<p class="article-intro">Die adulte Form des Morbus Pompe ist eine von etwa 40 derzeit bekannten lysosomalen Speichererkrankungen. Die verminderte Aktivität der sauren α-1,4-Glukosidase führt zu einer degenerativen Muskelerkrankung, die durch eine variable, langsam progrediente Gliedergürtel- und Atemmuskelschwäche gekennzeichnet ist. Die Erkrankung wird aufgrund der genetisch bedingten Stoffwechseldysfunktion der lysosomalen α-Glukosidase den hereditären metabolischen Myopathien zugeordnet. Mit einer regional unterschiedlichen Prävalenz von 1 : 33 000 bis 1 : 300 000 zählt sie zu den seltenen Erkrankungen, wenngleich die Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Fällen aufgrund der hohen klinischen Variabilität relativ hoch sein dürfte.1 </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Klinische Leitsymptome des Morbus Pompe sind in variabler Ausprägung eine proximale und axiale Muskelschwäche, Skoliose und eine restriktive Ventilationsstörung.</li> <li>Eine Enzymersatztherapie steht zur Verfügung, die beim Auftreten von Symptomen rasch begonnen werden sollte. Eine frühe Diagnostik ist daher notwendig.</li> <li>Eine Beteiligung der Atemmuskulatur ist häufig und reduziert die Lebenserwartung signifikant. Eine regelmäßige Diagnostik der Atemfunktion ist notwendig zur Einleitung therapeutischer Maßnahmen.</li> <li>Der DBS-Test ist ein kostengünstiger, einfacher und spezifischer Test zur Diagnostik des M. Pompe und sollte bei klinischen Hinweisen auf M. Pompe oder unklaren Myopathien regelhaft erfolgen.</li> </ul> </div> <p> </p> <h2>Pathogenese</h2> <p>Bei der Myopathie des adulten Morbus Pompe („late-onset Pompe disease“, LOPD) kommt es aufgrund des vermindert exprimierten lysosomalen Enzyms α-1,4-Glukosidase (saure Maltase, GAA) durch reduzierten Abbau von intrazellulärem Glykogen zu dessen Speicherung und damit letztendlich irreversibel zum Muskelzelluntergang. Die Ursache sind autosomal-rezessiv vererbte Mutationen im GAA-Gen auf Chromosom 17. Glykogen ist vor allem in Muskelzellen der Skelett-, Herz- und Zwerchfellmuskulatur sowie geringfügig in glatter Gefäßmuskulatur vorhanden, konnte aber auch in Vorderhornzellen und im N. phrenicus nachgewiesen werden.<sup>2</sup> Die lysosomale α-1,4-Glukosidase ist eine Hydrolase, die sowohl α-1,4- als auch α-1,6-glykosidische Bindungen hydrolysieren kann und stellt damit einen essenziellen Stoffwechselschritt im Abbauprozess des Glykogens in den Lysosomen dar. Unter physiologischen Bedingungen hydrolysiert die α-1,4-Glukosidase Glykogen zu Glukose und sorgt so für eine schnelle Glukose- und damit Energiebereitstellung. Bei einem Fehlen oder einer verminderten Aktivität der α-1,4-Glukosidase erfolgt dieser Abbauprozess nicht mehr geregelt und es kommt zur exzessiven Speicherung von Glykogen.<sup>3</sup> <br />Die Höhe der Restaktivität der lysosomalen α-1,4-Glukosidase bestimmt maßgeblich den Beginn der Symptomatik und den klinischen Verlauf. Im Anfangsstadium kommt es zunächst zu einer Glykogenansammlung mit Vergrößerung der Lysosomen und Verdrängung gesunder Zellen, sodass die Muskelfunktion bereits eine Beeinträchtigung aufweisen kann. Im weiteren Verlauf kommt es durch fortschreitende Glykogenansammlung zur Ruptur der lysosomalen Grenzmembran und zur Zerstörung der Lysosomen mit Freisetzung von Glykogen und anderen lysosomalen Enzymen.<sup>3</sup> In diesem Stadium findet man in der Muskelbiopsie extrazelluläres Glykogen sowie eine zusätzliche schwere Zerstörung der Muskelzellen durch autophagische Vakuolen. Klinisch besteht in dieser Phase eine schwere irreversible Myopathie.