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+#Allrounder mit Begeisterung für die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Swiss Plastic Surgery: «Wir operieren vom Scheitel bis zur Sohle»

Prof. Dr.med. Dirk Johannes Schaefer, Präsident der Swiss Plastic Surgery, gibt spannende Einblicke in die Herausforderungen für die Standesvertretung der Fachärzt:innen für plastische,rekonstruktive und ästhetische Chirurgie sowie für die Handchirurgie in der Schweiz. Prof. Schaefer ist Chefarzt für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Basel sowie ärztlicher Departementsleiter und stellvertretender Leiter am Zentrumfür Hauttumore.

Die plastisch, rekonstruktiv und ästhetisch ausgerichtete Chirurgie in der Schweiz ist ein Fachbereich, der durch regen interdisziplinären Austausch und eine Vielzahl an unterschiedlichen Schwerpunkten geprägt ist. Mit den Kolleg:innen aus der Dermatologie gibt es z.B. eine intensive Zusammenarbeit beim Gewebetransfer im Rahmen von Hauttumoren, speziellen dermatologischen Problemstellungen oder bei Geschlechteranpassungen. Durch diesen intensiven Austausch und vor dem Hintergrund stetiger Fortbildung gelingt es den jeweiligen Partnern in Klinik und Praxis, qualitätsgesicherte Lösungen anzubieten, die so nicht möglich wären, wären die Beteiligten auf sich allein gestellt.

Lieber Herr. Prof. Schaefer, das Themenfeld, mit dem sich die Swiss Plastic Surgery beschäftigt, erscheint bereits auf den ersten Blick extrem vielseitig – ist es in der Praxis sogar noch umfassender?

D. J. Schaefer: Die plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie in der Schweiz basiertauf einem umfangreichen Fachwissen, das eine Facharztausbildung mit 6 Jahren Weiterbildung voraussetzt. Man kann sagen: Wir operieren vom Scheitel bis zur Sohle. Das beginnt bei schweren Weichteildefekten, die z.B. bedingt sind durch Unfall, Tumorresektionen oder schwere Infekte. Die Wiederherstellung in solchen Fällen erfordert verschiedene Verfahren, darunter bspw. Gewebeverschiebungen und Gewebetransplantationen. Ein gutes Beispiel im Rahmen einer freien mikrochirurgischen Gewebetransplantation sind Patient:innen mit einer Fazialisparese nach ausgedehnter Tumorresektion im Gesicht. Hier geht es neben dem Transfer von Gewebe zur Wiederherstellung des Gesichtes auch um eine «Reanimation» der betroffenen Gesichtshälfte. Die Rekonstruktion ist nicht nur auf die Oberfläche bezogen – und das ist symptomatisch für die Herausforderungen in unserem Fachgebiet: Auch die entsprechenden sensiblen und motorischen Funktionen gilt es wiederherzustellen, bspw. im Kopf-Hals-Bereich, damit die Betroffenen wieder in der Lage sind, richtig zu schlucken und zu sprechen. Dabei sind auch ästhetische Gesichtspunkte wichtig, wie z.B. im Gesicht oder bei der Wiederherstellung der Brust bei einer Patientin.

Wir beschäftigen uns auch mit der Wiederherstellung der Extremitäten, damit Patient:innen ihre Arme, Beine und Hände bzw. Füße wieder vollständig einsetzen können, damit sie greifen und halten können oder zum Beispiel nach einem schweren Unfall wieder laufen können. Der Bereich der Chirurgie der peripheren Nervenist ebenfalls ein spannendes Themenfeld: Hier geht es darum, im jeweiligen Bereich das Gefühl wiederherzustellen und Nerven zu reaktivieren, die Bewegungen vermitteln. Das kann z.B. notwendig werden, wenn ein Nerv durch eine schwere Verletzung durchtrennt wird.

Mit chirurgischen Brustverkleinerungen und/oder der Entfernung von Hautschürzen beschäftigen wir uns ebenfalls, u.a. nach starker Gewichtsabnahme. Bei angeborenen Fehlbildungen werden Asymmetrien ausgeglichen. Hinzu kommt ein heute essenzielles Themenfeld: die ästhetische Chirurgie – hier liegen keine direkten Erkrankungen oder Verletzungen zugrunde, es handelt sich vielmehr um Eingriffe, die von den Patient:innen gewünscht werden aus Gründen, die durchaus einen hohen persönlichen Leidensdruck verursachen können. Dabei kann es Überschneidungen mit Funktionsstörungen geben, z.B. bei einer Nasenkorrektur primär aus eher ästhetischen Gründen, die gleichzeitig die Atmung verbessert.

