
Knochenläsionen zwischen Malignität und Granulomatose
Autorin:
Dr. Anna Cvrtak
Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie
(mit Schwerpunkt pädiatrische Hämato-Onkologie)
St. Anna Kinderspital. Wien
E-Mail: anna.cvrtak@stanna.at
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Ein elfjähriger Knabe präsentiert sich mit Schmerzen und einer Schwellung im Bereich des Sternums und erhält eine komplette Diagnostik gebahnt auf das Vorliegen eines malignen Sarkoms, obschon aufgrund der seltenen Lokalisation nicht maligne Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen wären. Der nachfolgende Fall beleuchtet die Problematik der klinischen Differenzierung zwischen malignen Tumoren und infektiösen Erkrankungen und verdeutlicht einmal mehr die Wichtigkeit einer ausführlichen Anamneseerhebung und der davon abgeleiteten Diagnostik.
Keypoints
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Bei rasch größenprogredienten, dolenten Knochenläsionen müssen differenzialdiagnostisch neben Malignität immer auch entzündliche/infektiöse Erkrankungen des Skelett- und Weichteilapparates in Betracht gezogen werden.
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Die klinische als auch laborchemische und bildgebende Präsentation eines ossären Infektionsgeschehen kann eine maligne Erkrankung vortäuschen. Eine genaue Anamnese kann hilfreich sein, um zwischen den Entitäten zu entscheiden.
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Bei Verdacht auf eine granulomatös-entzündliche Erkrankung ossärer Strukturen sind spezielle diagnostische Anforderungen an das Biopsiematerial zu berücksichtigen, da dies den weiteren Behandlungspfad signifikant beschleunigen kann.
Klinischer Fallbericht
Ein elfjähriger, bisher gesunder männlicher Patient wurde aufgrund von seit fünf Tagen persistierenden sternalen Schmerzen vorstellig. Als vermeintliches Symptomkorrelat berichteten die Kindeseltern von einer prästernalen Schwellung mit Größenprogredienz seit drei Tagen. Anamnestisch wurden Fieber, kardiale oder respiratorische Beschwerden ebenso verneint wie Gewichtsverlust oder Abgeschlagenheit. Ein traumatisches Ereignis konnte anamnestisch und klinisch ausgeschlossen werden. Der Patient emigrierte vor zwei Jahren aus Indien nach Österreich und war zuletzt vor sechs Monaten in Indien auf Urlaub. Ein vorangegangener Kontakt zu tuberkulosekranken Personen wurde verneint.
In der klinischen Untersuchung fiel sternal eine 5x4cm große, druckdolente Schwellung mit Rötung im kaudalen Drittel der Läsion auf. Laborchemisch wurden eine Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit (59/98mm/h) sowie Auslenkung des CRP (3,7mg/dl) festgestellt. In der Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) zeigte sich im Bereich des Jugulums eine 4,5x4 cm große solide Raumforderung mit ossärer Destruktion des kranialen Drittels des Sternums. Differenzialdiagnostisch wurde die Läsion als primär osteogene Entität im Sinne eines Ewing-Sarkoms oder einer Langerhans-Zell-Histiozytose interpretiert. In der darauffolgenden Tumorbiopsie zeigte sich histologisch das Bild einer teils nekrotisierenden, teils retikulo-histozytären abszedierenden granulomatösen Entzündung. Eine maligne Erkrankung konnte somit ausgeschlossen werden. Eine nachträglich aus dem initialen Knochenbiopsat durchgeführte PCR-Analyse auf Mycobacterium tuberculosis fiel negativ aus. Parallel dazu zeigten sich allerdings wiederholt positive Interferon-γ-Release Assays(QuantiFERON-TB Gold Plus®) sowie ein positiver Tuberkulin-Hauttest. Ein abermals durchgeführter Erregernachweis auf Tuberkulose aus induziertem Sputum war negativ. Mittels einer Computertomografie erfolgte der Ausschluss von Lungenherden, weitere ossäre Herde konnten darüber hinaus in einer Ganzkörper-MRT ausgeschlossen werden. Schlussendlich wurde bei Verdacht auf eine isolierte Knochentuberkulose eine erneute Biopsie der Läsion durchgeführt, wobei bei entsprechender Materialverteilung und -versorgung mittels PCR und Biopsatkultur eine aktive Infektion mit Mycobacterium tuberculosis bestätigt werden konnte.
Entsprechend der Resistenzbestimmung aus der Kultur wurde eine tuberkulostatische Therapie für 12 Monate etabliert. Initial erhielt der Patient über zwei Monate eine Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid, bei entsprechendem Plan einer schrittweisen Reduktion (Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol für vier Monate; Isoniazid und Rifampicin für weitere 6 Monate).
Im zuletzt durchgeführten Follow-up nach drei Monaten Therapie zeigte sich klinisch eine deutliche Besserung des Lokalbefundes. Parallel dazu wurde in regelmäßigen MRT-Kontrollen eine Größenregredienz der sternalen Läsion dokumentiert (Abb. 1).