</p> <h2>Klinische Symptome und Diagnostik</h2> <p>Die klinische Diagnostik des LOPD ist durch seine variable klinische Präsentation erschwert und weist deshalb eine lange Latenz von ca. 7–10 Jahren zwischen Symptombeginn und Diagnosesicherung auf.<sup>4</sup> Das Manifestationsalter der Erkrankung hängt maßgeblich von der Restaktivität des vermindert gebildeten Enzyms α-1,4-Glukosidase ab, die eine klinische Unterscheidung zwischen der kindlichen Form („infantile onset Pompe disease“, IOPD) und der adulten Form ermöglicht (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1705_Weblinks_21_2.jpg" alt="" width="400" /><br />Bei der adulten Form können Erstsymptome auch im höheren Lebensalter auftreten, am häufigsten jedoch im mittleren Erwachsenenalter um das 30. Lebensjahr.<sup>5</sup> Bei etwa 75 % der Patienten liegt zu Beginn der Erkrankung ein Gliedergürtelsyndrom vor.<sup>6</sup> Die am frühesten und im Verlauf am schwersten betroffenen Muskelgruppen sind die Hüftmuskeln (Gluteus- und Psoas-Muskulatur), die bei Insuffizienz Trendelenburg-Zeichen, Schwäche beim Aufstehen aus dem Sitzen oder der Hocke, bei fortgeschrittener Schwäche Gowers-Zeichen zeigen.<sup>7</sup> Des Weiteren früh betroffen sind die Abdominal- und die Rückenstreckermuskulatur, was im fortgeschrittenen LOPD-Stadium zu einem typischen hyperlordotischen Gangbild aufgrund der Verschiebung der stabilen aufrechten Achse führt. Die frühe Beteiligung der autochthonen Rückenmuskulatur kann zur Entwicklung einer ebenfalls typischen Skoliose oder eines Bent- bzw. Rigid-Spine-Syndroms führen.<sup>8</sup> Ebenso ist eine Scapula alata aufgrund von Insuffizienz der Mm. trapezii und rhomboidei ein typischer klinischer Befund.<sup>5</sup> <br />Bei 55 % der Patienten kommt im Krankheitsverlauf durch Beteiligung der muskulären Atempumpe mit diaphragmaler Insuffizienz eine progrediente restriktive Ventilationsstörung hinzu; bei etwa 16 % der Patienten stellt die Belastungsdyspnoe oder Orthopnoe das erste klinische Zeichen dar.<sup>5, 9, 10</sup> Unerholsamer Schlaf, Abgeschlagenheit und morgendliche Kopfschmerzen sind typische Zeichen der nächtlichen Hypoventilation im Rahmen der Atemmuskelschwäche.<sup>11, 12</sup> Die frühe Mitbeteiligung der Atemmuskulatur wird derzeit nicht allein auf die Myopathie des Zwerchfellmuskels zurückgeführt, sondern auch auf Glykogenablagerungen in Vorderhornzellen und im N. phrenicus.<sup>2</sup> Eine Beteiligung der Herzmuskulatur ist bei der Erwachsenenform nicht zu erwarten. <br />Außerdem – wenn auch seltener – gehört zum klinischen Spektrum des M. Pompe eine Beteiligung der Hirnnerven, die sich in Facies myopathica, Ptosis, Zungenatrophie, Makroglossie, Dysphagie, Dysphonie und Dysarthrie, aber auch einer Hörminderung äußern kann.<sup>5</sup><br />Im Frühstadium der Erkrankung ist klinisch im Allgemeinen kein maßgeblicher Verlust der Muskelmasse erkennbar, in fortgeschrittenen Stadien zeigen sich jedoch zunehmend ein Hervortreten des Abdomens durch Schwäche der Abdominalmuskulatur sowie eine Atrophie der Schultergürtel-, Hüftgürtel- und Oberschenkelmuskulatur mit den klinischen Zeichen einer Pectoralisfalte und Verschmächtigung der Oberschenkel- und Glutealmuskulatur. Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe treten nur bei einem Teil der Patienten als Frühsymptom auf.<sup>13, 14</sup> Im Laufe der Erkrankung kann es jedoch aufgrund der zunehmenden muskulären Dysbalance zu Fehlbelastungen mit regionalen myofaszialen Schmerzsyndromen (Pseudoradikulärsyndrome) kommen, die ein langfristiges multimodales Therapiekonzept erfordern.