Gynäkologische Malignome
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Alexander Reinthaller
Gynecologic Cancer Unit, CCC Vienna
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Medizinische Universität Wien
Beim Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology wurden auch aktuelle Ergebnisse aus der Forschung zu gynäkologischen Malignomen präsentiert. Darunter waren unter anderem neue Strategien, wie zum Beispiel der Einsatz von Glucocorticoidrezeptor-Modulatoren beim Platin-resistenten bzw. Platin-refraktären Ovarialkarzinom.
Zervixkarzinom
CT + Pembrolizumab abhängig von PD-L1-Expression
Zum Thema Zervixkarzinom wurde ein wichtiges Update in Form einer Subgruppenanalyse zur praxisverändernden Studie KEYNOTE-826 präsentiert. In diese Studie wurden 617 Patientinnen mit einem rezidivierten/metastasierten Zervixkarzinom ohne vorangegangene Chemotherapie eingeschlossen. Eine vorhergehende Chemo/Irradiatio im Rahmen der Primärtherapie war erlaubt.
Die Patientinnen wurden entweder in den Standardarm mit Paclitaxel/Cisplatin oder Carboplatin ± Bevacizumab + Placebo oder in den experimentellen Arm mit Paclitaxel/Cisplatin oder Carboplatin ± Bevacizumab + Pembrolizumab randomisiert. Primäre Endpunkte waren progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) in der Gesamtpopulation und in der Population mit einem „PD-L1 combined positive score“ (CPS) von ≥1.
In beiden Populationen zeigte sich für den experimentellen Arm ein signifikanter Vorteil sowohl im PFS als auch im OS. Die jetzt vorgestellte Subgruppenanalyse untersuchte die Effektivität bei den Patientinnen mit einem CPS von <1. In dieser Subgruppe konnte keinerlei Vorteil für den experimentellen Arm gefunden werden (HR: 1,00; 95% CI: 0,53–1,89). Demnach sollte die Behandlung mit Paclitaxel/Cisplatin oder Carboplatin ± Bevacizumab + Pembrolizumab auch in Anbetracht der additiven Toxizität auf Patientinnen mit einem CPS ≥1 beschränkt bleiben.
Tisotumab Vedotin in Kombinationstherapie
Bemerkenswert war weiters die Präsentation einer Interimsanalyse zur ENGOT-cx8/GOG-3024/innovaTV205-Studie. In dieser Studie wurde der Einsatz von Tisotumab Vedotin (TV) als Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) beim rezidivierten/metastasierten Zervixkarzinom untersucht. Tisotumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an Gewebethromboplastin bindet und mit diesem einen Komplex bildet.
Gewebethromboplastin ist ein Molekül, das an der Oberfläche vieler Krebszellen exprimiert wird. Der gebildete Komplex wird in die Zelle inkorporiert. Durch proteolytische Teilung wird Vedotin (Monomethyl Auristatin E [MMAE]) freigesetzt. MMAE blockiert den Zellzyklus und führt die Zelle in die Apoptose. MMAE kann aus Toxizitätsgründen nur in dieser Form, also gezielt auf die Tumorzelle, eingesetzt werden.
Nach einer Phase-IB-Studie zur Dosisfindung wurde nun eine Phase-IIB-Studie angeschlossen. In dieser gab es drei unterschiedliche Behandlungsarme. Arm 1 erhielt TV+Pembrolizumab in der Erstlinientherapie (keine vorangegangene Chemotherapie), Arm 2 TV+Pembrolizumab in der Zweit- und Drittlinientherapie und Arm 3 TV+Carboplatin in der Erstlinientherapie. Die Patientinnencharakteristika waren ausgeglichen. In allen drei Armen konnten bemerkenswerte Gesamtansprechraten (ORR) erzielt werden.
So fand sich im Arm mit TV+Pembro in Erstlinie eine ORR von 41% und die mediane Ansprechdauer war nach 19 Monaten Follow-up noch nicht erreicht. Im Arm mit TV+Pembro in Zweit- und Drittlinie war die ORR 38% und die mediane Ansprechdauer 14,0 Monate. Im Arm mit TV+Carbo lag die ORR bei 55% und die mediane Ansprechdauer bei 8,6 Monaten.
Diese Ergebnisse zeigen eine mögliche klinische Effektivitätssteigerung, wenn TV als Kombinationstherapie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem/rezidiviertem Zervixkarzinom angewendet wird.
