Aggressive Lymphome: Optimierung in der Erstlinientherapie
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Katharina Prochazka
Klinische Abteilung für Hämatologie
Medizinische Universität Graz
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Zahlreiche neue zielgerichtete Substanzen, an vorderster Front die bispezifischen Antikörper, revolutionieren gerade den Therapiealgorithmus aggressiver Lymphome. Eine Vielzahl an erweiterten Möglichkeiten ergibt sich für die Erstlinie, aber im Speziellen auch für den relapsierten/refraktären Bereich, und bietet damit neue Chancen für Patient:innen mit aggressiven Lymphomen.
Patient:innen mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) mit Hochrisiko können durch den derzeitigen Goldstandard R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Vincristin, Prednison) zwar in einem Großteil der Fälle in eine komplette metabole Remission gebracht werden, das Risiko eines Relapses ist dennoch signifikant erhöht.
HOVON-151: Atezolizumab
Die nordische Studie HOVON-151 untersuchte die Hinzugabe des Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab in einer einjährigen Konsolidierung, um eine etwaige minimale Resterkrankung (MRD) zu minimieren.1 Es wurden 109 Patient:innen in die Studie eingeschlossen, der Großteil (80%) im CS IV, 63% mit einem intermediären bis hohen Risiko und 37% mit Hochrisiko laut IPI. Interessanterweise zeigten bei 55 untersuchten Patient:innen 51 Proben keine messbare PD-L1-Expression.
Nach einem medianen Follow-up von 36,4 Monaten waren 15 Rezidive zu verzeichnen, die Rate des krankheitsfreien Überlebens (DFS) über zwei Jahre lag bei 88%, die Gesamtüberlebensrate nach zwei Jahren bei 96%. Die Mehrheit der Patient:innen zeigte auch im Rezidiv eine chemotherapiesensitive Erkrankung. Die Rate an Infektionen lag bei 25% (die Hälfte davon in Zusammenhang mit Covid-19), zum Auftreten von Endokrinopathien kam es bei zehn Patient:innen (Abb. 1). Eine Konsolidierung mit Checkpoint-Inhibitoren stellt daher eine potenzielle Therapiestrategie beim Hochrisiko-DLBCL dar, unabhängig vom Expressionsprofil.
Abb. 1:Die Studie HOVON-151: Verträglichkeit und Nebenwirkungen (modifiziert nach Nijland M etal.)1
DEB: Tucidinostat
Ebenso als Hochrisiko gelten DLBCL-Patient:innen, deren Tumor eine Expression von MYC und BCL2 aufweist. Bis dato gibt es keinen etablierten Standard für diese Patient:innengruppe. Als möglicher Therapieansatz in Kombination mit R-CHOP wurde Tucidinostat evaluiert, ein selektiver Histondeacetylase(HDAC)-Inhibitor.2 Die Interimsanalyse der DEB-Studie, in der insgesamt 423 Patient:innen mit Double-Expressor-DLBCL mit Tucidinostat-R-CHOP vs. Placebo-R-CHOP behandelt wurden, zeigte nach einem mittleren Follow-up von 14 Monaten eine deutliche Risikoreduktion hinsichtlich des ereignisfreien Überlebens über 24 Monate (EFS; 59% vs. 46%; HR: 0,68; p=0,018). Diese erste Phase-III-Studie bewies die Machbarkeit und Wirksamkeit der Kombination von R-CHOP und Tucidinostat, nicht überraschend aber auch die signifikant erhöhte Toxzität, insbesondere hinsichtlich hämatologischer Ereignisse ≥Grad3.
