Brustkrebs: Highlights vom ASCO-Jahrestreffen 2022
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Seifert
Klinische Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Medizinische Universität Wien
E-Mail: michael.seifert@meduniwien.ac.at
Auf dem ASCO-Jahrestreffen 2022 illustrierten Präsentationen zu verschiedenen Studien, welche Fortschritte in der Therapie des Mammakarzinoms gemacht werden. Eine Auswahl aus diesen Studien wird in diesem Artikel vorgestellt.
Die DESTINY-Breast04-Studie
Diese randomisierte Phase-III-Studie wurde von Shanu Modi vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in der Plenary Session präsentiert. Eingebracht wurden Patientinnen mit sogenannten HER2-neu- low metastasiertem Brustkrebs. HER-2-neu-low wurde als HER2-neu 1+ oder HER2-neu 2+, aber mit negativem In-situ-Hybridisierungstest definiert, also als eine Patientengruppe, die bislang als HER2-neu-negativ gewertet wurde und somit keine HER2-neu-gerichtete Therapie erhielt.
Dieses genannte Kollektiv mit einem mittleren Alter von 56 bzw. 58 Jahren hatte zuvor eine oder zwei Linien einer Chemotherapie erhalten und galt als hormon- resistent. Nach Randomisierung (2:1) erhielten die Patientinnen entweder Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) oder eine Chemotherapie nach Wahl des behandelnden Arztes („treatment of physician’s choice“ [TPC]: Gemcitabin, Eribulin, Capecitabin, Paclitaxel oder nabPaclitaxel).
Von den 557 randomisierten Patientinnen zeigten 88,7% einen hormonrezeptorpositiven Befund, vorwiegend waren Lebermetastasen (67% bzw. 75%), aber auch Hirnmetastasen (4% bzw. 6%) bekannt. Als primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) definiert. Unter T-DXd wurde eine annähernd verdoppelte Zeit bis zur Progression (23,9 Monate für T-DXd und 17,5 Monate für alleinige Chemotherapie) beobachtet, während die Rate an unerwünschten Grad-3-Ereignissen im T-DXd-Kollektiv niedriger als in der Chemotherapiegruppe (52,6% vs. 67,4%) war.
Interstitielle Pneumonitis als bekannte schwerwiegende Nebenwirkung von T- DXd wurde in 12,1% der Fälle beobachtet und führte in zwei Fällen auch zum Tod der Patientinnen. Die seltenen Fälle von Patientinnen mit hormonunabhängigem Brustkrebs zeigten in der vorliegenden Studie ein insgesamt schlechteres Ansprechen; dennoch lag im T-DXd-Kollektiv auch hier eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (2,9 Monate für Chemotherapie auf 8,5 Monate für T-DXd) und eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens von 8,3 Monaten für Chemotherapie auf 18,2 Monate für T-DXd vor.
Diese Ergebnisse wurden nach der Präsentation mit stehenden Ovationen gewürdigt. Somit steht zukünftig mit Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) eine hocheffektive Therapieoption für Patientinnen mit Metastasen und niedrigem HER2-neu-Status zur Verfügung, denen bislang eine solche vorenthalten blieb.
Abb. 1: DESTINY-Breast04-Studie: PFS von HR-positiven und allen Patientinnen. Modifiziert nach Modi S et al.: ASCO 2022; Abstr. #LBA3
Abb. 2: DESTINY-Breast04-Studie: OS von HR-positiven und allen Patientinnen. Modifiziert nach Modi S et al.: ASCO 2022; Abstr. #LBA3
Die TROPiCS-02-Studie
Hope S. Rugo präsentierte die TROPiCS-02-Studie. Sacituzumab Govitecan (SG) wurde bei Brustkrebspatientinnen mit Metastasen, positiven Hormonrezeptoren und HER2-negativem Status in einer randomisierten Phase-III-Studie gegen eine Therapie der Wahl (Gemcitabin, Capecitabin, Vinorelbin oder Eribulin) verglichen. Dies ist insofern bemerkenswert, als SG derzeit lediglich bei tripelnegativem fortgeschrittenem Brustkrebs zugelassen ist.
543 Patientinnen mit hormonrezeptor- positivem, HER2-neu-negativem Mammakarzinom, die zuvor Chemotherapie (<99% bzw. 100%), CDK4/6-Inhibitoren (98% bzw. 99%) und endokrine Therapie (99%) oder im metastasierten Zustand zumindest zwei, aber nicht mehr als vier verschiedene Chemotherapien erhalten hatten, wurden entweder mit SG oder einer Therapie nach Wahl des Arztes behandelt.
Ein Großteil der Teilnehmerinnen war bereits mehrfach vorbehandelt mit median drei verschiedenen Therapien im metastasierten Setting und zeigte viszerale Metastasen (95%) – in erster Linie Lebermetastasen (84% bzw. 87%). Das mittlere Alter betrug 55 bzw. 57 Lebensjahre. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben.
