Neurologische Effekte hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung
Autor*innen:
Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber1
Dr. Doris Moser2
für den Wissenschaftlichen Beirat Funk
1 Universitätsklinik für Neurologie
Comprehensive Center for Clinical Neurosciences and Mental Health
Medizinische Universität Wien
2Universitätsklinik für Neurologie
Universitätsklinikum AKH Wien
Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber
E-Mail: christian.woeber@neuro-logie.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Der Wissenschaftliche Beirat Funk (WBF) ist ein unabhängiges Gremium von Expert*innen aus technischen und medizinischen Fachgebieten und hat die Aufgabe, die Bevölkerung über den aktuellen Stand der Wissenschaft zum Thema Mobilfunk und Gesundheit objektiv zu informieren sowie politische Entscheidungsträger zu beraten und durch wissenschaftliche Expertise zu unterstützen. Die Grundlage seiner Tätigkeit bildet die jährliche Bewertung der Fachliteratur.
Dazu werden wissenschaftliche Datenbanken unter Verwendung von mehr als 70 Suchbegriffen durchforstet und die Artikel von den fachlich zuständigen Expert*innen bewertet. Das Ergebnis wird in einem Konsensusbeschluss veröffentlicht.
Schadet Mobilfunk dem menschlichen Organismus? Der Wissenschaftliche Beirat Funk (WBF) analysiert und bewertet jährlich die Fachliteratur, die versucht diese Frage zu beantworten
Der Zusammenfassung möchten wir diese Anmerkungen voranstellen:
-
Die Aussagekraft vieler Studien ist durch geringe Fallzahlen, mangelnde methodische Stringenz oder Fragestellungen mit unklarer Relevanz für die menschliche Gesundheit limitiert.
-
Bei der Beurteilung von Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (hEMS) muss zwischen Zellkulturen, tierexperimentellen Studien, (kontrollierten) Expositionsstudien am Menschen und reinen Befragungen, sei es im klinischen Setting oder in epidemiologischen Studien, unterschieden werden.
-
In der Beurteilung von gesundheitlichen Auswirkungen der Handynutzung dürfen Parameter abseits der elektromagnetischen Strahlung – wie Bewegungsmangel, Haltungsschäden, Abhängigkeit und Sucht oder Verringerung realer Sozialkontakte – nicht unberücksichtigt bleiben.
Gehirntumoren
Die Frage, ob hEMS Gehirntumoren, wie Gliome, auslösen kann, wurde besonders intensiv diskutiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet hEMS als möglicherweise karzinogen. Aus epidemiologischen Studien lässt sich allerdings kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Gehirntumoren durch hEMS ableiten. Mit der Umsetzung von 5G werden sich auch die letzten Zweifel erübrigt haben, da die 5G-Strahlung nur wenige Millimeter in das Gewebe eindringt.
Kopfschmerz
Kopfschmerz ist das häufigste neurologische Symptom. In mehr als 30 Studien im Zeitraum von 1998 bis 2022 wurde mit heterogener Methodik der Einfluss der Nutzung von Mobiltelefonen und hEMS auf Kopfschmerzen untersucht. Nur zwei Studien waren kontrolliert, wobei sich das Auftreten von Kopfschmerzen bei Exposition gegenüber hEMS und Scheinexposition nicht unterschied. Eine „Elektrosensibilität“, die neben anderen Symptomen auch Kopfschmerzen auslösen würde, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Kognitive Störungen
Effekte von hEMS auf kognitive Fähigkeiten – wie Aufmerksamkeit und Konzentration, Gedächtnis oder exekutive Funktionen – wurden mittels spezieller Testverfahren und zumeist unter der Verwendung objektiver Messungen – wie der Elektroenzephalografie (EEG) – untersucht. Diese Studien stellen eine Momentaufnahme dar und erbrachten uneinheitliche Ergebnisse mit positiven, negativen oder fehlenden Auswirkungen der hEMS. Somit sind nach derzeitigem Stand der Forschung Auswirkungen von hEMS auf kognitive Funktionen auszuschließen.
Schlaf
Durch die Zunahme von Schlafstörungen in den vergangenen Jahren wird auch immer wieder eine mögliche Auswirkung von hEMS auf den Schlaf und die Schlafqualität diskutiert. Eine Vielzahl von Studien konnte zwar objektive Veränderungen im Schlaf-EEG sowohl hinsichtlich Makrostruktur (Länge der Schlafstadien) als auch Mikrostruktur (wie z.B. Spindelaktivität) durch hEMS nachweisen, daraus lassen sich aber keine Rückschlüsse auf gesundheitliche Folgen ableiten. Darüber hinaus wurden subjektive Beeinträchtigungen der Schlafqualität durch hEMS beschrieben, wobei aber äußere und psychische Faktoren unberücksichtigt blieben. Insgesamt ergeben sich somit keine Hinweise auf eine gesundheitlich relevante Beeinträchtigung des Schlafes durch hEMS.
Elektroenzephalografie
Der Einfluss von hEMS auf das EEG wurde in zahlreichen Studien untersucht. Üblicherweise wurde das EEG-Power-Spektrum, meist die Alpha-Power, analysiert. Die Ergebnisse waren inkonsistent. Teils zeigten sich Veränderungen, die auf die hEMS-Exposition zurückgeführt wurden, teils fand sich kein Unterschied zur Scheinexposition. Gesundheitlich relevante Auswirkungen von hEMS auf das EEG können ausgeschlossen werden.
Zusammenfassung
Aus neurologischer Sicht ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Menschen durch Mobilfunk nicht wahrscheinlich. Künftige Studien werden ihr Augenmerk auf die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G zu richten haben wie auch die Erweiterung der Frequenzbereiche für 5G, die Umsetzung von 6G und die Etablierung von „Smart Cities“ oder neuen Verkehrs-, Industrie- und Medizintechnologien. Zudem bedarf es methodisch stringenter Langzeitstudien.
Bedenken gegenüber negativen Auswirkungen von hEMS auf die menschliche Gesundheit steht allerdings der Nutzen gegenüber, den mobilfunkbasierte Technologien in der digitalen Neurologie eröffnen. Auch wenn diese Entwicklung erst am Anfang steht und viele Studien erforderlich sind, gehen wir davon aus, dass der gesundheitliche Nutzen der Mobilfunktechnologie mögliche Risiken bei Weitem übertreffen wird.
Literatur:
bei den Verfasser*innen
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Schlacht der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren – Tolebrutinib im Ziel?
Der orale liquorgängige Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitor Tolebrutinib erreichte in der Phase-III-Studie HERCULES den primären Endpunkt. Die Studienergebnisse wurden erstmals beim ...
Sprache im Fokus der Diagnostik der Alzheimerdemenz
Gängige neuropsychologische Tests erfassen in der Alzheimerdiagnostik die sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten der Betroffenen nur unzureichend. Insbesondere komplexe sprachliche ...
Resilienz und kognitive Reserve
Bereits 1998 wurde in einer Studie festgehalten, dass eine Verzögerung des Ausbruchs von Demenz um nur fünf Jahre einen Rückgang der Demenzprävalenz von 50% bewirken könnte.1 Die ...