</p> <h2>Apparative und laborchemische Diagnostik</h2> <p><strong>Allgemeine laborchemische Diagnostik</strong> <br />Eine Erhöhung der Kreatinkinase (CK) auf das bis zu 8-Fache der Norm liegt bei über drei Viertel der Patienten vor,<sup>15</sup> begleitend können auch erhöhte Werte der Laktatdehydrogenase (LDH) und der Transaminasen GOT und GPT (AST und ALT) auftreten, da auch sie in den zugrunde gehenden Muskelzellen vorkommen. Bei fehlender CK-Messung kann dies eine hepatische Erkrankung suggerieren. Dennoch können ebenso normwertige CK-Werte vorkommen, wie auch – besonders nach muskulärer Belastung – deutlich erhöhte Werte über das 8-Fache der Norm hinaus. Ein normwertiger CK-Wert schließt damit das Vorliegen dieser Myopathie nicht aus.</p> <p><strong>Allgemeine apparative Diagnostik</strong> <br />In der elektromyografischen Diagnostik finden sich häufig myogene Veränderungen, vor allem in der rumpfnahen und paraspinalen Muskulatur, aber auch unauffällige Befunde können erhoben werden. Die Befunde reichen damit von unauffällig über geringe myogene Veränderungen bis hin zum Nachweis pathologischer Spontanaktivität in Form von positiv scharfen Wellen (psW), hochfrequenten Entladungsserien, aber auch myotonen Entladungen. Diese Befunde kommen allerdings bei einer Vielzahl von Muskelerkrankungen vor und sind nicht pathognomonisch für die Diagnose eines LOPD.<br /> Die Bildgebung der Muskulatur liefert wichtige Informationen über das Verteilungsmuster der Myopathie sowie den Erkrankungsfortschritt, sodass diese Untersuchung regelmäßig empfohlen wird, beispielsweise jährlich Muskel-MRT der Hüfte und Oberschenkel (Abb. 1). Als einfach, nicht invasiv und kostengünstig hat sich hier in den letzten Jahren zudem die Myosonografie etabliert, die bei dieser Myopathie eine erhöhte Echogenität mit Verlust der Muskelfiederung aufzeigen kann.<sup>16</sup> Das Muskel-MRT liefert ebenso Informationen über das Ausmaß und den Verteilungstyp der Muskelschädigung. Typisch ist ein fettiger Umbau bzw. bindegewebiger Ersatz der Oberschenkel- und der Glutealmuskulatur. Häufig kann es zu ausgeprägten Flüssigkeitseinlagerungen in mäßig betroffenen, partiell fettig/bindegewebig umgebauten Muskeln kommen. Zur Diagnostik haben sich hier zunehmend spezielle fettsupprimierte STIR-Sequenzen etabliert.<sup>17</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1705_Weblinks_21_1.jpg" alt="" width="2186" height="1436" /><br />Aufgrund der oben beschriebenen frühen Beteiligung der muskulären Atempumpe sind regelmäßige Lungenfunktionsprüfungen empfohlen.<sup>18</sup> Dabei liefert die Messung der forcierten Vitalkapazität (FVC) einen ersten wichtigen Hinweis für eine atemmuskuläre Schwäche. Bei Muskelerkrankungen mit relevanter Mitbeteiligung des Zwerchfells beträgt die Differenz der FVC-Messungen zwischen sitzender und liegender FVC typischerweise mehr als 20 % , sodass diese Untersuchungen zur Standarddiagnostik bei M. Pompe empfohlen werden. Die Messung der FVC sollte noch um die Messungen der maximalen Kraft der inspiratorischen (maximal inspiratorischer Druck, MIP, und „sniff nasal inspiratory pressure“, SNIP) und der exspiratorischen Muskulatur (maximal exspiratorischer Druck, MEP) ergänzt werden, da diese früher und signifikanter eine relevante Schwäche identifizieren können.<sup>12</sup> Klinische Zeichen der nächtlichen Hypoventilation sollten mittels Polysomnografie früh abgeklärt werden. Zunächst sind REM-Schlaf-assoziierte O2-Entsättigungen typisch, im weiteren Verlauf treten in der Blutgasanalyse CO2-Anstiege – zuerst nächtlich, dann auch tagsüber – auf.<sup>11</sup> <br />Eine kranielle Kernspintomografie (cMRT) sollte, sofern nicht in der Anfangsdiagnostik inkludiert, im Krankheitsverlauf einmalig erfolgen. Grund dafür ist die weniger häufige, aber sehr relevante Beteiligung der zerebralen Gefäße, die zu Gefäßektasien führen kann und somit die Gefahr einer Gefäßruptur birgt. Als ursächlich wird eine Beteiligung der Intima der arteriellen Gefäße diskutiert.