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Klappenvitien

Quantifizierung & interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz

Die Mitralklappeninsuffizienz ist eine der häufigsten Herzklappenerkrankungen, deren Prävalenz mit dem Alter deutlich zunimmt. Während leichte Formen oft asymptomatisch bleiben, können mittelschwere bis schwere Insuffizienzen zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität sowie des Überlebens führen. Minimalinvasive Verfahren, die eine kathetergestützte Reparatur der Mitralklappe ermöglichen, stellen eine schonendere Alternative bei schwerer Mitralklappeninsuffizienz zur offenen Herzoperation dar.

Keypoints

  • Die Prognose hängt von der richtigen Quantifizierung des Schweregrades der Mitralklappeninsuffizienz ab.

  • Nur so können frühzeitig die richtigen Patienten für weiterführende Therapieverfahren ausgewählt werden.

  • Ein Großteil der Patienten mit höhergradiger sekundärer Mitralklappeninsuffizienz ist weiterhin nicht ausreichend therapiert.

  • Die interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz bietet eine Alternative zu traditionellen Verfahren.

  • Sie ist besonders relevant für Patienten, die aufgrund von Alter, Begleiterkrankungen oder hohem Operationsrisiko für eine offene Herzchirurgie nicht infrage kommen.

Quantifizierung der Mitralklappeninsuffizienz

Die Quantifizierung der Mitralklappeninsuffizienz ist entscheidend für die Diagnose, Behandlung und Prognose dieser Erkrankung. Sie basiert hauptsächlich auf der Echokardiografie, in deren Rahmen man versucht, mittels verschiedener qualitativer sowie quantitativer Messwerte den Schweregrad der Mitralklappeninsuffizienz zu bewerten. Wichtig ist hierbei, zwischen primären Mitralklappenvitien und der größeren Gruppe der sekundären Mitralklappenvitien (ca. 63% der Betroffenen) zu unterscheiden, da davon auch die richtige Quantifizierung abhängt.1

Primäre Mitralklappeninsuffizienz

Die primäre Mitralklappeninsuffizienz entsteht durch strukturelle Veränderungen der Mitralklappe selbst oder ihres Halteapparates, einschließlich der Chordae tendineae und der Papillarmuskeln. Häufige Ursachen sind degenerative Erkrankungen wie der Mitralklappenprolaps oder die Ruptur der Chordae tendineae („flail leaflet“). Seltenere Ursachen sind eine Mitralklappeninsuffizienz auf Basis einer rheumatischen Herzerkrankung oder infektiöse Endokarditiden. Die Quantifizierung erfolgt hierbei auf Basis von verschiedensten echokardiografischen Parametern (Tab. 1).

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Tab. 1: Quantifizierung der primären Mitralklappeninsuffizienz entsprechend den derzeitigen Leitlinien der European Society of Cardiology (nach Vahanian A et al. 2021)1

Sekundäre Mitralklappeninsuffizienz

Die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz ist eine funktionelle Herzklappenerkrankung, die nicht durch strukturelle Schäden an der Mitralklappe selbst, sondern durch Veränderungen in den umgebenden Herzanatomien verursacht wird; sie ist zumeist mit einer Herzinsuffizienz vergesellschaftet. Hierbei wird weiter zwischen der atrialen und der ventrikulären Mitralklappeninsuffizienz unterschieden. Während die atriale Mitralklappeninsuffizienz primär durch eine Dilatation des Vorhofs und des Mitralklappenanulus (Anulus fibrosus valvae mitralis) verursacht wird, steht bei der ventrikulären Mitralklappeninsuffizienz zumeist die linksventrikuläre Dysfunktion im Vordergrund.2 Die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz im Rahmen einer Herzinsuffizienz ist häufig, nimmt mit dem Alter zu und ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden – unabhängig von der Art der zugrundeliegenden Herzinsuffizienz (i.e. HFpEF, HFmrEF, HFrEF).3,4 Die Quantifizierung erfolgt hierbei ebenfalls hauptsächlich auf Basis von verschiedensten echokardiografischen Parametern (Tab. 2).

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Tab. 2: Quantifizierung der sekundären Mitralklappeninsuffizienz entsprechend den derzeitigen Leitlinien der European Society of Cardiology (nach Vahanian A et al.2021)1

Die interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht und bietet Niedrigrisikooptionen für die Behandlung dieser komplexen Erkrankung.

Interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz

Gerade im Bereich der funktionellen Mitralklappenvitien ist bekannt, dass ein Großteil der Patienten mit höhergradiger Mitralklappeninsuffizienz nicht ausreichend therapiert ist.4 Die interventionelle Therapie der Mitralklappeninsuffizienz umfasst zwei wesentliche Ansätze: (1) die Transkatheter-gestützte Mitralklappenreparatur mittels Edge-to-Edge-Repair-Verfahren (TEER) und (2) den Transkatheter-Mitralklappenersatz (TMVR). Diese Verfahren bieten moderne Alternativen zur chirurgischen Mitralklappenreparatur oder zum chirurgischen Mitralklappenersatz und sind besonders relevant für Patienten, die aufgrund von Alter, Begleiterkrankungen oder hohem Operationsrisiko für die traditionelle offene Herzchirurgie nicht infrage kommen. TEER-Verfahren zielen auf die Reparatur der bestehenden Klappe ab, während beim TMVR der vollständige Ersatz der Klappe angestrebt wird. Dies führt zu unterschiedlichen Anwendungsbereichen und Patientengruppen. TEER-Verfahren eignen sich gut für Patienten mit Insuffizienz mit geeigneter Klappenanatomie (e.g. zentrale Läsionen, wenig Kalzifikation etc.), während TMVR bei komplexeren oder degenerativen Klappenschäden eingesetzt wird, bei denen eine Reparatur nicht möglich erscheint (Abb. 1) Die Wahl zwischen TEER und TMVR hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der zugrunde liegenden Ursache der Mitralklappeninsuffizienz, der Klappenanatomie und des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten. Beide Verfahren bieten eine wertvolle Alternative zur traditionellen Chirurgie und tragen dazu bei, die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz zu erweitern. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass Edge-to-Edge-Repair-Verfahren nun bereits seit Jahren erfolgreich in der klinischen Routine eingesetzt werden, während die meisten transfemoralen TMVR-Verfahren derzeit lediglich im Rahmen von klinischen Studien in Verwendung sind. Zukünftige Entwicklungen und derzeit laufende Langzeitstudien werden weiter zur Optimierung dieser Behandlungsansätze beitragen und die Entscheidungsfindung in der klinischen Praxis verbessern.

Abb. 1: Überblick über derzeit in Verwendung/Erprobung befindlicher interventioneller Mitralklappendevices (kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Transkatheter-Edge-to-Edge-Repair-Verfahren (TEER)

Der Edge-to-EdgeRepair zielt darauf ab, die vorhandene Mitralklappe zu reparieren, um die Regurgitation so zu reduzieren. Die hierbei gängigen Devices sind das MitraClipSystem (Abbott Laboratories) und das Pascal System (Edwards Lifesciences). Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose und unter Kontrolle mittels transösophagealer Echokardiografie sowie Fluoroskopie. Ein steuerbares Kathetersystem wird über die Vena femoralis durch das Vorhofseptum im Vorhof des linken Herzens positioniert. Von hier aus werden ein oder mehrere Clips (MitraClip/Pascal) im undichten Bereich der Herzklappe platziert. Die Klappensegel werden gegriffen, zusammengeführt und die Undichtigkeit hierdurch deutlich verringert bzw. beseitigt. TEER-Verfahren haben in zahlreichen Studien gezeigt, dass sie die Lebensqualität verbessern und die Mortalität sowie die Hospitalisierungsrate aufgrund von Herzinsuffizienz reduzieren können.5

Transkatheter-Mitralklappenersatz (TMVR)

Beim TMVR wird die gesamte defekte Mitralklappe durch eine neue biologische Klappenprothese ersetzt, die über einen Katheter implantiert wird. Diese Verfahren sind derzeit noch technisch anspruchsvollerals die TEER-Prozeduren und erfolgen entweder über einen transapikalen Zugang (über die Herzspitze) oder über die Vena femoralis mittels eines transseptalen Zugangs. TMVR wird derzeit typischerweise bei Patienten angewendet, die durch ausgeprägte strukturelle Schäden/Kalzifikationen für ein TEER-Verfahren nicht geeignet erscheinen. TMVR hat das Potenzial, die Funktion der Mitralklappe vollständig wiederherzustellen, und weist demnach eine hohe technische Erfolgsrate auf. Es handelt sich dabei jedoch auch um ein interventionell anspruchsvolles Verfahren insbesondere aufgrund der derzeit noch sehr beträchtlichen Größen der verwendeten Devices, die eine spezielle Expertise und eine sorgfältige Patientenselektion erfordern. Die Komplikationsrate kann höher sein als bei TEER-Verfahren, und die Langzeitdaten sind noch begrenzt, obwohl erste Ergebnisse sehr vielversprechend sind.

1 Vahanian A et al.: 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J 2022; 43(7): 561-632 2 Bartko PE et al.: Secondary valve regurgitation in patients with heart failure with preserved ejection fraction, heart failure with mid-range ejection fraction, and heart failure with reduced ejection fraction. Eur Heart J 2020; 41(29): 2799-2810 3 Goliasch G et al.: Refining the prognostic impact of functional mitral regurgitation in chronic heart failure. Eur Heart J 2018; 39(1): 39-46 4 Bartko PE et al.: Burden, treatment use, and outcome of secondary mitral regurgitation across the spectrum of heart failure: observational cohort study. BMJ 2021; 373: n1421 5 Stone GW et al.: Five-year follow-up after transcatheter repair of secondary mitral regurgitation. N Engl J Med 2023; 388(22): 2037-48

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