Endometriumkarzinom
Erfolg für Selinexor
Beim Endometriumkarzinom wurden die Daten der ENGOT-EN5/GOG-3055/SIENDO-Studie präsentiert. Diese Studie untersuchte Selinexor als Erhaltungstherapie vs. Placebo beim fortgeschrittenen (Stadium IV) oder rezidivierten Endometriumkarzinom nach Platin- und Taxan-haltiger Chemotherapie.
Selinexor ist ein XPO1-Inhibitor. XPO1 ist ein Transportprotein (auch „Exportin 1“ genannt), das für den Export von mehreren Proteinen aus dem Zellkern in das Zytoplasma verantwortlich ist. Unter anderem werden auch Tumorsuppressorproteine wie p53 aus dem Zellkern transportiert und können damit nicht mehr ihre Kontrollfunktion bei der DNA-Replikation erfüllen. Tumorzellen exprimieren erhöhte Spiegel von XPO1. Dadurch wird die Fähigkeit, die Apoptose von Krebszellen zu initiieren, nachteilig beeinflusst. Die Inhibition von XPO1 hat zu einer nachweisbaren Akkumulation von nukleärem p53 geführt.
In dieser Studie wurde nun bei insgesamt 263 Patientinnen mit fortgeschrittenem/rezidiviertem Endometriumkarzinom die Anwendung von Selinexor vs. Placebo untersucht. Vordefinierte Explorativanalysen waren histologischer Subtyp, TP53-Mutationsstatus, MSI-Status und POLE-Mutationsstatus. Primärer Endpunkt war PFS, sekundäre Endpunkte waren unter anderem OS, Zeit bis zur ersten nachfolgenden Therapie (TFST) und Krankheitskontrollrate (DCR). Die Patientinnencharakteristika waren ausgeglichen.
In der ITT-Population fand sich ein signifikanter PFS-Vorteil für die Selinexor-Gruppe (HR: 0,705; 95% CI: 0,499–0,996; p=0,0224). Im Hinblick auf die Selinexorfunktion waren vor allem die Ergebnisse der Explorativanalysen interessant. So fand sich in der p53wt-Population ein hoch signifikanter Unterschied zwischen Selinexor und Placebo (medianes PFS 13,7 Monate vs. 3,7 Monate; HR: 0,375; 95% CI: 0,210–0,670; p=0,0003). In der p53mut-Population war kein Unterschied zu erkennen. In der MSS- und „low copy number“-Population fand sich ebenfalls ein hochsignifikanter Unterschied.
Die Toxizität von Selinexor war großteils moderat (G3-Toxizität 2%; eine G4-Thrombopenie ohne Blutung). Die wesentlichen Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen, Hämatotoxizität, Diarrhoe und Fatigue. Selinexor war hoch effektiv bei Patientinnen mit p53wt-Endometriumkarzinom inklusive MSS und „low copy number“, während bei Patientinnen mit p53-Mutation keine Wirkung erkennbar war.
Ovarialkarzinom
PFS-Vorteil mit Rucaparib
Beim Ovarialkarzinom wurden die Daten der ATHENA-MONO-Studie präsentiert. Die Studie war als 4-armige Studie konzipiert.
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Arm A enthielt:
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Rucaparib (600mg 2x tgl. p.o.)
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Nivolumab (480mg i.v. alle 28 Tage)
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Arm B enthielt:
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Rucaparib (600mg 2x tgl. p.o.)
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Placebo i.v.
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Arm C enthielt:
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Placebo p.o.
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Nivolumab (480mg i.v. alle 28 Tage)
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Arm D enthielt:
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Placebo p.o.
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Placebo i.v.
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Es erfolgte eine Randomisierung 4:4:4:1. Es wurden die Daten der Arme A und D präsentiert, also Daten ohne Nivolumab.
Das Studienkollektiv in der ATHENA-MONO-Studie bestand aus Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom (FIGO-Stadium III und IV), die auf die Erstlinien-Standardtherapie angesprochen hatten (primäre Zytoreduktion mit anschließender Platin-haltiger Kombinationschemotherapie oder neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von „Intervention Debulking“ mit anschließender Chemotherapie). Es wurden 427 Patientinnen in den experimentellen Arm mit Rucaparib und 111 in den Placeboarm randomisiert.