<sup>19</sup> Abbildung 2 zeigt den cMRT-Befund einer Patientin mit Megadolichobasilaris bei LOPD. Klinisch bestanden häufige Kopfschmerzattacken, die letztendlich auf eine basiläre Migräne bei Gefäßektasie zurückgeführt werden konnten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1705_Weblinks_21_3.jpg" alt="" width="1455" height="1292" /></p> <p><strong>Spezifische laborchemische Diagnostik</strong> <br />Die sichere Diagnose des Morbus Pompe gelingt im Endeffekt durch spezifische Tests (Tab. 2). Hierzu hat sich der Trockenbluttest („dried blood spot [DBS] testing“) als standardisierte Screening-Diagnostik etabliert, weil er kostengünstig, schnell und wenig aufwendig ist und mit einer Spezifität von >98 % eine hohe Zuverlässigkeit hat.<sup>20</sup> Die Diagnostik der Oligosaccharide im Urin hat sich für die infantile Form etabliert, bei Erwachsenen weist dieser Test eine verminderte Sensitivität auf.<sup>21</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1705_Weblinks_21_4.jpg" alt="" width="1419" height="1500" /></p> <p><strong>Muskelbiopsie</strong><br /> Die Muskelbiopsie ist aufgrund von einfacher verfügbaren und weniger invasiven Untersuchungsmethoden wie dem DBS oder der Molekulargenetik in den Hintergrund getreten. In unklaren Fällen kann jedoch durch morphologische und biochemische Aufarbeitung einer Muskelbiopsie die Verdachtsdiagnose eines M. Pompe gestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass sowohl der Schweregrad der Erkrankung als auch die Wahl der Biopsiestelle entscheidend für die Diagnosefindung sein können. Unauffällige Muskelbiopsien sind daher beim LOPD möglich.<sup>22</sup> Empfohlen werden daher Muskelbiopsien aus einem klinisch betroffenen und in der Bildgebung nur mäßig umgebauten Muskel.</p> <p><strong>Molekulargenetische Diagnostik</strong> <br />Zur endgültigen Diagnosesicherung und als Voraussetzung für eine Enzymersatztherapie ist eine zweite bestätigende Untersuchung notwendig. In Europa wird daher die molekulargenetische Untersuchung des GAA-Gens sowohl zur Diagnosesicherung als auch zur humangenetischen Familienberatung empfohlen. Seit der Erstbeschreibung der ursächlichen Veränderung im GAA-Gen im Jahr 1990 wächst die Datenbank stetig: Derzeit sind weit mehr als 350 pathogene Mutationen beschrieben (www. cluster15.erasmusmc.nl/klgn/pompe/mutations.html?lang=en). Die häufigste in Europa vorkommende Mutation ist mit über 50 % die Splice-Site-Mutation IVS1 (-13T>G) (= c.-45T>G) auf einem Allel des Chromosoms 17.<sup>23</sup> <br /> Bei hochgradigem Verdacht auf LOPD genügt die Direktsequenzierung des GAA-Gens. In unklaren Fällen einer Myopathie hat sich zuletzt das Next-Generation-Sequencing als Hochdurchsatzmethode zur Identifizierung von Mutationen für eine Vielzahl von Myopathien etabliert, was vor allem für atypische klinische Präsentationen einen Vorteil zur frühen Diagnosefindung und damit Therapieeinleitung darstellt.<sup>24</sup> Dem autosomal-rezessiven Erbgang folgend muss auf dem anderen Allel des GAA-Gens eine weitere Mutation vorliegen (compound heterozygot), um für die Erkrankung ursächlich pathogen zu sein. Liegt diese nicht vor, ist von einer Anlageträgerschaft auszugehen.