Natürlich ist auch die Behandlung von Patient:innen mit schweren Verbrennungen ein wichtiges Thema, diese findet allerdings in den meisten Fällen in spezialisierten Zentren statt.

Operationen im Bereich der Gendervarianz sind ebenfalls ein Indikationsspektrum, dessen Bedeutung stetig zunimmt. Dann ist da natürlich auch die Tumorbehandlungbei Patient:innen mit Weichteiltumoren und Sarkomen ein Schwerpunkt, hier arbeiten wir z.B. eng mit den betreuenden Onkolog:innen zusammen.

Mit welchen anderen Fachbereichen besteht ansonsten ein besonders enger Austausch?

D. J. Schaefer: Wir arbeiten in unserem Fachgebiet in hohem Maße interdisziplinär. Meine Kolleg:innen sind zum Beispiel als Expert:innen in vielen Tumorzentren oder anderen medizinischen Behandlungszentren als integraler Bestandteil einer erfolgreichen Behandlung und Nachsorge im Einsatz. Dabei sprechen wir von einer Behandlung «von Kopf bis Fuß». Bei Kopf- und Halstumoren arbeiten wir neben der Onkologie eng mit der HNO-und der Kieferchirurgie zusammen, bei der Wiederherstellung der Brust in den Brustzentren mit der Gynäkologie bzw. der spezialisierten Chirurgie. Wenn es um die Extremitätenrekonstruktion geht, gibt es einen intensiven Austausch mit den Kolleg:innen aus der Orthopädie und Traumatologie, entsprechend auchin der Handchirurgie. Hinzu kommen andere Bereiche wie die Urologie, wo unsere Expertise gefragt ist. Interdisziplinäre Kooperationen sind u.a. bei der Gewebeverpflanzung essenziell, wenn es darum geht, unseren Kolleg:innen und damit auch den betroffenen Patient:innen optimale Lösungen anzubieten, die ihnen allein nicht möglich wären.

Wie intensiv ist die Vernetzung z.B. mit den Kollegen aus der Dermatologie?

D. J. Schaefer: Gerade an den grossen Zentren ist diese Vernetzung in der Regel sehr gut, wobei es unterschiedliche Ausprägungen gibt. Wir sehen uns unter den Kolleg:innen hier in Basel regelmäßig, sind in einem gemeinsamen Tumorzentrum organisiert und tauschen uns aktiv aus. Wir sind hier in Basel sehr gut vernetzt an vielen anderen Kliniken, das ist in einigen anderen Institutionen nicht immer so ausgeprägt.

Gleichzeitig sorgt sich natürlich jeder um seine eigenen Patient:innen – aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass wir in Basel gut aufgestellt sind, was die aktive Zusammenarbeit anbelangt. Wir schneiden auch nicht jede kleinste Hautveränderung heraus und fokussieren auf die komplexen Rekonstruktionen. Natürlich ist es immer eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Mediziners bzw. der Medizinerin sowie der Komplexität des Falles geschuldet, ab wann man spezialisierte Expert:innen dazuholt. Das hängt auch vom Verfahren ab, eben nicht nur von der Grösse des betroffenen Bereiches. Man sollte als Mediziner:in in der Lage sein, sich selbst realistisch gut einzuschätzen, aber vor allen Dingen die Patient:innen im Mittelpunkt sehen. Nach der Prämisse: «Ich will hier für meinen Patienten/meine Patientin des beste Ergebnis erzielen.» Diese Personen müssen mit den Folgen für den Rest ihres Lebens zurechtkommen.

Eine gute Kommunikation, integrierte Kooperation, abgestimmte Prozesse und Behandlungsstandards sind essenziell – und das umzusetzen gelingt uns in der gemeinsamen Praxis sehr gut. Hier helfen z.B. interdisziplinäre Sprechstunden bzw. Behandlungszentren, damit man sich möglichst frühzeitig und intensiv abstimmt und gemeinsam einen guten Weg findet.

Was sind die Kernaufgaben der Swiss Plastic Surgery?

D. J. Schaefer: Bei einem so mannigfaltigen Bereich steht die stetige Fortbildung im Mittelpunkt. Das ist ein essenzielles Thema für uns als Gesellschaft. Dazu gehört auch die Prüfung der Personen, die bei uns Weiterbildungen absolvieren, aus Gründen der Qualitätssicherung. Des Weiteren vertreten wir unsere Mitglieder auch bei entsprechenden Tarif-Fragestellungen und -Verhandlungen. Aktuell geht es hier u.a. um ambulante Pauschalen, dafür engagieren wir uns im Moment stark.

Auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung und die Vertretung in den entsprechenden Gremien der Gesundheitspolitik sind ein wichtiges Thema. Die plastische Chirurgie ist ein Gebiet, das sehr begehrt ist. Hier möchten viele aktiv werden und zahlreiche andere Disziplinen versuchen durchaus, auch in unseren Kernbereichen tätig zu werden:indem sie z.B. eigene Subspezialisierungen anbieten, die nicht unseren Standards entsprechen. Es gehört daher auch zu unseren Aufgaben als Fachgesellschaft, dass wir das eigene Fachgebiet verteidigen. Das ist eine sehr wichtige Tätigkeit. Hinzu kommt unser Engagement für Wissenschaft und Forschung, hierzu gehört auch unsere Jahrestagung, die dieses Jahr vom 18. bis 19. Oktober in Lausanne stattgefunden hat .

Nicht zu vergessen das Thema Etikettenschwindel bei den Facharzttiteln etc. Hier dreht es sich um vorrangig juristische Fragestellungen. Heute ist es einfach, im Internet mit einem selbst gemachten Profil, das einen Titel und eine Qualifikation suggeriert, eine Qualifikation «darzustellen». Auch im Rahmen juristischer Überprüfungen in solchen Fällen werden wir zurate gezogen und unsere Expertise ist gefragt.

Qualitätsstandards sind ebenfalls ein essenzielles Thema für uns: wenn z.B. neue Methoden aufkommen, wie zuletzt die autologe Fettgewebstransplantation, und Bedenken auftreten bezüglich der onkologischen Sicherheit. In einem solchen Fall wird es essenziell, dass sich Expert:innen die Studien ganz genau anschauen, sich fachlich und international austauschen und Behandlungsrichtlinien erarbeiten. Dazu gehört dann auch die Zusammenarbeit mit dem BAG, wenn es um die Kostenübernahme geht. Ein gutes Beispiel ist hier die Übernahme von Kosten für bestimmte Behandlungen bei Brustkrebs: Wenn eine Brust entfernt und in einem Rekonstruktionsverfahren wiederhergestellt wird, ist das auch aus ästhetischen Gründen ein wichtiger Eingriff für die betroffene Patientin. Ab wann ist z.B. eine Brustverkleinerung als Operation eine Kassenindikation und wann ist es eher ein ästhetischer Eingriff? Das gilt es ganz genau zu verhandeln und zu definieren.

Hier sind auch Eingriffe bei Patient:innenzu nennen, die einen starken Gewichtsverlust erzielt haben, z.B. durch eine Magen-Bypass-Operation, und bei denen es zur Bildung einer unschönen und im Alltag teils erheblich belastenden Hautschürzegekommen ist. Hat es Sinn, dass die Fett- bzw. Hautschürzeentfernt wird und die Krankenkassen die Behandlungskosten übernehmen, um Sekundärschäden zu vermeiden? Das sind Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandersetzen.

Zurück zum Thema Qualitätssicherung: Hier werden die Anforderungen immer höhergeschraubt, es werden z.B. Register aufgebaut, in denen Behandlungen zu dokumentieren sind und über die Patient:innen langfristig beobachtet werden können. Hohe Qualitätsstandards in der operativen Behandlung sind essenziell, dazu werden umfangreiche Qualitätsmaßnahmen erhoben. Diese müssen praktikabel sein, damit unsere Mitglieder sie in ihre Praxis übertragen können. Übrigens natürlich alles, ohne dass das zusätzlich vergütet wird.

Was aktuell stark zugenommen hat, sind Anfragen aus der Presse, z.B.: «Können Sie uns für einen aktuellen Bericht erklären, wie diese oder jene Behandlung durchgeführt wird?» Diese Anfragen häufen sich insbesondere im ästhetischen Bereich. Das scheint heute von besonderem Interesse zu sein und wir sind dann bemüht, entsprechend Auskunft zu geben.