EPCORE NHL-5:Epcoritamab+Pola-R-CHP
Ein weiterer Ansatz, die Erstlinientherapie zu verbessern, stellt die Hinzunahme von bispezifischen Antikörpern zur Standardtherapie dar.3 Die mediane Nachbeobachtungszeit in der Studie EPCORE NHL-5 (Epcoritamab+Pola-R-CHP) ist mit 7,4 Monaten zwar noch sehr kurz, es zeigen sich jedoch zumindest keine zusätzlichen neuen Toxizitäten und das rasche Erreichen einer MRD-Negativität bereits nach Zyklus 2, sodass ein weiteres Follow-up bzgl. der Wirksamkeit mit Spannung erwartet werden kann.
Ältere Patient:innen
Eine oft besonders kompliziert zu behandelnde Risikogruppe stellen ältere Patient:innen mit DLBCL dar. Intensive Therapieschemata können aufgrund erhöhter Toxizität nicht protokollkonform appliziert werden, reduzierte Varianten wie R-mini-CHOP weisen verminderte Effektivität auf. Unter starker österreichischer Beteiligung wurden nun die Daten zur Machbarkeit und Sicherheit des R-Pola-Glo-Regimes präsentiert.4
Patient:innen über 60 Jahre, nicht geeignet für Volldosis-R-CHOP, oder Patient:innen >80 Jahre erhielten eine Steroid-Vorphase-Gabe und nachfolgend sechs Zyklen Obinutuzumab, Polatuzumab Vedotin und Glofitamab sowie konsolidierend sechs weitere Zyklen Glofitamab. Im gematchten Vergleich (Alter, IPI) mit R-Benda zeigte sich ein ähnliches Sicherheitsprofil wie bei R-Benda, mit handhabbarer Toxizität. Weitere Daten zur Effektivität erwarten wir mit Spannung.
STARGLO: Glofitamab
Glofitamab spielte auch im „late-breaking abstract“ #LB3438, präsentiert von Jeremy Abramson, MD, eine essenzielle Rolle. Als Monotherapie beim relapsierten/refraktären DLBCL mit guter Verträglichkeit und anhaltenden Remissionen bereits in der dritten Therapielinie zugelassen,5 wurde die Kombinationstherapie Glofitamab mit Gemcitabin und Oxaliplatin nun im Rahmen der STARGLO-Studie evaluiert.6 274 relapsierte/refraktäre DLBCL-Patient:innen mit zumindest einer Vortherapie erhielten 2:1-randomisiert acht Zyklen Glofit-GemOx (plus vier Zyklen Glofitamab-Monotherapie) oder acht Zyklen R-GemOx. Wie bereits bei Glofitamab bekannt, erfolgen eine Obinutuzumab-Vorbehandlung sowie eine Step-up-Dosierung bis 30mg. Der primäre Endpunkt Gesamtüberleben zeigte nach 21 Monaten medianen Follow-ups einen deutlichen Benefit (median 25,5 vs. 13 Monate; HR: 0,62[0,43–0,88]; p=0,006; Abb. 2). Auch das mediane PFS war mit 14 vs. 4 Monate überlegen, die Rate an kompletten Remissionen deutlich verbessert mit 58% im Gegensatz zu lediglich 25%.
Abb. 2: Studie STARGLO: primärer Endpunkt Gesamtüberleben (OS)
Der Vorteil für die Patient:innen zeigte sich in sämtlichen Subgruppen (Alter, Anzahl Vortherapien, CAR-Vortherapie, IPI, „cell of origin“). Im Median erhielten Patient:innen des Standardarms lediglich vier Zyklen R-GemOx, dies in erster Linie einem Krankheitsprogress und nur in 12% Toxizitäten geschuldet. Demgegenüber stehen im Median elf Zyklen der applizierten Glofit-GemOx-Therapie, obwohl es bei 78% der Patient:innen zum Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Grad 3–5 kam, großteils Neutropenien und Infektionen. Ein CRS wurde bei 44% der Patient:innen verzeichnet, jedoch nur bei 2% von Grad 3, und in weiten Teilen im Zyklus 1. 37% der Patient:innen benötigten Tocilizumab. So zeigte Glofitamab als erster bispezifischer Antkörper einen Überlebensvorteil bei Patient:innen mit relapsierten/refraktären (r/r) DLBCL, mit gutem Sicherheitsprofil entsprechend den bekannten Risiken der einzelnen Wirkstoffe.