<br />Die Vorhersage des symptomatischen Beginns und des Verlaufes der Pompe-Erkrankung anhand der Genotyp-Phänotyp-Korrelation gelingt bis heute trotz Untersuchungen großer Patientenkollektive nicht. Die in Europa häufig vorkommende Splice-Site-Mutation ist zwar im Allgemeinen als milde Verlaufsform beschrieben,<sup>25</sup> dennoch finden sich höchst unterschiedliche Schweregrade selbst innerhalb einer Familie, die somit auch nicht allein auf die Veränderung im zweiten Allel zurückzuführen sind. Vielmehr scheinen Modifier-Gene (mit) verantwortlich für die Ausprägung des Schweregrads zu sein, wie möglicherweise Polymorphismen in Genen, wie z.B. ACE, ACTN3, AGT und PPAR-α, die für den Aufbau der Muskelzelle essenziell sind.<sup>26</sup></p> <h2>Therapie</h2> <p><strong>Allgemeine symptomatische Therapie</strong><br /> Physiotherapie ist jedem Patienten zu empfehlen, um Sekundärschäden – wie die Entwicklung regionaler Schmerzsyndrome durch muskuläre Fehlbelastung bzw. Dysbalance – zu verhindern und um den muskulären Abbau zu verlangsamen. Eine medikamentöse und eine nicht medikamentöse Schmerztherapie (Verhaltensschulung, Schmerzbewältigungsstrategien) sollten eingeleitet werden, sobald der myalgiforme Schmerz länger als 6 Monate anhält, um eine weitere Chronifizierung zu verhindern. Dabei umfassen die Empfehlungen neben systemischen Therapien mit Muskelrelaxanzien, Antikonvulsiva oder Antidepressiva auch manuelle Therapien, die in schweren Fällen auch „dry needling“, Quaddeln und Botox-Behandlungen beinhalten können. <br />Bei beginnender restriktiver Ventilationsstörung und/oder Auftreten von klinischen Zeichen der nächtlichen Hypoventilation (Kopfschmerz, Abgeschlagenheit, unerholsamer Schlaf) sollten polysomnografische Untersuchungen eine nächtliche Hypoventilation beurteilen, um ggf. eine nicht invasive Beatmung einzuleiten. Zuletzt konnte in Studien der Benefit eines regelmäßigen Atemtrainings („respiratory muscle training“, RMT) belegt werden.<sup>27, 28</sup></p> <p><strong>Spezifische Therapie</strong> <br />In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass ein früher Therapiebeginn den Krankheitsprogress signifikant verlangsamt.<sup>29</sup> Eine rasche Diagnosesicherung ist daher essenziell. Seit April 2006 steht mit Alglucosidase alfa (Myozyme®, Sanofi-Genyzme), dem rekombinant hergestell­­ten humanen Enzym lysosomale α-1,4-Glukosidase, eine spezifische Therapie als Enzymersatztherapie (EET) zur Verfügung, die mit 20mg/kg KG alle zwei Wochen intravenös verabreicht wird. Die Aufnahme des Enzyms erfolgt über den Mannose-6-Phosphat-Rezeptor der Muskelzelle und soll über Wiederherstellung der Aktivität der lysosomalen α-1,4-Glukosidase die intralysosomale Glykogenspeicherung vermindern. In vier zulassungsrelevanten Studien konnten sowohl die Sicherheit als auch die Wirksamkeit der regelmäßigen EET belegt werden, eine signifikante Reduktion des Glykogens konnte nach 6 Monaten Behandlung in Muskelbiopsien nachgewiesen werden.<sup>17</sup> Die Nebenwirkungen der EET im Sinne allergischer Reaktionen sind überschaubar und können ggf. über eine zusätzliche Gabe von Antihistaminika und/oder Glukokortikoiden gut kupiert werden. <br />Noch unklar ist die Bedeutung der Bildung nicht neutralisierender IgG-Antikörper gegen Alglucosidase alfa. Eine Literaturrecherche hat erbracht, dass Patienten mit höhertitrigen Antikörpern schlechter auf eine EET ansprechen.<sup>30</sup> Aktuell werden zwei neue Substanzen klinisch getestet: neoGAA (Sanofi Genzyme) sowie ATB200-02 + AT2221 (AMICUS Therapeutics), die durch eine veränderte Rezeptorenaufnahme eine raschere Endozytose bzw. durch Zugabe eines Chaperons eine bessere Wirkung bzw. eine Wirkungsverlängerung ermöglichen sollen (www.clinicaltrials.gov). Endgültige Daten zur Überlegenheit gegenüber Alglucosidase alfa liegen derzeit aber noch nicht vor. Alternative Ansätze zur ursächlichen Therapie wie Gentherapie und Stammzelltherapie sind in Entwicklung.</p></p>
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