Therapiemöglichkeiten des Restless-Legs-Syndroms
Autor:innen:
Dr. Doris Schuller-Götzburg
Dr. Thomas Mitterling, PhD
Universitätsklinik für Neurologie
Kepler Universitätsklinikum Linz
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Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist mit einer Prävalenz von 10% eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Es betrifft alle Altersgruppen, wobei jüngere Patient:innen häufiger eine positive Familienanamnese haben, die Prävalenz nimmt grundsätzlich mit dem Alter zu. Frauen sind in der Regel häufiger betroffen als Männer, ein wesentlicher Risikofaktor hierfür ist die Schwangerschaft – Studien zeigen eine zwei- bis dreifache Prävalenz im Vergleich zur Normalbevölkerung.
Keypoints
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Die Diagnosestellung und das Management des RLS in der Schwangerschaft und bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz stellen eine besondere Herausforderung dar.
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RLS-Mimics erschweren dabei häufig die korrekte Diagnose, welche die Grundlage der adäquaten Therapie darstellt.
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Nichtmedikamentöse Therapien und die Eisensubstitution sollten in diesen Gruppen besondere Beachtung finden.
Die genauen Pathomechanismen des Restless-Legs-Syndroms (RLS) sind bis dato nicht geklärt – ein Zusammenwirken von genetischer Prädisposition, erworbenen Risikofaktoren und Umweltfaktoren wird als Grundlage angenommen.
Im Rahmen genomweiter Assoziationsstudien konnten genetische Veränderungen beschrieben werden, die mit einem erhöhten Risiko für RLS einhergehen: Ein kausaler Zusammenhang ist für MEIS1 belegt, weitere Genloci sind u.a. BTBD9, PTPRD, LBXCOR1, MAP2K5. Eine Rolle dieser Gene in der Neurogenese und Synaptogenese, insbesondere in striatalen Netzwerken, ist beschrieben; zu welchem Zeitpunkt diese zur Entstehung des RLS beitragen, ist noch unklar.
Zentraler Faktor in der Krankheitsentstehung ist eine Störung des Eisenmetabolismus im Gehirn. Ein zerebraler Eisenmangel wurde in bildgebenden und liquordiagnostischen Studien nachgewiesen und die Wirksamkeit einer Eisensubstitution ist durch klinische Studien belegt. Tierexperimentelle Studien wie auch der klinische Nutzen einzelner Präparate legen auch Veränderungen in Neurotransmittersystemen wie Dopamin, Glutamat, Adenosin und auch im opioidergen System nahe. Außerdem werden Beiträge gestörter zentraler Inhibitionsmechanismen und veränderte Oxygenierung des Gewebes diskutiert.
Die typischen RLS-Beschwerden umfassen den sich in Ruhephasen und in den Abendstunden entwickelnden Bewegungsdrang, überwiegend der unteren Extremitäten, und die teilweise schwer zu beschreibenden Missempfindungen, welche sich auf Bewegung bessern. Aufgrund der zirkadianen Aggravation der Symptome führt das RLS bei Betroffenen zu Ein- und Durchschlafstörungen. Somit besteht häufig eine beträchtliche Beeinträchtigung der Lebensqualität wie auch der Stimmung und Kognition.
Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die aktuellen Diagnosekriterien wurden im Jahr 2014 revidiert (Tab. 1). Ergänzt wurden die vier bekannten Kernkriterien um die Notwendigkeit des Ausschlusses von RLS-Mimics (Kriterium 5). Hierbei handelt es sich um Erkrankungen, welche die RLS-Diagnosekriterien zum Teil oder zur Gänze erfüllen und dadurch zu falsch positiven Befunden führen. Häufige Differenzialdiagnosen sind nächtliche Muskelkrämpfe oder sensible Beschwerden einer Polyneuropathie.
Tab. 1: Essenzielle Diagnosekriterien des RLS (mod. nach den aktuellen DGN-Leitlinien)
Die Diagnosestellung und die Behandlung des RLS sind speziell bei Schwangeren und bei Patient:innen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz eine besondere Herausforderung.