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Abb. 1: Gruppenbild: v. l. n. r.: Prof. Dr. med. Dirk J. Schaefer vom Universitätsspital Basel (Präsident), Prof. Dr. med. Mihai Constantinescu vom Inselspital Bern (Vize-Präsident), PD Dr. med. Merlin Guggenheim von der Swissparc AG Zürich (Vorstandsmitglied), Prof. Dr. med. Wassim Raffoul von der CHUV Lausanne (Vorstandsmitglied), Dr. med. Thomas Fischer von Centerclinic Bern (Past-Präsident), Dr. med. Doris Babst von der Plastic Surgery Group AG Zürich (Vorstandsmitglied), Prof. Dr. med. Yves Harder vom Ospedale Regionale di Lugano (Vorstandsmitglied), Dr. med. Michele Zanzi von Zanzi Clinic Lausanne (Vorstandsmitglied)

Gibt es eine Beratungsmöglichkeit für Mediziner:innen aus dem Fachgebiet in der Schweiz?

D. J. Schaefer: Sie können sich gerne an unser Generalsekretariat und das Sekretariat der Swiss Plastic Surgery wenden, diese Information geht dann im Regelfall an unsere Vorstandsmitglieder und Expert:innen. Wir haben auch einen Ombudsmann — noch keine Ombudsfrau —, an den man sich bei allgemeinen Fragestellungen wenden kann. Auch wenn Patient:innen Fragestellungen haben, etwa ob eine Behandlung richtig gelaufen sei, helfen die Kolleg:innen gerne und versuchen erst einmal zu vermitteln, bevor es zur Klage kommt.

Auslands-OPs im Urlaub scheinen in einem Land mit hohen medizinischen Standards für viele Patient:innen verlockend zu sein – wie ist das in der Schweiz?

D. J. Schaefer: Wir haben bei uns in der Schweiz ein grosses Thema mit Auslandsoperationen und Komplikationen nach solchen Eingriffen, die dann hier in unserem Gesundheitssystem behandelt werden müssen, zulasten der Allgemeinheit. Hier sind v.a. sorglose Urlaubsbehandlungen mit invasiven Behandlungen durch nicht medizinisches oder nicht korrekt ausgebildetes Personal im Ausland ein Thema.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie niedrig die Hemmschwelle bei den Betroffenen ist, sich im Ausland in die Hände von Kolleg:innen zu begeben, die man überhaupt nicht kennt.Ob alles gut gehen wird, wird z.B. meistens nicht reflektiert – und dass solche Behandlungen auch ein Nachsorgethema sind. Nicht zu vergessen die gesundheitlichen Folgen, wenn etwas schiefgeht. Wir versuchen hier deutlich zu machen, dass es hier in der Schweiz einen höheren Standard gibt,mehr Qualität allerdings auch ihren Preis hat.

Wie wichtig ist das Thema Genderangleichungen für Ihr Fachgebiet?

D. J. Schaefer: Hier tut sich sehr viel und es ist noch sehr viel zu tun. Auch deswegen, weil die betroffenenMenschen oftmals lange Zeit im Verborgenen gelebt haben. Durch die steigende gesellschaftliche Akzeptanz melden sich jetzt sehr viele Betroffene bei der Ärztin bzw. dem Arzt ihres Vertrauens. Es ist ein sehr komplexes Thema und es gibt sicherlich eine gewisse Dunkelziffer, weil sich die Betroffenen ein Coming-out nicht oder noch nicht getrauen. Bei uns in Basel machen geschlechtsangleichende Eingriffe mittlerweile ein Sechstel der Operationen aus.

Ich persönlich denke, dass das ein zunehmend wichtiger Bereich ist – und dass sich hier im Sinne eines holistischen Ansatzes gerade interdisziplinäre und auch interprofessionelle Behandlungszentren eignen, um sich umfassend und langfristig um solche Patientinnen und Patienten zu kümmern. Viele Betroffene absolvieren ein regelrechtes Doktor-Hopping, das kann keine gute Lösung sein. Genderfluidität ist ein gesellschaftliches Phänomen und natürlich vor allem eine Frage der Identität. Ich kann sagen, alle Patient:innen, die wir hier in Basel behandeln, sind sehr gut eruiert. Das sind keine Fälle, bei denen es irgendwann zu einem Bedauern kommt, weil sich das Ganze als Fehlentscheidung aus einem Moment heraus darstellt. Gesellschaftlich ist es noch ein sehr heikles Thema und es gibt es starke Gegenbewegungen. Leider werden teilweise auch Dinge unterstellt, die nicht der Realität entsprechen, wie bspw. dass operative Behandlungen bereits an Kindern durchgeführt würden. Das ist definitiv nicht der Fall.

Was sind für die Dermatolog:innen besonders spannende Themen, mit denen Sie und Ihre Kolleg:innen sich beschäftigen?

