<p class="article-intro">Bis zu 10 % der Patienten mit Sarkoidose haben eine klinisch relevante renale Störung. Dazu gehören Nierensteine, tubuläre Funktionsstörungen, aber auch eine eingeschränkte Nierenfunktion, welche durch eine Nephrokalzinose oder eine interstitielle Nephritis verursacht wird. Renale Probleme sollten gesucht, bei suspekten Befunden abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein klinisch relevanter renaler Befall ist bei der Sarkoidose keine Rarität.</li> <li>Eine normale Nierenfunktion schliesst eine renale Sarkoidose nicht aus.</li> <li>Das Urinsediment, die Proteinurie und die Kalzämie/Kalziurie sind wichtige Screeninginstrumente.</li> <li>Bei Verdacht auf eine renale Sarkoidose ist eine Nierenbiopsie indiziert.</li> <li>Am besten belegt ist die erfolgreiche Therapie mit Steroiden.</li> <li>Histologie und frühes Therapieansprechen sind für die renale Prognose entscheidend.</li> </ul> </div> <h2>Fallbeschreibung</h2> <p>Ein 38-jähriger aus Sri Lanka stammender Patient wurde uns wegen einer seit Jahren bekannten Mikrohämaturie und einer erhöhten Albuminurie sowie einer arteriellen Hypertonie seit dem Vorjahr zugewiesen. Eine urologische Abklärung hatte unauffällige Befunde ergeben. Der Verlauf der Kreatininwerte der letzten 5 Jahre zeigte einen jährlichen Rückgang der GFR (glomeruläre Filtrationsrate) um ca. 5 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> (von 68 auf 44 ml/ min/1,73 m<sup>2</sup> (Abb. 1). Zudem wurde eine Proteinurie von 0,5 g/d (60 % Albumin) nachgewiesen, das Urinsediment war unauffällig. Die Sonografie zeigte neben mehreren Nierenzysten keine Auffälligkeiten. Es wurde eine Nierenbiopsie durchgeführt, die eine interstitielle Entzündung mit multiplen, epitheloid-riesenzelligen Granulomen ohne Nekrosezonen sowie eine interstitielle Fibrose/Tubulusatrophie von 20 % des Kortexbereichs zeigte.<br /> Ätiologisch ist eine granulomatöse interstitielle Nephritis oft medikamentös bedingt, differenzialdiagnostisch muss an eine entzündliche Systemerkrankung (z. B. Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis, Morbus Crohn) oder einen Infekt (z. B. Mykobakteriose, Pilzinfekt) gedacht werden. Bei unserem Patienten war die Medikamentenanamnese unauffällig. Es wurde eine latente Tuberkulose mit positivem Quantiferontest festgestellt, aber keine Hinweise für eine aktive Tuberkulose (negative Mykobakterien- PCR und Ziel-Neelsen-Färbung in der Nierenbiopsie, negative Urinkulturen). Weder klinisch noch histologisch ergaben sich Hinweise auf einen Pilzinfekt. Bei negativen ANCA (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper) und fehlender Eosinophilie gab es keine Anhaltspunkte für eine (eosinophile) Granulomatose mit Polyangiitis. Computertomografisch war das Lungenparenchym unauffällig, die Feinnadelpunktion von vergrösserten subkarinären Lymphknoten ergab eine granulomatöse Lymphadenitis, wobei auch hier die Ziel-Neelsen-Färbung und die Kultur des Biopsats bzw. der BAL (bronchoalveoläre Lavage) negativ blieben.<br /> Durch den Ausschluss alternativer Ursachen wurde die Diagnose einer Sarkoidose gestellt. Die ACE-Aktivität war normal, es bestand weder eine Hyperkalzämie noch eine Hyperkalziurie.<br /> Die latente Tuberkulose wurde mit Isoniazid über 9 Monate behandelt, gleichzeitig wurde mit Prednison initial 1 mg/kg/d begonnen. Darunter kam es zu einem leichten Anstieg der geschätzten GFR von minimal 40 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> auf ca. 45 ml/ min/1,73 m<sup>2</sup> ohne weitere Verbesserung im Verlauf. Nach langsamer Reduktion der Prednison- Dosis über 18 Monate traten bei der Dosis von 2,5 mg/d Arthralgien auf, weswegen die Prednison- Dosis wieder erhöht und zusätzlich Hydroxychloroquin gegeben wurde. Nach vorübergehendem Stopp steht der Patient wegen Gelenkbeschwerden aktuell weiterhin unter Prednison 2,5 mg/d. Die Nierenfunktion ist im Verlauf der letzten 2 Jahre stabil bei ca. 45 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> geblieben.</p>