Bei beiden Patient:innengruppen sind häufig RLS-Mimics vorhanden, zudem sind die Therapieoptionen aufgrund von Vulnerabilität und Kontraindikationen oft eingeschränkt. Bei allen Therapieentscheidungen ist die Möglichkeit des Auftretens einer Augmentation der RLS-Beschwerden zu bedenken. Hier handelt es sich um eine Verschlechterung der Beschwerden, ausgelöst fast ausschließlich durch chronische dopaminerge Therapie. Die meist dramatische Zunahme des RLS-Schweregrades ist mit einer zeitlichen Vorverlagerung der Beschwerden (z.B. in die frühen Nachmittagsstunden) und Ausbreitung auf weitere Körperteile (auch Übergreifen auf die Arme) verbunden und macht eine langwierige Therapieumstellung notwendig.
RLS in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft ist das RLS ein häufiger Grund für eine Insomnie und potenzieller Faktor für eine Beeinträchtigung der maternalen und fetalen Gesundheit. Erhöhte Raten von Präeklampsie, Kaiserschnittgeburten und Depressionen werden berichtet, wobei die Kausalität nicht eindeutig bewiesen ist.
Die Prävalenz steigt insbesondere im 3. Trimenon an und sinkt kurz nach der Entbindung wieder, mit einer Spontanremissionsrate von bis zu 70%. Ein gleicher Verlauf wird auch für den RLS-Schweregrad berichtet. Eine positive Familienanamnese, ein vorbestehendes RLS bzw. das Auftreten eines RLS während einer früheren Schwangerschaft und ein niedriger Hb-Spiegel (<11g/dl) sind maßgebliche Risikofaktoren.
Wichtige RLS-Mimics in der Schwangerschaft, die mittels einer strukturierten Patientinnenanamnese ausgeschlossen werden müssen, sind die venöse Insuffizienz und Stase, Beinödeme oder Kompressionsneuropathien wie auch Muskelkrämpfe.
In erster Linie werden nichtmedikamentöse Interventionen empfohlen, da für die medikamentöse Therapie naturgemäß keine soliden Sicherheitsdaten vorliegen. Die Hinweise auf (Neben-)Wirkungen der folgenden Präparate beziehen sich daher im Wesentlichen auf die Anwendung bei nichtschwangeren Patientinnen oder Nicht-RLS-Indikationen; die Eisentherapie stellt hier die Ausnahme dar.
In der Schwangerschaft kann ein Restless-Legs-Syndrom die maternale und fetale Gesundheit beeinträchtigen
Im Rahmen der nichtpharmakologischen Maßnahmen sollten RLS-aggravierende Faktoren identifiziert werden. Medikamente, wie Mirtazapin und serotonerge Antidepressiva sowie Antihistaminika, sollten nach Möglichkeit abgesetzt werden, ein Eisenmangel sollte ausgeschlossen werden. Positive Effekte sind für sportliche Betätigung (z.B. Yoga), Massagen und pneumatische Kompression der Beine beschrieben.
Die Grundlage der pharmakologischen Therapie stellt auch in der Schwangerschaft die Eisensubstitution dar. Wie bei nichtschwangeren RLS-Patient:innen wird diese bei Ferritinwerten <75mg/dl empfohlen. Allerdings sollte generell bei allen Schwangeren, unabhängig vom RLS-Status, bei Ferritinwerten <30mg/dl eine Eisensubstitution erfolgen. Ob intravenöse Gaben Vorteile gegenüber oralen bieten, ist noch nicht untersucht. Die intravenöse Eisensubstitution sollte allerdings nicht im 1. Trimenon erfolgen.
Sollte die Eisensubstitution keine ausreichende Besserung erbringen, ist die Einnahme von Levodopa/Carbidopa in niedriger Dosierung (max. 200mg/d) empfohlen. Kombinationspräparate mit Benserazid sind aufgrund der Hemmung des fetalen Knochenwachstums kontraindiziert und Dopaminagonisten sollten wegen der negativen Auswirkung auf die Laktation durch Erniedrigung des Prolaktinspiegels nicht angewandt werden. Aufgrund des Risikos einer Augmentation des RLS und der oft deutlichen Reduktion des RLS-Schweregrads nach der Entbindung sollte postpartal die Möglichkeit des Absetzens der Levodopa-Therapie unbedingt evaluiert werden.
Für die Alpha-2-Delta-Liganden Gabapentin und Pregabalin, welche außerhalb der Schwangerschaft als Erstlinientherapeutika des RLS gelten, gibt es keine ausreichende Datenlage; für Gabapentin wurden sogar neurotoxische Effekte im Tiermodell beschrieben. Die Anwendung beider Präparate wird daher nicht empfohlen.