Abb. 1: MRT vor und nach Therapiebeginn. Sagittale T2-gewichtete, fettunterdrückte MRT-Bilder der sternalen Läsion (a) bei Diagnosestellung sowie (b) 12 Wochen nach Therapiebeginn zeigen eine mehrheitlich hyperintense, scharf begrenzte Weichteilläsion mit ossärer Beteiligung, welche im Verlauf deutlich an Volumen abnimmt
Tuberkulose als Differenzialdiagnose ossärer Läsionen
Diese Fallvignette beleuchtet ein klassisches Dilemma in der klinischen Routine, konkret die korrekte und zeitnahe Differenzierung zwischen malignen und (granulomatös-)entzündlichen bzw. infektiösen Entitäten. Unser Patient stellte sich mit einer rasch progredienten Beschwerdesymptomatik vor und wurde initialhinreichend abgeklärt. Trotz Risikoprofils aufgrund der Auslandsanamnese deuteten erste bildgebende Befunde auf einen malignen Knochentumor hin, obschon die Lokalisation Sternum für ein Ewing-Sarkom oder Osteosarkom selten ist. Dies implizierte eine unmittelbare Abklärung, in deren Rahmen ein Interferontest das Augenmerk auf eine granulomatöse Erkrankung lenkte. Dieser Umstand war mit großer Sicherheit der Tatsache geschuldet, dass an unserem (pädiatrisch-onkologischen) Zentrum solche Tests bei entsprechender Umgebungsanamnese routinemäßig durchgeführt werden.
Sowohl beim Ewing-Sarkom als auch bei der isolierten ossären Tuberkulose handelt es sich um seltene Erkrankungen. Ewing-Sarkome sind die zweithäufigsten malignen Knochentumoren und machen 10–15% aller primären malignen Knochentumoren aus, wobei das Achsenskelett in 45% (insbesondere Becken und Rippen), das appendikulare Skelett in 35% und extraossäre Lokalisationen in 20% aller Fälle betroffen sind. Bei diesem Patienten wäre somit eine sehr seltene Lokalisation eines seltenen Malignoms vorgelegen, was nicht unmöglich gewesen wäre, jedoch auch von Anfang an an entzündliche/infektiöse Differentialdiagnosen hätte denken lassen und zur Einleitung einer entsprechenden Diagnostik am Tumormaterial hätte führen können. Eine ossäre Beteiligung liegt hingegen nur in 2% aller Tuberkulosefälle vor.
Gemein ist beiden Pathologien eine unspezifische klinische Erstmanifestation mit Schmerzen und Schwellung als Leitsymptomatik. Eine B-Symptomatik kann ebenso in beiden Fällen vorliegen, deutet aber sowohl beim Ewing-Sarkom als auch bei einer Tuberkulose auf eine disseminierte Erkrankung hin. Auch laborchemisch können uncharakteristische Veränderungen wie erhöhte Serumspiegel für CRP, LDH sowie Ferritin und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit vorliegen.1–3 Bildgebend ist trotz fortgeschrittener MRT-Technologie ebenfalls häufig eine eindeutige Differenzierung nicht möglich. Vergleichend ist eine Studie von Lex et al. zu erwähnen, welche bei 60% der Osteomyelitiden bzw. 82% der Weichteilinfektionen feststellte, dass in MRT-Befunden von 238 Patienten zwischen 11 und 36 Jahren Malignität entweder als gleich wahrscheinlich oder wahrscheinlicher bewertet wurde.3
Zur definitiven Sicherung klinischer und apparativer Verdachtsbefunde ist bei Malignomen sowie infektiösen Läsionen eine invasive Diagnostik mittels offener oder bildgebend-gezielter Stanzbiopsien notwendig. Dabei sollte neben einer histopathologischen Beurteilung im Hinblick auf die Malignität des Biopsats bei klinischem Verdacht ergänzend eine umfassende infektiologische Abklärung erfolgen.1–3 Diese beinhaltet neben einer mikroskopischen Untersuchung auf säurefeste Stäbchen vor allem Kulturverfahren, welche weiterhin als Goldstandard zum Nachweis von Mykobakterien gelten. In den letzten Jahren haben sich molekularbiologische Verfahren zur Identifizierung und Differenzierung von Mykobakterien weitgehend durchgesetzt. Die Identifizierung der Bakterien gelingt dadurch im Vergleich zur Kultur deutlich schneller (24–48 Stunden vs. Tage bis Wochen). Dennoch sollte eine Kultur dadurch nicht ersetzt werden, da eine Unterscheidung zwischen vitalen und toten Erregern mittels molekularbiologischer Verfahren nicht möglich ist. Neben dem Erregernachweis ist parallel eine Bestimmung der Resistenz gegen die Erstrangmedikamente Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol empfehlenswert.2
Fazit
Zusammengefasst zeigt dieser Fallbericht die Wichtigkeit einer ausführlichen Anamnese, besonders im Hinblick auf Auslandsaufenthalte, bei im Raum stehenden granulomatösen und vergleichbaren infektiösen Erkrankungen. Zudem schützt eine solide multidisziplinäre Arbeit im Rahmen von Tumorboards zwecks Planung der Operation und Materialversorgung vor voreiligen Schlüssen aus klinischer und apparativer Diagnostik.
Literatur:
1 Dirksen U: Ewing-Sarkom des Kindes- und -Jugendalters. AWMF Online, Jänner 2022 2 Feiterna-Sperling C et al.: Consensus-based guidelines for diagnosis, prevention and treatment of tuberculosis in children and adolescents: A guideline on behalf of the German Society for Pediatric Infectious Diseases (DGPI). Pneumologie 2017; 71(10): 629-80 3 Lex JR et al.: Distinguishing bone and soft tissue infections mimicking sarcomas requires multimodal multidisciplinary team assessment. Ann R Coll Surg Engl 2019; 101(6): 405-10
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