„Azacitidin, Venetoclax und Gilteritinib als Triple vielversprechend bei FLT3-Mutant-AML“
Unsere Gesprächspartnerin:
OÄ Dr. Elisabeth Koller
3. Medizinische Abteilung für Hämatologie und Onkologie
Hanusch-Krankenhaus, Wien
E-Mail: elisabeth.koller@oegk.at
Das Interview führte Dr. Nicole Leitner
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Zahlreiche spannende Studien zur akuten myeloischen Leukämie (AML) wurden beim Jahresmeeting 2021 der American Society of Hematology (ASH) präsentiert. OÄ Elisabeth Koller gibt uns einen Einblick in ihre ganz persönlichen Highlights.
Zur FLT3-mutierten AML wurden beim ASH-Kongress einige Studien präsentiert, könnten Sie bittedie wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen?
E. Koller: Die erste Studie, die ich erwähnen möchte, galt fitten Erwachsenen mit FLT3-mutierter AML. Sie wurde von der AMLSG-Studiengruppe durchgeführt. Analog zur RATIFY-Studie wurde Midostaurin zur Induktion, Konsolidierung und Erhaltungstherapie beigegeben, allerdings nicht nur nach Abschluss der Standardtherapie, sondern auch nach allogener Transplantation.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied war, dass auch ältere Patienten zwischen 60 und 70 Jahren mit der Kombination aus intensiver Chemotherapie plus Midostaurin behandelt wurden.
Es handelte sich hierbei um eine Phase-II-Studie ohne randomisierte Kontrolle. Die Ergebnisse zeigten jedoch im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe eine Verbesserung für die Patienten. Auch ältere Patienten konnten die Therapie gut tolerieren und hatten wenig Toxizität.
Außerdem möchte ich zwei interessante Studien zu unfitten Patienten erläutern. Einerseits eine Studie zum FLT3-Inhibitor Gilteritinib und Venetoclax, welche Patienten mit r/r FLT3-mutierter AML in einer rein oralen Kombination in der zweiten Linie verabreicht wurden. Sie lieferte ausgezeichnete Ergebnisse: Eine hohe Komplettremissions(CR)-Rate und ein gutes Ansprechen konnten erzielt werden. Es konnten auch einige Patienten in dieser primär unfitten Gruppe letztlich transplantiert werden.
Andererseits wurde die Kombination aus Gilteritinib in der zweiten Linie plus Azacitidin in der Behandlung unfitter Patienten mit de novo FLT3-mutierter AML eingesetzt. Die Patienten zeigten zwar eine höhere CR-Rate, diese konnte aber leider nicht in ein verlängertes Gesamtüberleben (OS) übergeführt werden. Somit bleibt die Frage offen, ob die Kombination aus Gilteritinib plus Azacitidin, die sich im präklinischen Modell positiv hervorgetan hat, tatsächlich eine klinische Relevanz hat.
Welche neuen Ergebnisse gab es beim ASH-Kongress zur IDH-mutierten AML?
E. Koller: Hervorzuheben ist hier die randomisierte, doppelblinde AGILE-Studie zur IDH1-mutierten AML. Eine IDH1-Mutation tritt in maximal bis zu 10% aller AML-Fälle auf. Es wurden Patienten behandelt, die nicht fit für eine intensive Chemotherapie waren. Die Behandlungsgruppe erhielt den IDH1-Inhibitor Ivosidenib plus Azacitidin in Standarddosierung, die Kontrollgruppe Placebo plus Azacitidin.
Es wurden ausgezeichnete Ergebnisse in der Behandlungsgruppe erzielt: Die Patienten zeigten eine geringe Therapietoxizität und eine deutliche Verbesserung relevanter Studienparameter im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die AGILE-Studie wurde sogar vom unabhängigen Datenüberwachungskomitee gestoppt, weil die experimentelle Therapie der Standardtherapie deutlich überlegen war.
Gab es Daten zu neuen Venetoclax-Kombinationen, die Sie interessant fanden?
E. Koller: Spannend war etwa die Kombination von Venetoclax, Azacitidin und Magrolimab bei unfitten AML-Patienten sowohl de novo als auch imr/r Setting. Diese Patientenzeigen häufig genetische Hochrisikoveränderungen und sprechen zwar primär auf die Standardtherapie aus Azacitidin und Venetoclax an, allerdings kommt es sehr häufig und früh zu Rezidiven. Die Phase-I/II-Studie zeigt sehr gute Ergebnisse der Dreifachkombination auch im Hochrisikosetting. Es wird nunmehr eine randomisierte Studie durchgeführt werden, in welcher die Daten evaluiert werden sollen.