<p class="article-intro">Bis zu 10 % der Patienten mit Sarkoidose haben eine klinisch relevante renale Störung. Dazu gehören Nierensteine, tubuläre Funktionsstörungen, aber auch eine eingeschränkte Nierenfunktion, welche durch eine Nephrokalzinose oder eine interstitielle Nephritis verursacht wird. Renale Probleme sollten gesucht, bei suspekten Befunden abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein klinisch relevanter renaler Befall ist bei der Sarkoidose keine Rarität.</li> <li>Eine normale Nierenfunktion schliesst eine renale Sarkoidose nicht aus.</li> <li>Das Urinsediment, die Proteinurie und die Kalzämie/Kalziurie sind wichtige Screeninginstrumente.</li> <li>Bei Verdacht auf eine renale Sarkoidose ist eine Nierenbiopsie indiziert.</li> <li>Am besten belegt ist die erfolgreiche Therapie mit Steroiden.</li> <li>Histologie und frühes Therapieansprechen sind für die renale Prognose entscheidend.</li> </ul> </div> <h2>Fallbeschreibung</h2> <p>Ein 38-jähriger aus Sri Lanka stammender Patient wurde uns wegen einer seit Jahren bekannten Mikrohämaturie und einer erhöhten Albuminurie sowie einer arteriellen Hypertonie seit dem Vorjahr zugewiesen. Eine urologische Abklärung hatte unauffällige Befunde ergeben. Der Verlauf der Kreatininwerte der letzten 5 Jahre zeigte einen jährlichen Rückgang der GFR (glomeruläre Filtrationsrate) um ca. 5 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> (von 68 auf 44 ml/ min/1,73 m<sup>2</sup> (Abb. 1). Zudem wurde eine Proteinurie von 0,5 g/d (60 % Albumin) nachgewiesen, das Urinsediment war unauffällig. Die Sonografie zeigte neben mehreren Nierenzysten keine Auffälligkeiten. Es wurde eine Nierenbiopsie durchgeführt, die eine interstitielle Entzündung mit multiplen, epitheloid-riesenzelligen Granulomen ohne Nekrosezonen sowie eine interstitielle Fibrose/Tubulusatrophie von 20 % des Kortexbereichs zeigte.<br /> Ätiologisch ist eine granulomatöse interstitielle Nephritis oft medikamentös bedingt, differenzialdiagnostisch muss an eine entzündliche Systemerkrankung (z. B. Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis, Morbus Crohn) oder einen Infekt (z. B. Mykobakteriose, Pilzinfekt) gedacht werden. Bei unserem Patienten war die Medikamentenanamnese unauffällig. Es wurde eine latente Tuberkulose mit positivem Quantiferontest festgestellt, aber keine Hinweise für eine aktive Tuberkulose (negative Mykobakterien- PCR und Ziel-Neelsen-Färbung in der Nierenbiopsie, negative Urinkulturen). Weder klinisch noch histologisch ergaben sich Hinweise auf einen Pilzinfekt. Bei negativen ANCA (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper) und fehlender Eosinophilie gab es keine Anhaltspunkte für eine (eosinophile) Granulomatose mit Polyangiitis. Computertomografisch war das Lungenparenchym unauffällig, die Feinnadelpunktion von vergrösserten subkarinären Lymphknoten ergab eine granulomatöse Lymphadenitis, wobei auch hier die Ziel-Neelsen-Färbung und die Kultur des Biopsats bzw. der BAL (bronchoalveoläre Lavage) negativ blieben.<br /> Durch den Ausschluss alternativer Ursachen wurde die Diagnose einer Sarkoidose gestellt. Die ACE-Aktivität war normal, es bestand weder eine Hyperkalzämie noch eine Hyperkalziurie.<br /> Die latente Tuberkulose wurde mit Isoniazid über 9 Monate behandelt, gleichzeitig wurde mit Prednison initial 1 mg/kg/d begonnen. Darunter kam es zu einem leichten Anstieg der geschätzten GFR von minimal 40 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> auf ca. 45 ml/ min/1,73 m<sup>2</sup> ohne weitere Verbesserung im Verlauf. Nach langsamer Reduktion der Prednison- Dosis über 18 Monate traten bei der Dosis von 2,5 mg/d Arthralgien auf, weswegen die Prednison- Dosis wieder erhöht und zusätzlich Hydroxychloroquin gegeben wurde. Nach vorübergehendem Stopp steht der Patient wegen Gelenkbeschwerden aktuell weiterhin unter Prednison 2,5 mg/d. Die Nierenfunktion ist im Verlauf der letzten 2 Jahre stabil bei ca. 45 ml/min/1,73 m<sup>2</sup> geblieben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s74_abb1.jpg" alt="" width="450" height="387" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Untersuchungen mit systematischer nephrologischer Diagnostik zeigen in bis zu 48 % der Fälle eine renale Beteiligung.<sup>1</sup> Häufig tritt die renale Sarkoidose (RS) im Kontext einer pulmonalen Sarkoidose auf. Es wurden auch Fälle von isolierter RS beschrieben, wobei die Häufigkeit auf 10−15 % aller Fälle mit RS geschätzt wird.<sup>2</sup> Klinisch präsentiert sich die Mehrheit der RS als chronische Niereninsuffizienz mit langsam fortschreitendem Nierenfunktionsverlust.