CAR-T-Zellen
Aus dem Therapiealgorithmus der relapsierten DLBCL sind CAR-T-Zellen nicht mehr wegzudenken. Sie haben die Behandlungsstrategien revolutioniert und stellen eine potenziell kurative Maßnahme dar. Dennoch ist auch hier besonders die Behandlung älterer Patient:innen eine Herausforderung, da aufgrund der Immunoseneszenz die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen beeinträchtigt sein kann und bestehende Komorbiditäten die Toxizität erhöhen können.
In klinischen Studien ist die Gruppe der über 75-Jährigen zudem oft unterrepräsentiert. Dr. Blandine Guffroy präsentierte Real-World-Daten mit einem Vergleich der Ergebnisse von r/r DLBCL-Patient:innen ≥75 Jahre in dritter oder höherer Therapielinie mit Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie.7 125 Patient:innen ≥75 Jahre mit teils hohem HCT-CI (31%) wiesen keine signifikanten Unterschiede in Wirksamkeit und Überleben im Vergleich zu jüngeren Patient:innen auf (ORR: 75% vs. 78%; medianes OS: 18 vs. 24 Monate; medianes PFS: 8 vs. 6 Monate).
Es zeigte sich jedoch eine höhere, nicht durch Lymphom bedingte Mortalitätsrate (NRM) bei den älteren Patient:innen (20% vs. 9%). Diese Daten beweisen die Durchführbarkeit der CAR-T-Zell-Therapie auch bei älteren Patient:innen, weitere Untersuchungen bzgl. verbesserter Patient:innenselektion scheinen jedoch erforderlich.
Fazit
Zahlreiche neue Ansätze, die Erstlinientherapie beim DLBCL zu verbessern, erweisen sich als vielversprechend und geben Hoffnung für bis dato nicht optimal therapierte Patient:innen. Im relapsierten/refraktären Sektor haben wir die Qual der Wahl unter einer Vielzahl an potenten Therapiestrategien und Substanzen. Die optimale Sequenzierung des Behandlungsalgorithmus stellt hier die größte Herausforderung dar.
Literatur:
1 Nijland M et al.: Feasability and clinical efficacy of Atezolizumab consolidation in high risk diffuse large B-cell lymphoma: final analysis of the HOVON 151. EHA 2024; Abstr. #S236 2 Zhao W et al.: Tucidinostat plus R-CHOP in previously untreated diffuse large B-cell lymphoma with double expression of MYC and BCL2: an interim analysis from the phase III DEB study. EHA 2024; Abstr. #LBA7003 3 Lavie D et al.: First data from subcutaneous epcoritamab + polatuzumab vedotin, rituximab, cyclophosphamide, doxorubicin, and prednisone (pola-R-CHP) for first-line diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL): EPCORE NHL-5. EHA 2024; Abstr. #S239 4 Wurm-Kuczera R et al.: Feasability and safety data of the chemotherapy-light combination of rituximab, polatuzumab vedotin and glofitamab in aggressive B-cell lymphoma patients ineligible for fully dosed R-CHOP. EHA 2024; Abstr. #P1173 5 Dickinson MJ et al.: Glofitamab for relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2022; 387(24): 2220-31 6 Abramson J et al.: Glofitamab plus gemcitabine and oxaliplatin (Glofit-Gemox) for relapsed/refractory (R/R) diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL): results of a global randomized phase III trial (STRAGLO). EHA 2024; Abstr. #LB3438 7 Guffroy B et al.: Real-world assessment of anti-CD19 Car T-cells in patients aged 75 years and older with relapsed or refractory large B cell lymphoma: a LYSA study from the DESCAR-T registry. EHA 2024; Abstr. #S242
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