Bei sehr schwerem und therapierefraktärem RLS kann auch eine niedrig dosierte opioiderge Therapie mit Oxycodon angewandt werden (5–20mg/d). Clonazepam könnte bei therapierefraktären Patientinnen ab dem 2. und 3. Trimenon eingesetzt werden (0,5–1mg zur Nacht).
In jedem Fall sollte eine interdisziplinäre Betreuung der Patientinnen angestrebt werden, da die Medikamente natürlich Risiken für das ungeborene Kind bergen.
RLS bei Patient:innen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz
Neben der Beeinträchtigung der Lebensqualität und einem erhöhten Risiko für eine komorbide Depression ist das Vorliegen eines RLS bei Patient:innen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mit verminderter Dialyseadhärenz verbunden. Darüber hinaus werden eine erhöhte Mortalität und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko für Dialysepatient:innen mit RLS berichtet.
Die RLS-Prävalenz ist im Vergleich zur Bevölkerung ohne Niereninsuffizienz deutlich erhöht, je nach Strenge des Ausschlusses von RLS-Mimics wird diese mit bis zu 69% angegeben. Trotz dieser hohen Zahlen ist das RLS in dieser Patient:innenengruppe immer noch unterdiagnostiziert. Analysen von Patient:innen mit erst kürzlich gestarteter Dialyse aus einer nationalen US-amerikanischen Datenbank ergaben bei weniger als 1% die Diagnose eines RLS. Neben der erhöhten Prävalenz wird auch ein erhöhter Schweregrad im Vergleich zum idiopathischen RLS berichtet. Pathomechanistisch spielen vor allem die Akkumulation harnpflichtiger Substanzen, der chronische renale Eisenmangel wie auch oxidativer Stress eine wichtige Rolle; die hohe Zahl von Komorbiditäten leistet einen zusätzlichen Beitrag.
Die Evidenz zur medikamentösen Therapie bei urämischem RLS ist deutlich geringer als bei idiopathischem RLS. Es existieren nur wenige qualitativ hochwertige Studien. Der Nutzen von dopaminergen Präparaten wie Levodopa, Ropinirol und Pramipexol ist in kleinen und selten kontrollierten Studien nachgewiesen.
Für Rotigotin liegt eine kleine doppelblinde randomisiert kontrollierte Studie vor, die eine Reduktion periodischer Beinbewegungen zeigen konnte. Bei den Dopaminagonisten Ropinirol und Pramipexol besteht eine Warnung vor der Anwendung bei Patient:innen mit Niereninsuffizienz, da selten Intoxikationen auftreten können, was eine Dosisanpassung notwendig macht. Für Rotigotin besteht diese Warnung nicht. Wie bei allen anderen RLS-Patient:innen sollte bei chronischer dopaminerger Therapie das Vorliegen einer Augmentation regelmäßig überprüft werden.
Der Nutzen von Gabapentin ist ebenso durch Studien belegt. Zu beachten ist die Notwendigkeit der Dosisanpassung, eine Dosierung von max. 200mg dreimal wöchentlich (d.h. nach jeder Dialysesitzung) wurde in Studien angewandt. Zur Anwendung und Sicherheit von Pregabalin liegen keine Daten vor.
Aufgrund der verfahrensbedingten Eisenverluste im Rahmen der Dialyse stellt die intravenöse Eisensubstitution auch in dieser Patient:innengruppe, unabhängig vom RLS-Status, einen Standard dar. Die Wirkung auf den RLS-Schweregrad ist aber auch hier in wenigen Studien belegt.
Solide Evidenz besteht für die Substitution von Vitamin C und E. Studien belegen eine Verbesserung des RLS-Schweregrades gegenüber Placebo.
Als nichtmedikamentöse Therapiemaßnahme ist vor allem aerobes Training mittels Bettfahrrad während der Dialysesitzung untersucht. Neben der Reduktion des RLS-Schweregrads und damit Verbesserung der Dialyseadhärenz wird auch eine Verbesserung der Lebens- und Schlafqualität berichtet, wobei weitere Studien notwendig sind, um die positive Wirkung zu untermauern. Außerdem sind positive Effekte auf das RLS bei Verwendung von gekühltem Dialysat (35–36°C) beschrieben.
Letztlich bessert sich das RLS nach erfolgreicher Nierentransplantation zumindest für die Dauer einer aufrechten Organfunktion.
Literatur:
bei den Verfasser:innen
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