Die hierarchische Datenanalyse erfolgte in folgenden Schritten:
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Homologe Rekombinationsdefizienz (HRD; BRCAmut [BRCA-Mutation], BRCAwt [BRCA-Wildtyp] + LOH [„loss of heterozygosity“] high), alle Patientinnen (ITT-Population)
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eine Explorativanalyse HRD-positiv (BRCAmut, LOH high)
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eine Explorativanalyse HRD-negativ (BRCAwt + LOH low oder LOH indetermined)
Bemerkenswert ist, dass als HRD-Test nur der LOH-Status (Foundation 1) verwendet wurde. Primärer Studienendpunkt war das prüfarztbestimmte PFS, sekundäre Endpunkte das OS und ORR. Die Patientinnencharakteristika waren ausgeglichen.
Die ATHENA-MONO-Studie zeigte für das PFS einen signifikanten Vorteil für die Erhaltungstherapie mit Rucaparib sowohl in der HRD- wie auch in der ITT-Population (HR: 0,47; 95% CI: 0,31–0,72; p=0,0004; HR: 0,52; 95% CI: 0,40–0,68; p<0,0001). Die Subgruppenanalysen HRD-positiv (BRCAmut, LOH high) und HRD-negativ (BRCAwt + LOH low oder LOH indetermined) zeigten ebenfalls einen signifikanten PFS-Vorteil für den Rucaparib-Arm. Rucaparib verbesserte das PFS unabhängig vom HRD-Status. Anzumerken ist hier, dass allerdings nur der LOH-Status als HRD-Test erhoben wurde und damit die Rate der nicht erkannten HRD-positiven Patientinnen gegenüber anderen Tests erhöht sein könnte. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale gefunden.
Platin-resistent und Platin-refraktär: neue Strategien
Einige Studien untersuchten neue Strategien in der Behandlung des rezidivierten, Platin-resistenten bzw. Platin-refraktären Ovarialkarzinoms. Das platinresistente bzw. -refraktäre Rezidiv stellt nach wie vor eine große therapeutische Herausforderung dar.
Eine dieser Studien untersuchte die Anwendung von Relacorilant, einem selektiven Glucocorticoidrezeptor-Modulator. Cortisol kann durch Unterdrückung von Mechanismen, die zur Apoptose führen, zur Entwicklung von Chemoresistenz beitragen. Die Wirkung von Cortisol wird über den Glucocorticoidrezeptor (GR) vermittelt. Der GR wird in Ovarialkarzinomen häufig überexprimiert, wobei eine hohe Expression von GR mit einer schlechten Prognose assoziiert ist.
Eine GR-Modulation mit Relacorilant könnte die anti-apoptotische Wirkung von Cortisol inhibieren und damit die Effektivität von Zytostatika erhöhen. In dieser offenen Phase-II-Studie wurden 178 Patientinnen in drei Arme randomisiert. In Arm 1 erhielten die Patientinnen intermittierend Relacorilant und nab-Paclitaxel, in Arm 2 kontinuierlich Relacorilant und nab-Paclitaxel und in Arm 3 nur nab-Paclitaxel. Primärer Endpunkt war das PFS, sekundäre Endpunkte waren OS, ORR, Dauer des Ansprechens (DOR) und Sicherheit. Bei den Patientinnencharakteristika war festzustellen, dass im intermittierenden Arm mehr Platin-refraktäre Patientinnen waren.
Bei intermittierender Gabe von Relacorilant zeigte sich in der Gesamtpopulation gegenüber dem nab-Paclitaxel-Arm eine signifikante Verlängerung des medianen PFS (5,6 vs. 3,8 Monate, HR: 0,66; 95% CI: 0,44–0,98; p=0,038). Auch die DOR war in der intermittierenden Gruppe signifikant verlängert (HR: 0,36; 95% CI: 0,16–0,77; p=0,006). Beim Gesamtüberleben fand sich ein Trend in Richtung Erfolg des intermittierenden Relacorilant-Arms. Der Unterschied im Gesamtüberleben wurde nach Exklusion der Platin-refraktären Patientinnen signifikant. Diese Effekte konnten im kontinuierlichen Relacorilant-Arm nicht gefunden werden.
Hämatotoxizität und periphere Polyneuropathie waren die wichtigsten, allerdings gut managebaren Nebenwirkungen. Cortisol-Modulation ist ein vielversprechender Ansatz in der Behandlung des Platin-resistenten Ovarialkarzinomrezidivs. Eine entsprechende Phase-III-Studie ist in Planung.
Literatur:
beim Verfasser
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