Pulmonalarterielle Hypertoniebetrifft nicht nur junge Frauen
Bericht: Reno Barth
Die idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (iPAH) gilt als Erkrankung junger Frauen. Tatsächlich wird iPAH heute immer öfter auch bei älteren Menschen diagnostiziert. In höheren Altersgruppen ist die Differenzialdiagnose zwischen iPAH und anderen Formen des Lungenhochdrucks oftmals herausfordernd. Das Ansprechen auf die Therapie ist schlechter als bei jüngeren Patient:innen – was jedoch nichts über den im individuellen Fall erreichbaren Gewinn an Lebenszeit und Lebensqualität aussagt.
In internationalen Registern liegt das Durchschnittsalter bei Diagnose einer pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) mittlerweile bei rund 60 Jahren bei annähernd ausgeglichenem Geschlechterverhältnis. Dies gehe auf den höheren Männeranteil unter den im höheren Alter diagnostizierten Patient:innen zurück, so Prof. Dr. Clara Hjalmarsson vom Sahlgrenska-Universitätskrankenhaus in Göteborg. Diese Veränderungen seien vermutlich weniger auf biologische Faktoren zurückzuführen als primär auf eine erhöhte Awareness, die mit der Verfügbarkeit besserer und besser verträglicher Therapien einhergeht.
Allerdings treten mit dem Alter auch Veränderungen ein, die die Entwicklung von Lungenhochdruck begünstigen. Hjalmarsson nennt unter anderem die zunehmende Steifigkeit der Gefäße, die auch den Lungenkreislauf betrifft, sowie eine zunehmende diastolische Dysfunktion. So konnte nachgewiesen werden, dass die Zunahme des systolischen Blutdrucks mit dem Alter auch mit einer Zunahme des Drucks im Lungenkreislauf korreliert (Abb.1).1
Abb. 1: Kumulative Häufigkeitsverteilung des systolischen Drucks in der Lungenarterie (PASP) in der Allgemeinbevölkerung. Der Median (25., 75. Perzentil) des PASP betrug 26 (24, 30) mmHg (nach Lam CSP et al.)1
Derartige Faktoren führen vor allem zu einer Zunahme von Lungenhochdruck der Gruppen 2 und 3, also pulmonaler Hypertension infolge von Herz- und Lungenerkrankungen. Daneben begünstigen sie vermutlich jedoch auch das Auftreten von iPAH (Lungenhochdruck-Gruppe 1) in höheren Altersgruppen. Im diagnostischen Workup älterer Patient:innen mit Lungenhochdruck sei es daher von hoher Bedeutung, zwischen einer „late-onset“ iPAH und Lungenhochdruck der Gruppen 2 und 3 zu differenzieren.
PAH-Verdacht trotz Komorbiditäten immer gründlich abklären
Mehrere Scores zur Diagnostik einer (nicht selten mit Lungenhochdruck vergesellschafteten) Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Auswurffraktion (HFpEF) sind verfügbar.2 Allerdings betont Hjalmarsson, dass Patient:innen im Zweifelsfall auch eine Untersuchung mit dem Rechtsherzkatheter angeboten werden soll, da das Vorhandensein einer diastolischen Dysfunktion eine iPAH nicht ausschließt und die iPAH im Gegensatz zu sekundären Formen des Lungenhochdrucks besser behandelbar ist. Dabei sei jedoch zu beachten, dass der Lungenkapillarenverschlussdruck bei älteren iPAH-Patient:innen etwas niedriger ist als bei jüngeren und damit oft in den Grenzbereich falle. Leider seien die Grenzwerte derzeit nur unzureichend validiert.
Ebenfalls herausfordernd kann bei älteren Patient:innen die Abgrenzung einer iPAH von einer pulmonalen Hypertonie der Gruppe 3 sein (also infolge einer Lungenerkrankung). Diese Patient:innen haben typischerweise einen ausgeprägten Lungenhochdruck, eine geringgradige Obstruktion des Atemflusses und keine oder allenfalls geringe Hyperkapnie. Das Ausmaß der Lungenerkrankung korreliert nicht mit der Höhe des pulmonalen Blutdrucks. Der kardiopulmonale Belastungstest (CPET) hat sich in dieser Patient:innengruppe als aussagekräftig erwiesen.3 Studiendaten zeigen, dass ältere iPAH-Patient:innen auf die zugelassenen Therapien ansprechen – wenn auch weniger gut als jüngere Betroffene. Lediglich jenseits der 65 ist oft keine Wirkung mehr nachweisbar.4
Mit zunehmendem Alter, aber auch mit der Anzahl der Komorbiditäten nimmt die Chance ab, einen Niedrigrisiko-Status zu erreichen.5 Aus diesem Grund empfehlen die ERS-Guidelines bei Vorhandensein relevanter Komorbiditäten auch eine weniger aggressive Therapie der PAH in Form einer Monotherapie mit einem PDE-5-Inhibitor oder einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA) – während bei jüngeren Patient:innen ohne Komorbiditäten bereits initial eine Zweifachkombination empfohlen wird.6 Dies bedeute jedoch keinesfalls, dass ältere oder multimorbide Patient:innen im individuellen Fall nicht sehr gut auf die Therapie ansprechen können, so Hjalmarsson.
Die Empfehlung für eine Monotherapie steht auch bereits in Diskussion, wie Dr. Athénaïs Boucly von der Université Paris-Saclay ausführt. Denn in den soeben publizierten Empfehlungen des 7th World Symposium on Pulmonary Hypertension entfällt die Trennung nach Komorbiditäten und es soll nach einer iPAH-Diagnose lediglich zwischen „high risk“ und „not high risk“ unterschieden werden.7
Quelle:
„Not all pulmonary arterial hypertension (PAH) patients are young women“; Vortrag von Dr. Clara Hjalmarsson; „Obesity and pulmonary hypertension“, Vortrag von Dr. AthénaÏs Boucly; präsentiert am ESC-Kongress am 30.August 2024 in London
Literatur:
1 Lam CSP et al.: Age-associated increases in pulmonary artery systolic pressure in the general population. Circulation 2009; 119(20): 2663-70 2 Reddy YNV et al.: Diagnosis of heart failure with preserved ejection fraction among patients with unexplained dyspnea. JAMA Cardiol 2022; 7(9): 891-9 3 Kovacs G et al.: Pulmonary vascular involvement in chronic obstructive pulmonary disease. Is there a pulmonary vascular phenotype? Am J Respir Crit Care Med 2018; 198(8): 1000-11 4 Rose JA et al.: Effect of age on phenotype and outcomes in pulmonary arterial hypertension trials. Chest 2016; 149(5): 1234-44 5 Hjalmarsson C et al.: Impact of age and comorbidity on risk stratification in idiopathic pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2018; 51(5): 1702310 6 Humbert M et al.: 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2023; 61(1): 2200879 7 Chin KM et al.: Treatment algorithm for pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2024; 29: 2401325. Online ahead of print
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