β-cardiac myosin and the mode of action of mavacamten from myosin molecules to muscle fibers. Proc Natl Acad Sci USA 2018: 115(35): E8143-E8152 6 Braunwald et al.: Mavacamten: a first-in-class myosin inhibitor for obstructive hypertrophic cardiomyopathy. Eur Heart J 2023; 44(44): 4622-33 7 Fachinformation Camzyos® 8 Olivotto I et al.: Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020; 396(10253): 759-69 9 Desay MY et al.: Myosin inhibition in patients with obstructive hypertrophic cardiomyopathy referred for septal reduction therapy. J Am Coll Cardiol 2022; 80(2): 95-108 10 Arbelo E et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies. Eur Heart J 2023; 44(37): 3503-626
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch Bristol-Myers Squibb Ges.m.b.H.
Fachkurzinformation | 3500-AT-2400033, 08/2024