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Der nächste Durchbruch in der Immuntherapie gegen Krebs
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Adrian Ochsenbein, MD, EMBA
Inselspital, Universitätsspital Bern<br> Universitätsklinik für Medizinische Onkologie<br> E-Mail: adrian.ochsenbein@insel.ch
30
Min. Lesezeit
16.11.2017
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<p class="article-intro">Die adoptive zelluläre Therapie (ACT) ergänzt die bisherigen Therapieoptionen im Bereich Immunonkologie (I-O). ACT mit chimären Antigenrezeptor-exprimierenden T-Zellen sind sehr wirksam bei CD19-exprimierenden B-Zell-Neoplasien.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Immunonkologie (I-O) ist ein neues und sich rasch entwickelndes Gebiet. CTLA-4- und PD-1-blockierende Antikörper sind Standard in der Therapie des malignen Melanoms. Die Blockade von PD-1/PD-L1 ist wirksam bei verschiedenen Tumorentitäten, wie z.B. beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom (NSCLC) oder beim Urothelkarzinom. Immunonkologietherapien mit Immuncheckpoint-blockierenden Antikörpern (re-)aktivieren tumorantigenspezifische endogene T-Zellen. Viele dieser Tumorantigene sind sogenannte Neoantigene, welche als Konsequenz von somatischen Mutationen im Tumor entstehen.<sup>1</sup><br /> Die ACT basiert auf der In-vitro-Expansion von T-Zellen und z.T. auf der Transduktion mit genetisch hergestellten Antigenrezeptoren. Deshalb kann die ACT mit genmodifizierten T-Zellen auch gegen Antigene gerichtet werden, die vom endogenen Immunsystem nicht erkannt werden. Dies bedeutet, dass die ACT potenziell auch bei Tumorentitäten wirksam ist, die nicht auf Immuncheckpoint-Inhibitoren ansprechen. Beispiele sind verschiedene pädiatrische Tumoren und hämatoonkologische Erkrankungen. So resultiert die ACT mit chimären Antigenrezeptoren (CAR) in bisher nie gesehenen Remissionsraten bei refraktären B-ALL und anderen CD19-exprimierenden hämatoonkologischen Erkrankungen.<sup>2</sup></p> <h2>ACT mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL)</h2> <p>Bei der adoptiven Immuntherapie mit TIL wird eine schon bestehende T-Zell- Antwort verstärkt, indem die bereits aktivierten T-Zellen vom Patienten isoliert und in vitro expandiert werden, bevor sie dem Patienten wieder zugeführt werden. TIL bestehen aus zytotoxischen CD8<sup>+</sup>-TZellen und CD4<sup>+</sup>-T-Zellen mit Spezifität gegen verschiedene Tumorantigene. Der Vorteil in der Verwendung der ACT liegt darin, dass die Tumorantigene nicht charakterisiert werden müssen und das Risiko von «antigenic escape variants» durch die polyklonalen antigenspezifischen T-Zellen reduziert ist. Viele der Tumorantigene werden jedoch auch in normalem Gewebe exprimiert und es besteht deshalb mindestens eine partielle Selbsttoleranz. Entsprechend ist die Affinität (= Bindungsvermögen) der T-Zell-Rezeptoren (TCR) für das Antigen meist gering (Abb. 1).<br /> Die erste klinische Studie mit transferierten T-Zellen bei Patienten mit metastasierendem malignem Melanom wurde bereits vor 30 Jahren am NIH von Steve Rosenberg durchgeführt.<sup>3</sup> TIL wurden aus verschiedenen Metastasen isoliert, in vitro kultiviert und expandiert und anschliessend den Patienten reinfundiert. Die Therapie und das Engraftment der T-Zellen konnten seither kontinuierlich verbessert werden: mithilfe einer lymphodepletierenden Induktionstherapie (häufig Fludarabin und Cyclophosphamid) und der Verabreichung von T-Zell-Wachstumsfaktoren (IL-2).<sup>4</sup> Insgesamt zeigte sich bei diesen Patienten eine Ansprechrate (CR + PR) von rund 56 % .<sup>5</sup> Vergleichbar mit der Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren führt auch die ACT mit TIL beim metastasierenden Melanom zu einem Plateau des OS mit etwa 25–30 % Langzeitüberlebenden. Einige wenige Studien wurden bei anderen soliden Tumoren, wie z.B. beim Zervixkarzinom, durchgeführt.<sup>6</sup> Als Alternative der ACT mit TIL kann die in vitro- Stimulation mit einem bekannten Antigen gesehen werden. Durch die repetitive Invitro- Stimulation mit einem Tumorantigen können sogenannte T-Zelllinien oder TZellklone mit definierter Antigenspezifität generiert werden. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass auch wichtige onkogene Driver-Mutationen wie die KRAS-Mutation als Ziel für die ACT verwendet werden können.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s57_abb1.jpg" alt="" width="1418" height="1184" /></p> <h2>ACT mit TCR-modifizierten T-Zellen</h2> <p>Die Entwicklungen in der Molekularbiologie haben es möglich gemacht, dass TCR-Sequenzen kloniert und auch modifiziert werden können (Abb. 1). Rekombinante TCR können in ihrer Affinität für das Zielantigen optimiert werden. Diese modifizierten TCR werden durch einen Retro- oder Lentivirus in aus dem Blut isolierte T-Zellen des Patienten eingebracht. Bereits 2006 wurde von Morgan et al.<sup>8</sup> gezeigt, dass MART-1-TCR-modifizierte Lymphozyten zur Regression der Tumormanifestationen bei metastasierenden Melanomen führen können. In den folgenden Jahren wurden modifizierte T-Zellen gegen verschiedene Cancer/ Testis-Antigene wie NY-ESO-1, MAGE-A3, MAGE-A4 hergestellt.<sup>9</sup> Auch CEA wurde als Zielantigen verwendet. Bei diesen meist kleinen klinischen Studien führte die ACT mit TCR-modifizierten T-Zellen zu vielversprechenden Remissionsraten (CR + PR: 13–56 % ). Die zunehmende Wirksamkeit dieser optimierten TCR ist jedoch verbunden mit einer vermehrten und zum Teil unerwarteten Toxizität. Wichtig ist vor allem die «On-target, offtumor »-Toxizität. Patienten, welche mit CEA-reaktiven transgenen T-Zellen behandelt worden waren, entwickelten eine inflammatorische Kolitis. Die in vitro generierten TCR können jedoch auch unabhängige Antigene erkennen («Off-target»- Toxizität). So starben zwei Patienten an einem kardiogenen Schock, welche mit TCR-modifizierten T-Zellen gegen das MAGE-A3-Antigen behandelt worden waren.<br /> Diese potenziellen Cross-Reaktivitäten machen es nötig, dass die Affinität der verwendeten TCR und die Antigenselektion vor Therapie einer extensiven Prüfung unterzogen werden. Besonders vielversprechend ist auch hier die Verwendung von TCR gegen Neoantigene, die exklusiv im Tumor exprimiert werden.</p> <h2>ACT mit CAR-T-Zellen</h2> <p>Chimäre Antigenrezeptoren (CAR) sind Fusionsproteine mit definierten funktionellen Domänen (Abb. 2). Sie bestehen aus einer extrazellulären antigenbindenden Domäne, einem extrazellulären Spacer, einer transmembranären Domäne und einer intrazellulären Signaltransduktionsdomäne (Erstgenerations- CAR). Die alleinige Expression der CD3?-T-Zell-Aktivierungssequenz (Signal 1) ist jedoch für die Aktivierung und Expansion der T-Zellen meist ungenügend. Es wurden deshalb Zweitgenerations- CAR-T-Zellen hergestellt, welche zusätzlich zur TCR-Signaltransduktionssequenz CD3? eine Kostimulationsdomäne beinhalten (z.B. CD28 oder CD137). Die neuste dritte Generation der CAR-TZellen beinhaltet nun zwei oder mehr Kostimulationsdomänen wie CD27, CD28, CD137, ICOS oder OX40. Die Verwendung zusätzlicher Kostimulationssequenzen verbesserte den Antitumoreffekt und die Persistenz der CAR-T-Zellen in vivo.<sup>10</sup> Nach einer Apherese werden autologe TZellen mit einem CAR-exprimierenden retroviralen oder lentiviralen Vektor transduziert. Nach einer In-vitro-Selektion und Expansion werden den Patienten üblicherweise 1–5x10<sup>8</sup> CAR-T-Zellen infundiert.<br /> Aktuell gibt es die meisten Daten zur autologen Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie bei B-ALL, B-NHL und multiplem Myelom.<sup>2</sup> Bis anhin wurde der Grossteil der Patienten in vier grossen Zentren in den USA behandelt. Obwohl in diesen Zentren unterschiedliche CAR-Konstrukte verwendet werden und zum Teil auch unterschiedliche Induktionschemotherapien durchgeführt werden, sind die Resultate doch sehr vergleichbar. Bei ungefähr 90 % aller Patienten mit refraktärer B-ALL kann eine lang andauernde CR erreicht werden. Bei Rezidiven nach Anti-CD19- CAR-T-Zell-Therapie wurde oft ein Verlust der Expression von CD19 auf den malignen B-Zellen beschrieben («antigenic escape »). Anti-CD19-CAR-T-Zellen sind ebenfalls aktiv bei weiteren CD19-exprimierenden B-Zell-Neoplasien. Die CRRate bei CLL liegt zwischen 23 und 50 % und bei verschiedenen NHL zwischen 47 und 100 % .