D. J. Schaefer: Im Rahmen von Genderanpassung ist z.B. der Bereich der Laserbehandlungen zu nennen. Hier geht es v.a. um das äußere Erscheinungsbild, das die soziale Integration und Wahrnehmung prägt.Massnahmen, die das Gesicht der Betroffenen weiblicher oder männlicher erscheinen lassen, helfen sehr, wie z.B. Haarepilation durch Laser. In der Tumorbehandlung greifen neue Therapien wie die Immuntherapie, welche zu einem längeren Überleben führen. Behandlungskonzepte werden entsprechend interdisziplinär angepasst.

Was waren die Schwerpunkte auf der diesjährigen Jahresveranstaltung der Swiss Plastic Surgery im Oktober?

Die Jahresveranstaltung stand unter dem grossen Thema «Change», unter das sich viele Einzelthemen subsumieren lassen. Wir beschäftigten uns z.B. mit der Genderanpassung und mit Körperveränderungen im Rahmen eines starken Gewichtsverlusts. Dabei ging es um Fragen wie: «Welche Veränderungen macht der Körper durch, wenn wir älter werden, und welche therapeutischen Folgen hat das im Fachgebiet?» Ein wichtiger Fokus lag auchauf dem Gesichtsbereich.

Auch mit Artificial Intelligence haben wir unsbeschäftigt – wo kann man diese bei uns sinnvoll einsetzen?

Im Fokus stand auch die rekonstruktive Brustchirurgie, bei der man innerhalb unseres Fachgebietes eine spezialisierte Zusatzausbildung benötigt, um das gesamte Spektrum an Therapien anbieten zu können. Wirhaben uns mit dem weiten Feld der verschiedenen freien Gewebetransfersauseinandergesetzt. Selbstverständlich beschäftigte auch uns die Diskussion um die Veränderungen der ambulanten Tarifierung. Hier soll es 2025 Änderungen geben, es könnte aber auch später werden.

Auch ging es darum, Qualitätskonzepte zu entwickeln bzw. zu optimieren. Esistein bedeutendes Thema, dass wir Behandlungsergebnisse umfassend dokumentieren. Dabei ist es auch wichtig, ganz praktisch aufzuzeigen, dass eine solche Dokumentation für die Praxis ein Benefit ist, beispielsweise gerade bei der Geschlechtervarianz, aber auch bei Tumoren, Konstruktionen etc.

Worauf dürfen wir künftig im Forschungsbereich gespannt sein?

D. J. Schaefer: Für Haut, Nerven, Knochen, Knorpel usw. wird es darum gehen, «Ersatzmaterialien» für körpereigenes Gewebe zu züchten, um diese Gewebe nicht erst von anderen Stellen des Körpers entnehmen zu müssen. Hierzu werden aus eigenen Stammzellen und Biomaterialien Haut-, Nerven-, Knorpel- und Knochenkonstrukte im Labor hergestellt. Ein weiteres Forschungsthemaist die allogene Transplantation von komplexen Strukturen bspw. für das Gesicht oder im Handbereich. Insbesondere die Forschung auf dem Gebiet der Toleranzentwicklung im Rahmen der immunologischen Forschung ist spannend. Bei Transgenderpatientinnen wäre hier die Gebärmuttertransplantation zu nennen.

Alles innovative Themen, die heuer diskutiert wurden und die in den Sektor Fremdgewebetransplantation fallen. Dabei stehen im Rahmen von Forschungsarbeit u.a. die Risiken einer Immunsuppression und der Gewebeabstoßung im Fokus. Das sind vermutlich Hauptgebiete der wissenschaftlichen Arbeiten für die nächste Zukunft – wie auch die chirurgischen Möglichkeiten beider Behandlung von Lymphödemen, hier ist ebenfalls noch viel Potenzial. Dazu ist eine entsprechende Arbeit an den Universitäten notwendig und es braucht die Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsnetzwerken und natürlich finanziellen Support, damit innovative Lösungen zum Wohle der betroffenen Patient:innen entwickelt werden können.

Factbox

Die Schweizerische Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (Swiss Plastic Surgery) ist der Fachverband der Fachärzt:innen, die nach dem Staatsexamen eine fachspezifische Weiterbildung in plastischer, rekonstruktiver und ästhetischer Chirurgie absolviert haben oder sich über eine gleichwertige ausländische Weiterbildung gemäss den europäischen bilateralen Verträgen ausweisen.

Website: plasticsurgery.ch

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