Das mittlere progressionsfreie Überleben im Kollektiv mit SG war mit 5,5 Monaten gegenüber 4,0 Monaten in der Vergleichsgruppe besser, die Nebenwirkungen von Grad 3 und höher jedoch häufiger in der Gruppe mit SG (74% vs. 60%). Insbesondere traten Leukopenie, Diarrhö und andere gastrointestinale Nebenwirkungen auf. Ein therapiebedingter Todesfall wurde in der SG-Gruppe beobachtet. Das Gesamtüberleben war mit 13,9 Monaten bzw. 12,3 Monaten nicht unterschiedlich. Die Lebensqualität (QoL) war jedoch im SG-Arm signifikant besser als im Vergleichsarm.
Abb. 3: TROPiCS-02-Studie: primärer Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS). Modifiziert nach Rugo HS et al.: ASCO 2022; Abstr. #LBA1001
Die MAINTAIN-Studie
Kevin Kalinsky präsentierte Ergebnisse der MAINTAIN-Studie mit der Frage, ob nach Progression nach einer Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor neuerlich eine endokrine Therapie in Kombination mit Ribociclib indiziert ist.
In der Studie wurden über einen Zeitraum von 2016 bis 2021 119 Teilnehmerinnen 1:1 randomisiert und erhielten entweder Ribociclib oder Placebo in Kombination mit einer endokrinen Therapie. Inkludiert wurden Patientinnen mit metastasiertem, hormonabhängigem Brustkrebs nach maximal einer Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium und in jedem Fall einer vorangegangenen Therapie mit einer endokrinen Therapie und einem beliebigen CDK4/6-Inhibitor.
Waren die Teilnehmerinnen mit einem Aromatasehemmer vorbehandelt worden, so erhielten sie Fulvestrant, waren sie mit Fulvestrant vorbehandelt worden, folgte in den meisten Fällen Exemestan („switch of endocrine therapy“), war weder ein Aromatasehemmer noch Fulvestrant vorangegangen, waren beide Substanzen erlaubt, jedoch Fulvestrant bevorzugt.
Als primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben definiert. Das mittlere Alter der Patientinnen war 59 Jahre für die Palbociclib- bzw. 59 Jahre für die Placebogruppe. Viszerale Metastasen zeigten 59% bzw. 60%, nur Knochenmetastasen 22% bzw. 15% der Patientinnen. Die meisten Patientinnen waren bereits mit Palbociclib vorbehandelt (87% bzw. 86%). Das progressionsfreie Überleben wurde durch Ribociclib gegenüber Placebo signifikant verlängert und betrug 5,29 bzw. 2,76 Monate.
Abb. 4: MAINTAIN-Studie: PFS mit Ribociclib und endokriner Therapie. Modifiziert nach Kalinsky K et al.: ASCO 2022; Abstr. #LBA1004
Die PALOMA-2-Studie
Richard S. Finn präsentierte die Gesamtüberlebensdaten der PALOMA-2-Studie. In dieser Untersuchung erhielten 666 postmenopausale Patientinnen mit hormonabhängigem, HER2-neu-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs ohne vorangegangene Therapie in diesem Tumorstadium randomisiert (2:1) entweder Letrozol mit Palbociclib oder Letrozol mit Placebo.
In beiden Studienarmen zeigten die Teilnehmerinnen in rund der Hälfte viszerale Metastasen. Das mittlere Patientinnenalter betrug 62 bzw. 61 Jahre, 38% bzw. 37% der Teilnehmerinnen waren de novo metastasiert. Das Gesamtüberleben war für Palbociclib nicht signifikant verlängert. Dennoch zeigt das mediane Überleben mit über 50 Monaten eine bemerkenswerte Dauer, 10% der Patientinnen setzten die Therapie mit Palbociclib und Letrozol nach 7,5 Jahren fort.
Abb. 5: PALOMA-2-Studie: OS mit Palbociclib und Letrozol. Modifiziert nach Finn RS et al.: ASCO 2022; Abstr. #LBA1003
Die NRG-BR002-Studie
Steven J. Chmura berichtete über die NRG-BR002-Studie, in der die Wertigkeit der operativen oder stereotaktischen Radiotherapie bei Patientinnen mit oligometastasiertem Brustkrebs zusätzlich zur systemischen Therapie untersucht wurde. Eingeschlossen wurden Frauen mit kontrollierbarer lokoregionaler Erkrankung mit maximal vier Metastasen und weniger als zwölf Monaten einer systemischen Therapie ohne Progression. Patientinnen mit Hirnmetastasen wurden nicht eingeschlossen.
In diese Phase-IIR-Studie wurden 129 Patientinnen eingebracht, 72 Events wurden bis Dezember 2021 beobachtet. 60% der Teilnehmerinnen zeigten in beiden Behandlungsarmen eine Metastase, 79% hatten hormonrezeptorpositiven und HER2-neu-negativen Brustkrebs. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 35 Monaten betrug das progressionsfreie Überleben 18,5 Monate in der operativen/stereotaktischen Radiotherapiegruppe und 23 Monate in der Vergleichsgruppe (HR:0,92; 0,71–1,17). Auch das Gesamtüberleben war in beiden Studienarmen nicht signifikant unterschiedlich.
Literatur:
beim Verfasser
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