Weitere interessante Studiendaten gab es zu Venetoclax plus Azacitidin nicht nur als Induktion, sondern auch in der Erhaltungstherapie nach intensiver Chemotherapie. Es gibt ja eine Vielzahl von Patienten, die nach einer intensiven Chemotherapie nicht transplantiert werden können, z.B. wenn kein Spender vorhanden ist oder bei etwaigen Komorbiditäten. Zu diesem Zweck wurde in einer Studie orales Azacitidin plus Venetoclax kombiniert. Die Patienten, die diese Kombination erhalten hatten, zeigten ein deutlich verlängertes rezidivfreies Überleben (nach 6 Monaten 87%, der Median war noch nicht mal erreicht). Außerdem wurde ein OS von 16 Monaten im Median erzielt; ein für dieses Setting der nichttransplantablen Patienten relativ gutes Ergebnis.
Eine vielversprechende Tripelkombination bei Patienten mit FLT3-mutierter AML ist die Kombination aus Azacitidin, Venetoclax und Gilteritinib. Die mit dem Triplett behandelten Patienten zeigten ein gutes Ansprechen, speziell wenn sie de novo („frontline“) behandelt wurden (in diesem Fall wurde ein Ansprechen von nahezu 100% erzielt).
Erwähnenswert ist außerdem die Zugabe von Venetoclax zu einer intensiven Chemotherapie wie etwa FLAG oder FLAG-IDA. Es handelt sich hierbei um eine durchaus machbare und vielversprechende Option für den Bereich der r/r AML. Eine Phase-I/II-Studie zu dieser Kombination wurde beim ASH-Meeting 2021 vorgestellt. Die Daten sollten nun in einer randomisierten Studie geprüft werden, um valide Aussagen treffen zu können.
Zur Studie QUAZAR AML-001 wurde beim ASH-Kongress ein Update präsentiert, was waren die wichtigsten Ergebnisse?
E. Koller: Es wurde ein längeres Follow-up der QUAZAR-AML-001-Studie vorgestellt, und zwar um die Ergebnisse weiter zu validieren, da es sich doch um ältere Patienten handelte. Außerdem sollten Patientenspezifische- von tatsächlichen Therapieeffekten getrennt werden. Auch im längeren Follow-up zeigte sich deutlich ein längeres Überleben unter oralem Azacitidin gegenüber Placebo. Die Kurven trennten sich weiter, was stark für einen Therapieeffekt spricht.
Eine weitere Publikation zeigte ein besonders gutes Überleben bei bestimmten Patientengruppen, z.B. mit „intermediate risk“-zytogenetischem Risiko oder Nucleophosmin(NPM1)-Mutation und bei Patienten, die nach Therapie MRD(minimale Resterkrankung)-negativ wurden.
Zum Einsatz von Gemtuzumab-Ozogamicin wurden Real-World-Daten präsentiert, wie schätzen Sie diese ein?
Abb. 1: ALFA-1401/Mylofrance-4-Studie: ereignisfreies Überleben von AML-Patienten im Alter von 60–80 Jahren unter Standard-Chemotherapie vs. Standard-Chemotherapie plus Gemtuzumab-Ozogamicin. Modifiziert nach Lambert J (ASH Abstr. #31)
E. Koller: Ich möchte hier die ALFA-1401/Mylofrance-4-Studie einer französischen Studiengruppe erwähnen. Es wurde versucht, bei älteren Patienten eine Azacitidin-Therapie durch Gemtuzumab-Ozogamicin zu ersetzen. Aus unserem eigenen Erfahrungsschatz mit Gemtuzumab-Ozogamicin wissen wir, dass ältere Patienten eine hochvulnerable Gruppe darstellen, die sehr häufig mit Therapietoxizität auf Gemtuzumab reagiert.
In der ALFA-Studie war es leider auch so, dass die Gruppe der älteren Patienten nicht von der Kombinationstherapie profitiert hat. Die Patienten hatten einerseits eine höhere Therapietoxizität und andererseits auch ein erhöhtes Rezidivrisiko (Abb. 1). Damit lieferte die Studie leider negative Ergebnisse, und ich denke, sie wird so nicht weiterverfolgt werden.
Derzeit gilt Gemtuzumab-Ozogamicin als Standard in Kombination mit intensiver Chemotherapie für „Good risk“- und „Intermediate risk“-Leukämien, ist aber mit Vorsicht bei Patienten jenseits des 60.–70. Lebensjahrs einzusetzen.
Gab es weitere Studien beim ASH-Kongress, die Sie besonders interessant fanden?
E. Koller: Auch in der Hämatologie ist Covid-19 ein großes Thema.So gab es einige Studien, welche die Impfantwort von Patienten mit myeloischen Leukämien untersucht haben. Eine Studie konnte zeigen, dass Patienten mit AML und myelodysplastischem Syndrom (MDS) prinzipiell eine sehr gute Impfantwort mit ausreichender Zahl an Antikörpern haben. Angemerkt haben die Studienautoren jedoch, dass aufgrund der recht kleinen Fallzahl die Studie noch validiert werden müsste. Ich kann aus unseren eigenen Daten bei AML- und MDS-Patienten ergänzen, dass diese mit denen der genannten Studie korrelieren. Auch unsere Patienten zeigten eine ausreichende Immunantwort, sowohl wenn sie während als auch nach der Therapie untersucht worden waren.
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