<sup>2</sup> Zudem sind aktuell Studien mit CAR-T-Zellen spezifisch gegen CD20, CD22, CD30, CD33 und weiteren Oberflächenantigenen bei hämatologischen Erkrankung aktiv.<br /> Die CAR-T-Zell-Therapie bei soliden Tumoren befindet sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. In den meisten Studien werden Drittgenerations- CAR verwendet, zum Teil zusätzlich mit einem «suicide gene». Studien mit CAR-TZellen spezifisch für PSMA, Mesothelin, CEA, EGFRvIII, HER2 und weiteren Zielantigene sind zurzeit aktiv.<sup>11</sup> Die Wirksamkeit der CAR-T-Zell-Therapie bei soliden Tumoren kann noch nicht abschliessend beurteilt werden.<br /> Auch die CAR-T-Zell-Therapie ist mit speziellen Nebenwirkungen verbunden. Vor allem bei hämatoonkologischen Erkrankungen kann es zu einem «cytokinerelease syndrome» (CRS) kommen. Dies ist eine potenziell lebensgefährliche systemische inflammatorische Erkrankung, welche durch die T-Zell-Aktivierung, Proliferation und Produktion von verschiedenen Zytokinen zustande kommt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s57_abb2.jpg" alt="" width="1419" height="1289" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Die ACT ergänzt und erweitert unser Armamentarium an I-O-Therapien. Am weitesten fortgeschritten ist die Therapie mit CD19-spezifischen CAR-T-Zellen. Bei refraktärer B-ALL und B-Zell-NHL konnten ganz erstaunliche Raten an lang anhaltenden CR erreicht werden. Bis anhin war die ACT auf wenige akademische Zentren, vor allem in den USA, begrenzt. Aufgrund des Potenzials wird die Therapie nun von verschiedenen Pharmafirmen weiterentwickelt und klinische Studien sind auch in der Schweiz in Aktivierung. Es ist davon auszugehen, dass vor allem bei hämatoonkologischen Erkrankungen die ACT bald als wichtige Therapieoption zur Verfügung stehen wird.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Gubin MM et al.: Checkpoint blockade cancer immunotherapy targets tumour-specific mutant antigens. Nature 2014; 515(7528): 577-81 <strong>2</strong> Shank BR et al.: Chimeric antigen receptor T cells in hematologic malignancies. Pharmacotherapy 2017; 37(3): 334-45 <strong>3</strong> Rosenberg SA et al.: Use of tumor-infiltrating lymphocytes and interleukin-2 in the immunotherapy of patients with metastatic melanoma. A preliminary report. N Engl J Med 1988; 319(25): 1676-80 <strong>4</strong> Svane IM, Verdegaal EM: Achievements and challenges of adoptive T cell therapy with tumor-infiltrating or blood-derived lymphocytes for metastatic melanoma: what is needed to achieve standard of care? Cancer Immunol Immunother 2014; 63(10): 1081-91 <strong>5</strong> Rosenberg SA et al.: Durable complete responses in heavily pretreated patients with metastatic melanoma using T-cell transfer immunotherapy. Clin Cancer Res 2011; 17(13): 4550-7 <strong>6</strong> Besser MJ et al.: Tumor-infiltrating lymphocytes: clinical experience. Cancer Journal 2015; 21(6): 465-9 <strong>7</strong> Tran E et al.: T-cell transfer therapy targeting mutant KRAS in cancer. N Engl J Med 2016; 375(23): 2255-62 <strong>8</strong> Morgan R A et al.: C ancer regression in p atients after transfer of genetically engineered lymphocytes. Science 2006; 314(5796): 126-9 <strong>9</strong> Ping Y et al.: T-cell receptor-engineered T cells for cancer treatment: current status and future directions. Protein Cell 2017; doi: 10.1007/s13238- 016-0367-1. [Epub ahead of print] <strong>10</strong> Wang Z et al.: Current status and perspectives of chimeric antigen receptor modified T cells for cancer treatment. Protein Cell 2017; doi: 10.1007/s13238-017-0400-z. [Epub ahead of print] <strong>11</strong> Chang ZL, Chen YY et al.: CARs: Synthetic immunoreceptors for cancer therapy and beyond. Trends Mol Med 2017; 23(5): 430-50</p>
</div>
</p>
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