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Heureka-Moment

Glioblastom im Mittelpunkt: Resilienz ist essenziell

Univ.-FÄ Dr. Tadeja Urbanic Purkart und Ass. Prof. PD Dr. Anna-Sophie Berghoff sind mitverantwortlich bei der Einführung neuer Technologien in die Glioblastomforschung in Österreich: In diesem „Heureka-Moment“ stellen sie die Drug-Screening-Plattform vor.

Wie würden Sie Ihre Forschung in wenigen Sätzen beschreiben?

Hirneigene Tumoren wie das Glioblastom sind seltene, unheilbare Erkrankungen mit einer sehr hohen Krankheitslast für die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Gesellschaft. Im Mittelpunkt der Forschungsvorhaben stehen heutzutage die detaillierte Charakterisierung der hochkomplexen Tumorbiologie und daraus abgeleitet optimierte individualisierte therapeutische Ansätze, mit dem Ziel, eine Verlängerung des Gesamtüberlebens bei optimaler Lebensqualität zu erreichen.

Unsere Forschung ist immer patient:innenzentriert und verfolgt einen translationalen Ansatz. Das heißt, wir beginnen mit der Untersuchung des während der neurochirurgischen Operation entnommenen Tumorgewebes, züchten und untersuchen Tumorzellverbände außerhalb des Körpers und versuchen, die Tumorbiologie nicht nur besser zu verstehen, sondern daraus das bestmögliche therapeutische Vorgehen für den klinischen Alltag zu generieren.

Wie ist Ihr Forschungsvorhaben entstanden?

Unser Forschungsprojekt ist in einem Pilotprojekt des Zentrums für Biomarkerforschung (CBmed) in Graz verwurzelt. Initial wurde erstmals eine neue Technologie, die Drug-Screening-Plattform, in Österreich an Glioblastomproben eingesetzt, mit dem Ziel, die sehr vielversprechenden Ergebnisse aus Vorgängerstudien, generiert am Samsung Medical Center in Seoul (Forschungsgruppe um den Neurochirurgen Do H. Nam), translational weiterzuentwickeln und die Ergebnisse in einer praxisrelevanten multimodalen, multizentrischen klinischen Studie unter Beweis zu stellen.

© CBmed

Die Drug-Screening-Plattform

Die Studie ATTRACT ist eine randomisierte Phase-II-Studie, die untersucht, ob ein neuer Ansatz der Medikamentenauswahl die Überlebenszeiten von Patient:innen mit Glioblastom verlängern kann. Sie wird an fünf österreichischen Zentren durchgeführt: an der klinischen Abteilung für Onkologie/Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Wien, an der klinischen Abteilung für Neurologie der Medizinischen Universität Graz, an der klinischen Abteilung für Neuroonkologie und Innere Medizin des Kepler Universitätsklinikums Linz, der klinischen Abteilung für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck und der klinischen Abteilung für Neurologie der Karl Landsteiner Privatuniversität St. Pölten. Dieses Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) im Rahmen des Programms „Klinische Forschungsgruppen“ (Nr. LBG_KFG_2022_07) gefördert.

Wir glauben, dass der Einsatz von „patient-derived cells“ (PDC), die man ex vivo kultiviert (Erfolgsrate >95%), derzeit die beste Approximation an die menschlichen Glioblastomzellen in situ darstellt. Ob und wie das komplexe Tumormikromilieu eine Rolle spielt, kann derzeit nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden und ist Gegenstand aktueller Forschung.

Mit dieser innovativen Medikamenten-Screening-Plattform können innerhalb kürzester Zeit vollautomatisiert unterschiedliche Konzentrationen eines Medikaments an einer Reihe von Proben simultan berührungslos über ein akustisches Übertragungssystem appliziert werden. Nach einer Inkubationszeit von sieben Tagen werden chemolumineszente ATP-Quantifizierungsmessungen angewandt, um die Zellviabilität zu bewerten.

Diese Messungen werden als Surrogat für die Wirksamkeit der getesteten Medikamente angesehen. Die Ergebnisse liegen als Flächen unter der Kurve (AUC) für jedes Medikament vor und werden für einzelne Patient:innen im Rahmen des molekularen Tumorboards vorgestellt. Von diesem multidisziplinären Gremium werden personalisierte Behandlungsansätze für individuelle Patient:innen als Expert:innenempfehlung abgegeben. Bei der Medikamentenwahl können wir solche anwenden, die bei anderen soliden Tumoren bereits zumindest in einer Phase-II-Studie klinisch geprüft worden sind.

Was ist das bestmögliche Ergebnis, das Sie sich für Ihre Forschung vorstellen können?

Das bestmögliche Ergebnis wäre „change of clinical practice“ in einem Patient:innenkollektiv, bei dem derzeit nur Maßnahmen verfolgt werden, die die Lebensqualität verbessern und nicht den Status einer chronischen Erkrankung als Therapieziel haben.

Zudem kann man mit dieser innovativen Medikamenten-Screening-Plattform schneller und präziser potenziell wirksame neue Medikamente, die in Entwicklung sind, in einem Patient:innen-nahen Setting testen.

Was zeichnet Ihren Beruf besondersaus?

Multidisziplinarität, die Möglichkeit, mit wunderbaren Kolleg:innen aus dem In- und Ausland und aus dem pädiatrischen wie auch Erwachsenen-Bereich praxisrelevante Themen zu diskutieren und so zeitnah den Betroffenen die besten Praktiken, die alle Zentren und Expert:innen vereinen, anzubieten.

Österreichweit hat sich im Rahmen des Projekts schon erwiesen, dass man gemeinsame Projekte braucht, dass wir sie fördern müssen und in der Lage sein müssen, sie durchzuführen, um in Gemeinsamkeit gegen die viel größeren Staaten anzutreten und unseren Expert:innenstatus auszubauen. Zudem haben wir uns als Ziel gesetzt, die Forschung in einem hochkomplexen Feld wie der Neuroonkologie mit den Präkliniker:innen zu intensivieren, die translationalen Ansätze sofort wieder zurück an die Kliniken zu tragen und so in kürzester Zeit neue Horizonte in der Behandlung zu erschließen.

Und wir dürfen nie aus den Augen verlieren, dass wir vor jeder klinisch relevanten wissenschaftlichen Fragestellung zuerst auch ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der Betroffenen gewinnen müssen, um diese in den Behandlungsalltag zu integrieren und somit auch die unterstützende und einfühlsame Betreuung während des gesamten Behandlungsprozesses zu garantieren. Und dabei dürfen wir uns auch selber nicht verlieren, Resilienz ist essenziell!

Heureka-Moment:

Junge Forschende stellen sich vor

Univ.-FÄ Dr. Tadeja Urbanic Purkart
Leiterin der Neuroonkologischen Ambulanz
Universitätsklinik für Neurologie
Mitarbeiterin am CBmed und an der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie, Vaskuläre und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinik für Radiologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: tadeja.urbanic-purkart@medunigraz.at

Ass. Prof. PD Dr. Anna-Sophie Berghoff
Leiterin Translational Research Unit
Klinische Abteilung für Onkologie
Universitätsklinik für Innere Medizin I
AKH Wien

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