<sup>3</sup><br /> Im Anfangsstadium der Erkrankung kann das Kreatinin noch im Normbereich liegen. Das Serumkalzium und die Kalziurie spielen vor dem Hintergrund einer potenziellen Nephrokalzinose und Nephrolithiasis eine bedeutende Rolle. Die übermässige Expression von 1α-Hydroxylase in den Alveolarmakrophagen und Lymphknoten führt zu einem erhöhten Calcitriol mit vermehrter intestinaler Kalziumresorption. Bei intakter Nierenfunktion wird die Hyperkalzämie häufig noch maskiert, weshalb diese wesentlich seltener auftritt als eine Hyperkalziurie (10−20 % vs. 62 %). Ein normales Serumkalzium schliesst eine kalziumassoziierte Nierenschädigung nicht aus. Infolge der Abnahme der Nierenfunktion nimmt die Hyperkalzämie zu. Erhöhte Kalziumspiegel haben Auswirkungen, wie renale Vasokonstriktion mit GFR-Reduktion, verminderte Konzentrationsfähigkeit des Primärharns mit Polyurie sowie Tubulusnekrosen und interstitielle Fibrose durch interstitielle Kalziumablagerungen. Zudem kann es zu einer Nephrolithiasis mit u. U. obstruktiver Nephropathie kommen. Der Urindiagnostik kommt bei RS mit normaler Nierenfunktion eine besondere Rolle zu. Leukozyturie, Mikrohämaturie oder erhöhte Proteinurie können auf eine interstitielle Nephritis hinweisen.<sup>2−4</sup> Die Proteinurie- Diagnostik kann aus dem Spoturin (Protein/Kreatinin-Quotient) oder dem Sammelurin erfolgen. Eine Hyperkalziurie mit Werten > 6,2 mmol/24 h bei Frauen und > 7,5 mmol/24 h bei Männern kann auf eine Nephrokalzinose hindeuten und sollte mittels 24-Stunden-Sammelurin erfasst werden. Bei einer Sarkoidose mit Verdacht auf renalen Befall sollte die Indikation zur Nierenbiopsie grosszügig gestellt werden. Bei Niereninsuffizienz, erhöhter Proteinurie > 0,3 g/d, Auffälligkeiten im Urinsediment oder sonografischem Verdacht auf eine Nephrokalzinose ist eine Nierenbiopsie angezeigt. Die tubulointerstitielle Nephritis (TIN) ist die mit Abstand häufigste histologische Manifestationsform der RS.<sup>3−5</sup> Ein fehlender Nachweis von Granulomen schliesst eine RS dabei nicht aus.<br /> Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Manifestationsformen der RS mit den klinischen Befunden, den Häufigkeiten sowie den diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Die Evidenz für die Behandlung der RS stützt sich auf Fallserien oder Kasuistiken. Am meisten Evidenz gibt es für die Therapie mit Glukokortikoiden. Diese führen u. a. zur Reduktion der 1α-Hydroxylaseaktivität in den Makrophagen, der intestinalen Kalziumresorption und der Granulomlast. In der Regel wird mit einer Prednison-Dosis von 0,5–1 mg/kg/d gestartet, mit anschliessender langsamer Reduktion der Dosis über 12 Monate.<sup>3, 4</sup> Hierunter zeigte sich meist innerhalb von 3 Monaten eine Verbesserung der Nierenfunktion mit einem Therapieansprechen in 83−100 % der Fälle.<sup>4, 5</sup> Nach Therapieende erleidet circa ein Drittel der Patienten ein Rezidiv. Mycophenolatmofetil, Methotrexat sowie Azathioprin wurden in mehreren kleinen Fallserien bzw. Kasuistiken zur Steroideinsparung bei RS eingesetzt.<sup>4, 5</sup> Zur Behandlung der Hyperkalzämie kann Hydroxychloroquin eingesetzt werden. Thiaziddiuretika, Vitamin-D- oder Kalziumpräparate sind kontraindiziert. Die Höhe des Serumkreatinins bei Erstdiagnose, die histologische Entität, der Grad der interstitiellen Fibrose sowie das Therapieansprechen in den ersten 3 Monaten spielen im Hinblick auf die renale Prognose eine wichtige Rolle.<sup>3−5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s75_tab1.jpg" alt="" width="1683" height="1047" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bergner R et al.: Frequency of kidney disease in chronic sarcoidosis. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 2003; 20: 126-32 <strong>2</strong> Löffler C et al.: Renal sarcoidosis: epidemiological and follow-up data in a cohort of 27 patients. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 2015; 31: 306-15 <strong>3</strong> Javaud N et al.: Renal granulomatoses: a retrospective study of 40 cases and review of the literature. Medicine 2007; 86: 170-80 <strong>4</strong> Mahévas M et al.: Renal sarcoidosis: clinical, laboratory, and histologic presentation and outcome in 47 patients. Medicine 2009; 88: 98-106 <strong>5</strong> Rajakariar R et al.: Sarcoid tubulo-interstitial nephritis: long term outcome and response to corticosteroid therapy. Kidney Int 2006; 70: 165-9</p>
</div>
</p>